Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704.Das V. Capitel. Continuirung des vorigen/ nebst kurtzer Abhandelung von Wasser-Drachen. §. 1. UBer diß [3.) was mehr-erwehnter Pater Kircher von einem zu Rhodis vormals schädlich-wütenden / Gifft/ Feuer/ Dampff/ und Rauch speyenden/ spitz-öhrigen/ breit-geflügelten / vierfüssigen/ von einem Casconier ritterllch erlegt- und neulichst dann (pag. 91.) abgemahlten / Ochsen-grossen Drachen/ von Anno 1345. zu desto mehrer Verhasst-machung des gantzen Drachen-Geschlechts/ weiß nit aus was vor historischem Grund/ und billich sonst unumbstößlichen Documenten erzehlet; ist zwar erschröcklich/ und mag ichs/ dem fürnehmen Mann zu Ehren/ nit schnur-gleich leugnen: jedoch auch gäntzlichen Beyfall nit zugeben/ biß alle Scrupel gehoben sind/ wird hoffentlich der Freyheit meines Gemüths gern perdoniret werden. §. 2. Und letztlich (4.) was beym Kirchero (pag. 93. b.) von einem geflügelten zwey-füssigen Drachen auß der Schweitz/ sorgfältig angeführet wird; darentgegen kan dieß moviret werden; daß (1.) einer/ genennet Cysatus, der dem Kirchero die Erzehlung gethan/ in seiner Beredsamkeit sich gar zu hoch versteiget/ und weiß nicht von wie viel und grossen Feuer-Funcken/ die der Drache durch die Lufft von sich gesprützet hätte/ fabulirt. Hätte Cysatus die Sache noch grausamer machen können/ ich glaube/ er würde hundert mehre Schein-Worte aus allen AErariis Poeticis, und noch so vielen Mellificiis Oratoriis, darzu entlehnet haben. (2.) Zu dem/ so ist weder dem Referenten/ noch folgends Herrn Kirchern/ zu ihrer Autorität sehr profitabel, daß (pag. 94. a.) stehet/ derselbige Drache hätte einen Schlangen-Kopff gehabt; und bald in der darauff-folgenden sechsten Zeile lieset man: ein Kopf/ wie ein Pferdt. Das heist/ mein Herr Cysate: Historicum oportet esse memorem. Doch läst sich ienes mit der Figur/ und dieses mit der Grösse/ vielleicht entschuldigen. §. 3. Diß ist aber gewiß/ daß Herr Kircherus nit von mir allein/ sondern von vielen andern mehr/ gar sehr beklaget wird/ daß hin und wieder in seinen sonst hochschätzbaren Schrifften / jedoch wegen gar-zu-guthertzigen Leichtgläubigkeit/ so manchen unmüglich-wahren Erzehlungen / die Er wegen unersättlicher Curiosität von andern Leuthen da und dort empfangen/ gar zu deutlich Raum gegeben. Worunter/ ob angeregte Drachen-Historien/ nach allen Umbständen zu glauben seyn/ will ich dem Urtheil des Lesers hinterlassen. §. 4. Meine/ wiewol gantz unvorgreiffliche/ Meynung von Drachen/ ist sonst in Summa diese: (1.) Ich glaube/ daß Drachen in der Welt seyn/ gewesen seyn/ und noch seyn werden. (2.) Am allermeisten aber viel anders nit/ als sehr alte/ und wegen Alters/ sehr groß-gewordene Schlangen. (3. Und dieses wegen ihres reichlichen Lebens-Balsams/ und Nahrung-reichen innerlichen Fleisch-Safftes/ dessen sie gnugsamen Vorrath haben/ und derhalben ohne sichtbahre Speise sehr lang in der Erden sich enthalten können. (4.) Ich vermuthe auch/ daß / je grösser und älter sie worden/ je leichter könne geschehen/ daß nach so oft-wiederholten jährlichen Abbalgungen/ zur Seiten ihres Cörpers/ da sie am dicksten sind/ nnd also am genauest- und schmertz-hafftigsten sich klämmen/ die neue hervor-blühende