Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704.

Bild:
<< vorherige Seite
§. I.

DIe Natterküchlein oder

TROCHISCI DE VIPERIS

sind runde/ dünne und sehr leichte Küchlein/ eines Kopffstücks groß/ wie Zwieback schmeckend/ mit welchen das abgekochte Vipern oder Schlangenfleisch vermischet/ und zu solchen Küchlein formiret wird; kommen meistens aus Italien über Padoa und Venedig / nebst einem grossen Testimonio, damit man sich bey Aufflegung des Theriacs darauf verlassen / und daß sie richtig praeparirt seyen/ beweisen könne/ wie Vielhewr in Beschreibung frembder Materialien p. 193. redet.

§. II.

Zu diesen Trochiscis nun werden vor andern die Italiänische Vipern oder Welsche Nattern / welche in hitzigen Orten gefangen werden/ gesuchet/ wiewohln in deren Ermanglung auch unsere Nattern und Brandschlangen/ so sich umb alte Gebäue/ Weyern/ Seegmühlen und Hecken auffhalten/ nicht undienlich sind/ wie Marxius in der Material-Kammer/ p. 214. nebst andern schreibet: Gilt auch nach D. Hoffmanns Sinn in Clav. Schrad. p. 689. gleich viel/ ob es Männlein oder Weiblein seyen/ welche letztere sonsten von den meisten vor besser gehalten werden/ ohne Zweiffel deswegen/ weilen sie an dem platten und breiten Kopff/ wie auch den blitzenden Augen eher vor den andern Schlangen zu erkennen sind/ von welchen die Männlein wegen ihres kleinen und stracken Kopffs nicht so wol unterschieden werden können/ wie Charas in seiner Historie der Theriaes-Ingredientien pag 30. muthmasset. Alle aber sind entweder im Früling oder im Herbst/ und wie es Marxius c. l. deutet/ vor und nach Georgen Tag/ vor der Sonnen Auffgang zu fangen/ da sie am fettesten sind/ und nach solcher Zeit nichts mehr an ihnen zu finden ist/ dieweilen sie alles in die Eyerverzehren/ welche sie/ wie andere Schlangen auch in den Sand scharren/ und von der Sonnen ausbrütenlassen/ es seye dann/ daß sie solche zuweilen etwas zu lang bey sich behalten/ bis die Jungen in dem Leib schon ausgehen: dahero die Meynung entstanden/ daß die junge Vipern den Müttern den Leib durchfressen/ oder daß die Vipern allein ihre Jungen lebendig gehähren sollen/ da doch solches zuweilen auch an den andern Schlangen geschiehet/ wie Frid. Hoffm. c. l. p. 688. aus des Redi Observ. de Viperis angeführet hat. Wie irrig und lächerlich aber derjenigen Vorgeben sey/ welche behaupten wollen/ daß die Vipern sich durch den Mund paaren/ und dardurch empfangen sollen/ ist aus des Wormii Museo p. 263. zuersehen/ allwo gezeiget wird/ daß sie / wie alle andere Thiere sich vermehren/ und sich nur im paaren lecken/ oder gleichsam küssen sollen.

§. III.

Es werden aber die VIPERAE oder Welsche Nattern/ nachdem sie gefangen worden/ entweder lebendig beschrieben und verschickt/ oder so bald getödtet/ auffgetrucknet/ und auf verschiedene Art praeparirt. Jene sollen recht lebhafftig/ fett und dick/ auch frisch gefangen seyn/ und muß man/ so balden sie ankommen/ die Einschläge öffnen/ und die abgestandene oder verstorbene auswerffen/ die andern aber unter Moos in Tonnen schlagen/ und an einen temperirten Ort stellen/ weilen sie weder Frost noch Hitze vertragen können/ allwo sie wol 6. Monat ohne einige Speise lebendig bleiben; doch muß man wol Achtung geben/ daß sie nicht ausbrechen/ und hin und wieder sich verkriechen/ da sie leicht grossen Schaden thun könten/ und wann man sie heraus langet/ muß man sie nut gelind am Schwantz angreiffen / und nicht hart drucken/ sonsten sie böß werden/ und um sich beissen; weßwegen sie andere mit dem Zänglein fassen/ wie Ponet. in seiner Hist. Gen. des Drogues Part. 2. lib. I. c. 27. p. 61 treulich warnet.