Haut/ einige dilatation, seitwarts herauß/ und flügel-formige Epiphyses, oder dünn-häutige Außwachsungen / gewinnen möge. [5.) Oder auch ohne dem sonst von Natur/ bey zärterem Alter/ und kleinerem Leibe/ geflügelte Drachen auffwachsen. (6.) So muß ich endlich auch wol so vielen Autoribus in der welt glauben geben/ daß Drachen zu finden seyn/ die nicht allein 2. Flügel/ grausamen Rachen/ Halß/ Rücken/ Bauch/ und Schwantz/ sondern darzu noch etwa 2. Füsse habendergleichen beynebenst in Herrn Thomä Bartholini Lehr-reichem Buche de Unicornu (cap. 7. pag. 51.) zusehen ist. [7.) Und am aher-glanbwürdigst-Curiös- und nachdencklichsten ist/ was zum Uberflusse noch von vierfüssigen Drachen der Carpatischen Gebürge/ nur noch neulich Anno 1671. und 72. Herr D. Johann Paterson Hain/ Physicus zu Epperies/ auß Ungarn/ dem seel: Herrn D. Sachsen nach Breßlau geschrieben/ und ihm viel noch frische/ mit Lacte Lunae bewachsene Knochen/ übersendet; (welche Drachen aber ohne Flügel sind) davon sehr fein zu lesen im Dritten Jahr oder Volumine Ephemeridum Curiosarum Germaniae, und daselbst in der 139. und 194. Observation. §. 5. Hingegen bin ich noch schwer darzu zu bereden/ daß (1) die jenigen mittelmässigen Drachen/ davon gleich itzo bey numero 6. und 7. des vierten Paragraphi gedacht/ das ist/ die 2. oder 4. Füsse haben/ irgend zu der abscheulichen Grösse gelangen / derer die alten/ ungeflügelten/ und sonderlich ohn-füssigen kriegenden Schlangen sind/ davon unter num. 2. und 3. Das V. Capitel. Continuirung des vorigen/ nebst kurtzer Abhandelung von Wasser-Drachen. §. 1. UBer diß [3.) was mehr-erwehnter Pater Kircher von einem zu Rhodis vormals schädlich-wütenden / Gifft/ Feuer/ Dampff/ und Rauch speyenden/ spitz-öhrigen/ breit-geflügelten / vierfüssigen/ von einem Casconier ritterllch erlegt- und neulichst dann (pag. 91.) abgemahlten / Ochsen-grossen Drachen/ von Anno 1345. zu desto mehrer Verhasst-machung des gantzen Drachen-Geschlechts/ weiß nit aus was vor historischem Grund/ und billich sonst unumbstößlichen Documenten erzehlet; ist zwar erschröcklich/ und mag ichs/ dem fürnehmen Mann zu Ehren/ nit schnur-gleich leugnen: jedoch auch gäntzlichen Beyfall nit zugeben/ biß alle Scrupel gehoben sind/ wird hoffentlich der Freyheit meines Gemüths gern perdoniret werden. §. 2. Und letztlich (4.) was beym Kirchero (pag. 93. b.) von einem geflügelten zwey-füssigen Drachen auß der Schweitz/ sorgfältig angeführet wird; darentgegen kan dieß moviret werden; daß (1.) einer/ genennet Cysatus, der dem Kirchero die Erzehlung gethan/ in seiner Beredsamkeit sich gar zu hoch versteiget/ und weiß nicht von wie viel und grossen Feuer-Funcken/ die der Drache durch die Lufft von sich gesprützet hätte/ fabulirt. Hätte Cysatus die Sache noch grausamer machen können/ ich glaube/ er würde hundert mehre Schein-Worte aus allen AErariis Poëticis, und noch so vielen Mellificiis Oratoriis, darzu entlehnet haben. (2.) Zu dem/ so ist weder dem Referenten/ noch folgends Herrn Kirchern/ zu ihrer Autorität sehr profitabel, daß (pag. 94. a.) stehet/ derselbige Drache hätte einen Schlangen-Kopff gehabt; und bald in der darauff-folgenden sechsten Zeile lieset man: ein Kopf/ wie ein Pferdt. Das heist/ mein Herr Cysate: Historicum oportet esse memorem. Doch läst sich ienes mit der Figur/ und dieses mit der Grösse/ vielleicht entschuldigen. §. 