§. IV.

Die auffgedörrete Viperschlangen oder

VIPERAE EXSICCATAE

sind vordiesem/ auch wol heut zu Tag noch an etlichen Orten also praeparirt worden/ daß sie erstlich die lebendige Vipern/ ehe sie ihnen die Köpff und Schwäntze abschneiden/ weidlich peitschen/ damit sie also zum Zorn erreget/ ihren Gifft wegspeyen möchten; und weilen man vermeinet/ daß solcher sich alsdann aus dem gantzen Leib in den Kopff ziehe/ diesen nebenst dem Schwantz hinweg schneiden. Allein wie abgeschmackt und unverständig diese Meinung seye / hat obgemeldter Frantzos Moyses Charas nicht allein in dem schon allegirt. Tr. sondern auch in einem eigenen Frantzös. Buch de Viperis stattlich erwiesen; indem er zeiget/ daß/ weil Helmontius schon vor diesem gelehret/ auch D. Ettmüller in einer eigenen Disputation de Morsu Viperae weitläufftig dociret/ die Viperschlangen/ (welche von grossen Herren ohne Schaden in der Speise genossen werden /) an und vor sich nicht gifftig seyn/ sondern durch den Zorn / wann sie irritiret würden/ dergleichen gifftige Bisse/ wie die gifftig-böse und erzörnte Menschen selbsten/ anbringen und anlegen könten: Und ob zwar der berühmte Italiäner Franciscus Redi in seinen Obs. de Viperis durch gewisse Experimenta behaupten wollen/ daß der Speichel von den Schlangen den Gifft in sich hege/ und wann solcher in die Stiche und Wunden komme / den Menschen tödte/ so hat doch belobter Charas ihn mit andern Observationen widerleget; und weilen also obige Praeparation auf einem falschen Grund beruhet/ so unterlässet jetztgemeldter Apothecker das obige Geiseln gäntzlich/ sondern hauet den Nattern nur den

§. I.

DIe Natterküchlein oder

TROCHISCI DE VIPERIS

sind runde/ dünne und sehr leichte Küchlein/ eines Kopffstücks groß/ wie Zwieback schmeckend/ mit welchen das abgekochte Vipern oder Schlangenfleisch vermischet/ und zu solchen Küchlein formiret wird; kom̃en meistens aus Italien über Padoa und Venedig / nebst einem grossen Testimonio, damit man sich bey Aufflegung des Theriacs darauf verlassen / und daß sie richtig praeparirt seyen/ beweisen könne/ wie Vielhewr in Beschreibung frembder Materialien p. 193. redet.

§. II.

Zu diesen Trochiscis nun werden vor andern die Italiänische Vipern oder Welsche Nattern / welche in hitzigen Orten gefangen werden/ gesuchet/ wiewohln in deren Ermanglung auch unsere Nattern und Brandschlangen/ so sich umb alte Gebäue/ Weyern/ Seegmühlen und Hecken auffhalten/ nicht undienlich sind/ wie Marxius in der Material-Kammer/ p. 214. nebst andern schreibet: Gilt auch nach D. Hoffmanns Sinn in Clav. Schrad. p. 689. gleich viel/ ob es Männlein oder Weiblein seyen/ welche letztere sonsten von den meisten vor besser gehalten werden/ ohne Zweiffel deswegen/ weilen sie an dem platten und breiten Kopff/ wie auch den blitzenden Augen eher vor den andern Schlangen zu erkennen sind/ von welchen die Männlein wegen ihres kleinen und stracken Kopffs nicht so wol unterschieden werden können/ wie Charas in seiner Historie der Theriaes-Ingredientien pag 30. muthmasset. Alle aber sind entweder im Früling oder im Herbst/ und wie es Marxius c. l. deutet/ vor und nach Georgen Tag/ vor der Sonnen Auffgang zu fangen/ da sie am fettesten sind/ und nach solcher Zeit nichts mehr an ihnen zu finden ist/ dieweilen sie alles in die Eyerverzehren/ welche sie/ wie andere Schlangen auch in den Sand scharren/ und von der Sonnen ausbrütenlassen/ es seye dann/ daß sie solche zuweilen etwas zu lang bey sich behalten/ bis die Jungen in dem Leib schon ausgehen: dahero die Meynung entstanden/ daß die junge Vipern den Müttern den Leib durchfressen/ oder daß die Vipern allein ihre Jungen lebendig gehähren sollen/ da doch solches zuweilen auch an den andern Schlangen geschiehet/ wie Frid. Hoffm. c. l. p. 688. aus des Redi Observ. de Viperis angeführet hat. Wie irrig und lächerlich aber derjenigen Vorgeben sey/ welche behaupten wollen/ daß die Vipern sich durch den Mund paaren/ und dardurch empfangen sollen/ ist aus des Wormii Museo p. 263. zuersehen/ allwo gezeiget wird/ daß sie / wie alle andere Thiere sich vermehren/ und sich nur im paaren lecken/ oder gleichsam küssen sollen.