3. Diß ist aber gewiß/ daß Herr Kircherus nit von mir allein/ sondern von vielen andern mehr/ gar sehr beklaget wird/ daß hin und wieder in seinen sonst hochschätzbaren Schrifften / jedoch wegen gar-zu-guthertzigen Leichtgläubigkeit/ so manchen unmüglich-wahren Erzehlungen / die Er wegen unersättlicher Curiosität von andern Leuthen da und dort empfangen/ gar zu deutlich Raum gegeben. Worunter/ ob angeregte Drachen-Historien/ nach allen Umbständen zu glauben seyn/ will ich dem Urtheil des Lesers hinterlassen. §. 4. Meine/ wiewol gantz unvorgreiffliche/ Meynung von Drachen/ ist sonst in Summa diese: (1.) Ich glaube/ daß Drachen in der Welt seyn/ gewesen seyn/ und noch seyn werden. (2.) Am allermeisten aber viel anders nit/ als sehr alte/ und wegen Alters/ sehr groß-gewordene Schlangen. (3. Und dieses wegen ihres reichlichen Lebens-Balsams/ und Nahrung-reichen innerlichen Fleisch-Safftes/ dessen sie gnugsamen Vorrath haben/ und derhalben ohne sichtbahre Speise sehr lang in der Erden sich enthalten können. (4.) Ich vermuthe auch/ daß / je grösser und älter sie worden/ je leichter könne geschehen/ daß nach so oft-wiederholten jährlichen Abbalgungen/ zur Seiten ihres Cörpers/ da sie am dicksten sind/ nnd also am genauest- und schmertz-hafftigsten sich klämmen/ die neue hervor-blühende Haut/ einige dilatation, seitwarts herauß/ und flügel-formige Epiphyses, oder dünn-häutige Außwachsungen / gewinnen möge. [5.) Oder auch ohne dem sonst von Natur/ bey zärterem Alter/ und kleinerem Leibe/ geflügelte Drachen auffwachsen. (6.) So muß ich endlich auch wol so vielen Autoribus in der welt glauben geben/ daß Drachen zu finden seyn/ die nicht allein 2. Flügel/ grausamen Rachen/ Halß/ Rücken/ Bauch/ und Schwantz/ sondern darzu noch etwa 2. Füsse habendergleichen beynebenst in Herrn Thomä Bartholini Lehr-reichem Buche de Unicornu (cap. 7. pag. 51.) zusehen ist. [7.) Und am aher-glanbwürdigst-Curiös- und nachdencklichsten ist/ was zum Uberflusse noch von vierfüssigen Drachen der Carpatischen Gebürge/ nur noch neulich Anno 1671. und 72. Herr D. Johann Paterson Hain/ Physicus zu Epperies/ auß Ungarn/ dem seel: Herrn D. Sachsen nach Breßlau geschrieben/ und ihm viel noch frische/ mit Lacte Lunae bewachsene Knochen/ übersendet; (welche Drachen aber ohne Flügel sind) davon sehr fein zu lesen im Dritten Jahr oder Volumine Ephemeridum Curiosarum Germaniae, und daselbst in der 139. und 194. Observation. §. 5. Hingegen bin ich noch schwer darzu zu bereden/ daß (1) die jenigen mittelmässigẽ Drachen/ davon gleich itzo bey numero 6. und 7. des vierten Paragraphi gedacht/ das ist/ die 2. oder 4. Füsse haben/ irgend zu der abscheulichen Grösse gelangen / derer die alten/ ungeflügelten/ und sonderlich ohn-füssigen kriegenden Schlangen sind/ davon unter num. 2. und 3. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0627" n="77"/> </div> <div> <head>Das V. Capitel.</head> <p>Continuirung des vorigen/ nebst kurtzer Abhandelung von Wasser-Drachen.</p> </div> <div> <head>§. 1.