§. III.

Es werden aber die VIPERAE oder Welsche Nattern/ nachdem sie gefangen worden/ entweder lebendig beschrieben und verschickt/ oder so bald getödtet/ auffgetrucknet/ und auf verschiedene Art praeparirt. Jene sollen recht lebhafftig/ fett und dick/ auch frisch gefangen seyn/ und muß man/ so balden sie ankommen/ die Einschläge öffnen/ und die abgestandene oder verstorbene auswerffen/ die andern aber unter Moos in Tonnen schlagen/ und an einen temperirten Ort stellen/ weilen sie weder Frost noch Hitze vertragen können/ allwo sie wol 6. Monat ohne einige Speise lebendig bleiben; doch muß man wol Achtung geben/ daß sie nicht ausbrechen/ und hin und wieder sich verkriechen/ da sie leicht grossen Schaden thun könten/ und wañ man sie heraus langet/ muß man sie nut gelind am Schwantz angreiffen / und nicht hart drucken/ sonsten sie böß werden/ und um sich beissen; weßwegen sie andere mit dem Zänglein fassen/ wie Ponet. in seiner Hist. Gen. des Drogues Part. 2. lib. I. c. 27. p. 61 treulich warnet.

§. IV.

Die auffgedörrete Viperschlangen oder

VIPERAE EXSICCATAE

sind vordiesem/ auch wol heut zu Tag noch an etlichen Orten also praeparirt worden/ daß sie erstlich die lebendige Vipern/ ehe sie ihnen die Köpff und Schwäntze abschneiden/ weidlich peitschen/ damit sie also zum Zorn erreget/ ihren Gifft wegspeyen möchten; und weilen man vermeinet/ daß solcher sich alsdann aus dem gantzen Leib in den Kopff ziehe/ diesen nebenst dem Schwantz hinweg schneiden. Allein wie abgeschmackt und unverständig diese Meinung seye / hat obgemeldter Frantzos Moyses Charas nicht allein in dem schon allegirt. Tr. sondern auch in einem eigenen Frantzös. Buch de Viperis stattlich erwiesen; indem er zeiget/ daß/ weil Helmontius schon vor diesem gelehret/ auch D. Ettmüller in einer eigenen Disputation de Morsu Viperae weitläufftig dociret/ die Viperschlangen/ (welche von grossen Herren ohne Schaden in der Speise genossen werden /) an und vor sich nicht gifftig seyn/ sondern durch den Zorn / wann sie irritiret würden/ dergleichen gifftige Bisse/ wie die gifftig-böse und erzörnte Menschen selbsten/ anbringen und anlegen könten: Und ob zwar der berühmte Italiäner Franciscus Redi in seinen Obs. de Viperis durch gewisse Experimenta behaupten wollen/ daß der Speichel von den Schlangen den Gifft in sich hege/ und wann solcher in die Stiche und Wunden komme / den Menschen tödte/ so hat doch belobter Charas ihn mit andern Observationen widerleget; und weilen also obige Praeparation auf einem falschen Grund beruhet/ so unterlässet jetztgemeldter Apothecker das obige Geiseln gäntzlich/ sondern hauet den Nattern nur den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0557" n="505"/>
      </div>
      <div>
        <head>§. I.</head>
        <p>DIe Natterküchlein oder</p>
        <p> <hi rendition="#k">TROCHISCI DE VIPERIS</hi> </p>
        <p>sind runde/ dünne und sehr leichte Küchlein/ eines Kopffstücks groß/ wie Zwieback       schmeckend/ mit welchen das abgekochte Vipern oder Schlangenfleisch vermischet/ und zu       solchen Küchlein formiret wird; kom&#x0303;en meistens aus Italien über Padoa und Venedig /       nebst einem grossen Testimonio, damit man sich bey Aufflegung des Theriacs darauf verlassen /       und daß sie richtig praeparirt seyen/ beweisen könne/ wie Vielhewr in Beschreibung frembder       Materialien p. 193. redet.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. II.</head>