</head> <p>UBer diß [3.) was mehr-erwehnter Pater Kircher von einem zu Rhodis vormals schädlich-wütenden / Gifft/ Feuer/ Dampff/ und Rauch speyenden/ spitz-öhrigen/ breit-geflügelten / vierfüssigen/ von einem Casconier ritterllch erlegt- und neulichst dann (pag. 91.) abgemahlten / Ochsen-grossen Drachen/ von Anno 1345. zu desto mehrer Verhasst-machung des gantzen Drachen-Geschlechts/ weiß nit aus was vor historischem Grund/ und billich sonst unumbstößlichen Documenten erzehlet; ist zwar erschröcklich/ und mag ichs/ dem fürnehmen Mann zu Ehren/ nit schnur-gleich leugnen: jedoch auch gäntzlichen Beyfall nit zugeben/ biß alle Scrupel gehoben sind/ wird hoffentlich der Freyheit meines Gemüths gern perdoniret werden.</p> <p>§. 2. Und letztlich (4.) was beym Kirchero (pag. 93. b.) von einem geflügelten zwey-füssigen Drachen auß der Schweitz/ sorgfältig angeführet wird; darentgegen kan dieß moviret werden; daß (1.) einer/ genennet Cysatus, der dem Kirchero die Erzehlung gethan/ in seiner Beredsamkeit sich gar zu hoch versteiget/ und weiß nicht von wie viel und grossen Feuer-Funcken/ die der Drache durch die Lufft von sich gesprützet hätte/ fabulirt. Hätte Cysatus die Sache noch grausamer machen können/ ich glaube/ er würde hundert mehre Schein-Worte aus allen AErariis Poëticis, und noch so vielen Mellificiis Oratoriis, darzu entlehnet haben. (2.) Zu dem/ so ist weder dem Referenten/ noch folgends Herrn Kirchern/ zu ihrer Autorität sehr profitabel, daß (pag. 94. a.) stehet/ derselbige Drache hätte einen Schlangen-Kopff gehabt; und bald in der darauff-folgenden sechsten Zeile lieset man: ein Kopf/ wie ein Pferdt. Das heist/ mein Herr Cysate: Historicum oportet esse memorem. Doch läst sich ienes mit der Figur/ und dieses mit der Grösse/ vielleicht entschuldigen.</p> <p>§. 3. Diß ist aber gewiß/ daß Herr Kircherus nit von mir allein/ sondern von vielen andern mehr/ gar sehr beklaget wird/ daß hin und wieder in seinen sonst hochschätzbaren Schrifften / jedoch wegen gar-zu-guthertzigen Leichtgläubigkeit/ so manchen unmüglich-wahren Erzehlungen / die Er wegen unersättlicher Curiosität von andern Leuthen da und dort empfangen/ gar zu deutlich Raum gegeben. Worunter/ ob angeregte Drachen-Historien/ nach allen Umbständen zu glauben seyn/ will ich dem Urtheil des Lesers hinterlassen.</p> <p>§. 4. Meine/ wiewol gantz unvorgreiffliche/ Meynung von Drachen/ ist sonst in Summa diese: (1.) Ich glaube/ daß Drachen in der Welt seyn/ gewesen seyn/ und noch seyn werden. (2.) Am allermeisten aber viel anders nit/ als sehr alte/ und wegen Alters/ sehr groß-gewordene Schlangen. (3. Und dieses wegen ihres reichlichen Lebens-Balsams/ und Nahrung-reichen innerlichen Fleisch-Safftes/ dessen sie gnugsamen Vorrath haben/ und derhalben ohne sichtbahre Speise sehr lang in der Erden sich enthalten können. (4.) Ich vermuthe auch/ daß / je grösser und älter sie worden/ je leichter könne geschehen/ daß nach so oft-wiederholten jährlichen Abbalgungen/ zur Seiten ihres Cörpers/ da sie am dicksten sind/ nnd also am genauest- und schmertz-hafftigsten sich klämmen/ die neue hervor-blühende Haut/ einige dilatation, seitwarts herauß/ und flügel-formige Epiphyses, oder dünn-häutige Außwachsungen / gewinnen möge. [5.) Oder auch ohne dem sonst von Natur/ bey zärterem Alter/ und kleinerem