        <p>Zu diesen Trochiscis nun werden vor andern die Italiänische Vipern oder Welsche Nattern /       welche in hitzigen Orten gefangen werden/ gesuchet/ wiewohln in deren Ermanglung auch unsere       Nattern und Brandschlangen/ so sich umb alte Gebäue/ Weyern/ Seegmühlen und Hecken       auffhalten/ nicht undienlich sind/ wie Marxius in der Material-Kammer/ p. 214. nebst andern       schreibet: Gilt auch nach D. Hoffmanns Sinn in Clav. Schrad. p. 689. gleich viel/ ob es       Männlein oder Weiblein seyen/ welche letztere sonsten von den meisten vor besser gehalten       werden/ ohne Zweiffel deswegen/ weilen sie an dem platten und breiten Kopff/ wie auch den       blitzenden Augen eher vor den andern Schlangen zu erkennen sind/ von welchen die Männlein       wegen ihres kleinen und stracken Kopffs nicht so wol unterschieden werden können/ wie Charas       in seiner Historie der Theriaes-Ingredientien pag 30. muthmasset. Alle aber sind entweder im       Früling oder im Herbst/ und wie es Marxius c. l. deutet/ vor und nach Georgen Tag/ vor der       Sonnen Auffgang zu fangen/ da sie am fettesten sind/ und nach solcher Zeit nichts mehr an       ihnen zu finden ist/ dieweilen sie alles in die Eyerverzehren/ welche sie/ wie andere       Schlangen auch in den Sand scharren/ und von der Sonnen ausbrütenlassen/ es seye dann/ daß       sie solche zuweilen etwas zu lang bey sich behalten/ bis die Jungen in dem Leib schon       ausgehen: dahero die Meynung entstanden/ daß die junge Vipern den Müttern den Leib       durchfressen/ oder daß die Vipern allein ihre Jungen lebendig gehähren sollen/ da doch       solches zuweilen auch an den andern Schlangen geschiehet/ wie Frid. Hoffm. c. l. p. 688. aus       des Redi Observ. de Viperis angeführet hat. Wie irrig und lächerlich aber derjenigen Vorgeben       sey/ welche behaupten wollen/ daß die Vipern sich durch den Mund paaren/ und dardurch       empfangen sollen/ ist aus des Wormii Museo p. 263. zuersehen/ allwo gezeiget wird/ daß sie /       wie alle andere Thiere sich vermehren/ und sich nur im paaren lecken/ oder gleichsam küssen       sollen.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. III.</head>
        <p>Es werden aber die VIPERAE oder Welsche Nattern/ nachdem sie gefangen worden/ entweder       lebendig beschrieben und verschickt/ oder so bald getödtet/ auffgetrucknet/ und auf       verschiedene Art praeparirt. Jene sollen recht lebhafftig/ fett und dick/ auch frisch       gefangen seyn/ und muß man/ so balden sie ankommen/ die Einschläge öffnen/ und die       abgestandene oder verstorbene auswerffen/ die andern aber unter Moos in Tonnen schlagen/ und       an einen temperirten Ort stellen/ weilen sie weder Frost noch Hitze vertragen können/ allwo       sie wol 6. Monat ohne einige Speise lebendig bleiben; doch muß man wol Achtung geben/ daß sie       nicht ausbrechen/ und hin und wieder sich verkriechen/ da sie leicht grossen Schaden thun       könten/ und wan&#x0303; man sie heraus langet/ muß man sie nut gelind am Schwantz angreiffen      / und nicht hart drucken/ sonsten sie böß werden/ und um sich beissen; weßwegen sie andere       mit dem Zänglein fassen/ wie Ponet. in seiner Hist. Gen. des Drogues Part. 2. lib. I. c. 27.       p. 61 treulich warnet.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. IV.</head>
        <p>Die auffgedörrete Viperschlangen oder</p>
        <p> <hi rendition="#k">VIPERAE EXSICCATAE</hi> </p>
        <p>sind vordiesem/ auch wol heut zu Tag noch an etlichen Orten also praeparirt worden/ daß sie       erstlich die lebendige Vipern/ ehe sie ihnen die Köpff und Schwäntze abschneiden/ weidlich       peitschen/ damit sie also zum Zorn erreget/ ihren Gifft wegspeyen möchten; und weilen man       vermeinet/ daß solcher sich alsdann aus dem gantzen Leib in den Kopff ziehe/ diesen nebenst       dem Schwantz hinweg schneiden. Allein wie abgeschmackt und unverständig diese Meinung seye /       hat obgemeldter Frantzos Moyses Charas nicht allein in dem schon allegirt. Tr. sondern auch in       einem eigenen Frantzös. Buch de Viperis stattlich erwiesen; indem er zeiget/ daß/ weil       Helmontius schon vor diesem gelehret/ auch D. Ettmüller in einer eigenen Disputation de Morsu       Viperae weitläufftig dociret/ die Viperschlangen/ (welche von grossen Herren ohne Schaden in       der Speise genossen werden /) an und vor sich nicht gifftig seyn/ sondern durch den Zorn /       wann sie irritiret würden/ dergleichen gifftige Bisse/ wie die gifftig-böse und erzörnte       Menschen selbsten/ anbringen und anlegen könten: Und ob zwar der berühmte Italiäner Franciscus       Redi in seinen Obs. de Viperis durch gewisse Experimenta behaupten wollen/ daß der Speichel       von den Schlangen den Gifft in sich hege/ und wann solcher in die Stiche und Wunden komme /       den Menschen tödte/ so hat doch belobter Charas ihn mit andern Observationen widerleget; und       weilen also obige Praeparation auf einem falschen Grund beruhet/ so unterlässet jetztgemeldter       Apothecker das obige Geiseln gäntzlich/ sondern hauet den Nattern nur den
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[505/0557] §. I. DIe Natterküchlein oder TROCHISCI DE VIPERIS sind runde/ dünne und sehr leichte Küchlein/ eines Kopffstücks groß/ wie Zwieback schmeckend/ mit welchen das abgekochte Vipern oder Schlangenfleisch vermischet/ und zu solchen Küchlein formiret wird; kom̃en meistens aus Italien über Padoa und Venedig / nebst einem grossen Testimonio, damit man sich bey Aufflegung des Theriacs darauf verlassen / und daß sie richtig praeparirt seyen/ beweisen könne/ wie Vielhewr in Beschreibung frembder Materialien p. 193. redet. §. II. Zu diesen Trochiscis nun werden vor andern die Italiänische Vipern oder Welsche Nattern / welche in hitzigen Orten gefangen werden/ gesuchet/ wiewohln in deren Ermanglung auch unsere Nattern und Brandschlangen/ so sich umb alte Gebäue/ Weyern/ Seegmühlen und Hecken auffhalten/ nicht undienlich sind/ wie Marxius in der Material-Kammer/ p. 214. nebst andern schreibet: Gilt auch nach D. Hoffmanns Sinn in Clav. Schrad. p. 689. gleich viel/ ob es Männlein oder Weiblein seyen/ welche letztere sonsten von den meisten vor besser gehalten werden/ ohne Zweiffel deswegen/ weilen sie an dem platten und breiten Kopff/ wie auch den blitzenden Augen eher vor den andern Schlangen zu erkennen sind/ von welchen die Männlein wegen ihres kleinen und stracken Kopffs nicht so wol unterschieden werden können/ wie Charas in seiner Historie der Theriaes-Ingredientien pag 30. muthmasset. Alle aber sind entweder im Früling oder im Herbst/ und wie es Marxius c. l. deutet/ vor und nach Georgen Tag/ vor der Sonnen Auffgang zu fangen/ da sie am fettesten sind/ und nach solcher Zeit nichts mehr an ihnen zu finden ist/ dieweilen sie alles in die Eyerverzehren/ welche sie/ wie andere Schlangen auch in den Sand scharren/ und von der Sonnen ausbrütenlassen/ es seye dann/ daß sie solche zuweilen etwas zu lang