Leibe/ geflügelte Drachen auffwachsen. (6.) So muß ich endlich auch wol so vielen Autoribus in der welt glauben geben/ daß Drachen zu finden seyn/ die nicht allein 2. Flügel/ grausamen Rachen/ Halß/ Rücken/ Bauch/ und Schwantz/ sondern darzu noch etwa 2. Füsse habendergleichen beynebenst in Herrn Thomä Bartholini Lehr-reichem Buche de Unicornu (cap. 7. pag. 51.) zusehen ist. [7.) Und am aher-glanbwürdigst-Curiös- und nachdencklichsten ist/ was zum Uberflusse noch von vierfüssigen Drachen der Carpatischen Gebürge/ nur noch neulich Anno 1671. und 72. Herr D. Johann Paterson Hain/ Physicus zu Epperies/ auß Ungarn/ dem seel: Herrn D. Sachsen nach Breßlau geschrieben/ und ihm viel noch frische/ mit Lacte Lunae bewachsene Knochen/ übersendet; (welche Drachen aber ohne Flügel sind) davon sehr fein zu lesen im Dritten Jahr oder Volumine Ephemeridum Curiosarum Germaniae, und daselbst in der 139. und 194. Observation.</p> <p>§. 5. Hingegen bin ich noch schwer darzu zu bereden/ daß (1) die jenigen mittelmässigẽ Drachen/ davon gleich itzo bey numero 6. und 7. des vierten Paragraphi gedacht/ das ist/ die 2. oder 4. Füsse haben/ irgend zu der abscheulichen Grösse gelangen / derer die alten/ ungeflügelten/ und sonderlich ohn-füssigen kriegenden Schlangen sind/ davon unter num. 2. und 3. </p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0627]
Das V. Capitel. Continuirung des vorigen/ nebst kurtzer Abhandelung von Wasser-Drachen.
§. 1. UBer diß [3.) was mehr-erwehnter Pater Kircher von einem zu Rhodis vormals schädlich-wütenden / Gifft/ Feuer/ Dampff/ und Rauch speyenden/ spitz-öhrigen/ breit-geflügelten / vierfüssigen/ von einem Casconier ritterllch erlegt- und neulichst dann (pag. 91.) abgemahlten / Ochsen-grossen Drachen/ von Anno 1345. zu desto mehrer Verhasst-machung des gantzen Drachen-Geschlechts/ weiß nit aus was vor historischem Grund/ und billich sonst unumbstößlichen Documenten erzehlet; ist zwar erschröcklich/ und mag ichs/ dem fürnehmen Mann zu Ehren/ nit schnur-gleich leugnen: jedoch auch gäntzlichen Beyfall nit zugeben/ biß alle Scrupel gehoben sind/ wird hoffentlich der Freyheit meines Gemüths gern perdoniret werden.
§. 2. Und letztlich (4.) was beym Kirchero (pag. 93. b.) von einem geflügelten zwey-füssigen Drachen auß der Schweitz/ sorgfältig angeführet wird; darentgegen kan dieß moviret werden; daß (1.) einer/ genennet Cysatus, der dem Kirchero die Erzehlung gethan/ in seiner Beredsamkeit sich gar zu hoch versteiget/ und weiß nicht von wie viel und grossen Feuer-Funcken/ die der Drache durch die Lufft von sich gesprützet hätte/ fabulirt. Hätte Cysatus die Sache noch grausamer machen können/ ich glaube/ er würde hundert mehre Schein-Worte aus allen AErariis Poëticis, und noch so vielen Mellificiis Oratoriis, darzu entlehnet haben. (2.) Zu dem/ so ist weder dem Referenten/ noch folgends Herrn Kirchern/ zu ihrer Autorität sehr profitabel, daß (pag. 94. a.) stehet/ derselbige Drache hätte einen Schlangen-Kopff gehabt; und bald in der darauff-folgenden sechsten Zeile lieset man: ein Kopf/ wie ein Pferdt. Das heist/ mein Herr Cysate: Historicum oportet esse memorem. Doch läst sich ienes mit der Figur/ und dieses mit der Grösse/ vielleicht entschuldigen.