bey sich behalten/ bis die Jungen in dem Leib schon ausgehen: dahero die Meynung entstanden/ daß die junge Vipern den Müttern den Leib durchfressen/ oder daß die Vipern allein ihre Jungen lebendig gehähren sollen/ da doch solches zuweilen auch an den andern Schlangen geschiehet/ wie Frid. Hoffm. c. l. p. 688. aus des Redi Observ. de Viperis angeführet hat. Wie irrig und lächerlich aber derjenigen Vorgeben sey/ welche behaupten wollen/ daß die Vipern sich durch den Mund paaren/ und dardurch empfangen sollen/ ist aus des Wormii Museo p. 263. zuersehen/ allwo gezeiget wird/ daß sie / wie alle andere Thiere sich vermehren/ und sich nur im paaren lecken/ oder gleichsam küssen sollen. §. III. Es werden aber die VIPERAE oder Welsche Nattern/ nachdem sie gefangen worden/ entweder lebendig beschrieben und verschickt/ oder so bald getödtet/ auffgetrucknet/ und auf verschiedene Art praeparirt. Jene sollen recht lebhafftig/ fett und dick/ auch frisch gefangen seyn/ und muß man/ so balden sie ankommen/ die Einschläge öffnen/ und die abgestandene oder verstorbene auswerffen/ die andern aber unter Moos in Tonnen schlagen/ und an einen temperirten Ort stellen/ weilen sie weder Frost noch Hitze vertragen können/ allwo sie wol 6. Monat ohne einige Speise lebendig bleiben; doch muß man wol Achtung geben/ daß sie nicht ausbrechen/ und hin und wieder sich verkriechen/ da sie leicht grossen Schaden thun könten/ und wañ man sie heraus langet/ muß man sie nut gelind am Schwantz angreiffen / und nicht hart drucken/ sonsten sie böß werden/ und um sich beissen; weßwegen sie andere mit dem Zänglein fassen/ wie Ponet. in seiner Hist. Gen. des Drogues Part. 2. lib. I. c. 27. p. 61 treulich warnet. §. IV. Die auffgedörrete Viperschlangen oder VIPERAE EXSICCATAE sind vordiesem/ auch wol heut zu Tag noch an etlichen Orten also praeparirt worden/ daß sie erstlich die lebendige Vipern/ ehe sie ihnen die Köpff und Schwäntze abschneiden/ weidlich peitschen/ damit sie also zum Zorn erreget/ ihren Gifft wegspeyen möchten; und weilen man vermeinet/ daß solcher sich alsdann aus dem gantzen Leib in den Kopff ziehe/ diesen nebenst dem Schwantz hinweg schneiden. Allein wie abgeschmackt und unverständig diese Meinung seye / hat obgemeldter Frantzos Moyses Charas nicht allein in dem schon allegirt. Tr. sondern auch in einem eigenen Frantzös. Buch de Viperis stattlich erwiesen; indem er zeiget/ daß/ weil Helmontius schon vor diesem gelehret/ auch D. Ettmüller in einer eigenen Disputation de Morsu Viperae weitläufftig dociret/ die Viperschlangen/ (welche von grossen Herren ohne Schaden in der Speise genossen werden /) an und vor sich nicht gifftig seyn/ sondern durch den Zorn / wann sie irritiret würden/ dergleichen gifftige Bisse/ wie die gifftig-böse und erzörnte Menschen selbsten/ anbringen und anlegen könten: Und ob zwar der berühmte Italiäner Franciscus Redi in seinen Obs. de Viperis durch gewisse Experimenta behaupten wollen/ daß der Speichel von den Schlangen den Gifft in sich hege/ und wann solcher in die Stiche und Wunden komme / den Menschen tödte/ so hat doch belobter Charas ihn mit andern Observationen widerleget; und weilen also obige Praeparation auf einem falschen Grund beruhet/ so unterlässet jetztgemeldter Apothecker das obige Geiseln gäntzlich/ sondern hauet den Nattern nur den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704/557
Zitationshilfe: Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704/557>, abgerufen am 30.12.2024.