§. 3. Diß ist aber gewiß/ daß Herr Kircherus nit von mir allein/ sondern von vielen andern mehr/ gar sehr beklaget wird/ daß hin und wieder in seinen sonst hochschätzbaren Schrifften / jedoch wegen gar-zu-guthertzigen Leichtgläubigkeit/ so manchen unmüglich-wahren Erzehlungen / die Er wegen unersättlicher Curiosität von andern Leuthen da und dort empfangen/ gar zu deutlich Raum gegeben. Worunter/ ob angeregte Drachen-Historien/ nach allen Umbständen zu glauben seyn/ will ich dem Urtheil des Lesers hinterlassen.
§. 4. Meine/ wiewol gantz unvorgreiffliche/ Meynung von Drachen/ ist sonst in Summa diese: (1.) Ich glaube/ daß Drachen in der Welt seyn/ gewesen seyn/ und noch seyn werden. (2.) Am allermeisten aber viel anders nit/ als sehr alte/ und wegen Alters/ sehr groß-gewordene Schlangen. (3. Und dieses wegen ihres reichlichen Lebens-Balsams/ und Nahrung-reichen innerlichen Fleisch-Safftes/ dessen sie gnugsamen Vorrath haben/ und derhalben ohne sichtbahre Speise sehr lang in der Erden sich enthalten können. (4.) Ich vermuthe auch/ daß / je grösser und älter sie worden/ je leichter könne geschehen/ daß nach so oft-wiederholten jährlichen Abbalgungen/ zur Seiten ihres Cörpers/ da sie am dicksten sind/ nnd also am genauest- und schmertz-hafftigsten sich klämmen/ die neue hervor-blühende Haut/ einige dilatation, seitwarts herauß/ und flügel-formige Epiphyses, oder dünn-häutige Außwachsungen / gewinnen möge. [5.) Oder auch ohne dem sonst von Natur/ bey zärterem Alter/ und kleinerem Leibe/ geflügelte Drachen auffwachsen. (6.) So muß ich endlich auch wol so vielen Autoribus in der welt glauben geben/ daß Drachen zu finden seyn/ die nicht allein 2. Flügel/ grausamen Rachen/ Halß/ Rücken/ Bauch/ und Schwantz/ sondern darzu noch etwa 2. Füsse habendergleichen beynebenst in Herrn Thomä Bartholini Lehr-reichem Buche de Unicornu (cap. 7. pag. 51.) zusehen ist. [7.) Und am aher-glanbwürdigst-Curiös- und nachdencklichsten ist/ was zum Uberflusse noch von vierfüssigen Drachen der Carpatischen Gebürge/ nur noch neulich Anno 1671. und 72. Herr D. Johann Paterson Hain/ Physicus zu Epperies/ auß Ungarn/ dem seel: Herrn D. Sachsen nach Breßlau geschrieben/ und ihm viel noch frische/ mit Lacte Lunae bewachsene Knochen/ übersendet; (welche Drachen aber ohne Flügel sind) davon sehr fein zu lesen im Dritten Jahr oder Volumine Ephemeridum Curiosarum Germaniae, und daselbst in der 139. und 194. Observation.
§. 5. Hingegen bin ich noch schwer darzu zu bereden/ daß (1) die jenigen mittelmässigẽ Drachen/ davon gleich itzo bey numero 6. und 7. des vierten Paragraphi gedacht/ das ist/ die 2. oder 4. Füsse haben/ irgend zu der abscheulichen Grösse gelangen / derer die alten/ ungeflügelten/ und sonderlich ohn-füssigen kriegenden Schlangen sind/ davon unter num. 2. und 3.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI.
(2013-11-26T12:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-11-26T12:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |