Art stünde es noch dahin, ob wir einen Körper hätten, oder ob es nicht etwan nur unsrer Sele beliebte sich dieses vorzustellen. Dieses ist noch nicht alles. Jch würde ietzo die Feder führen, und die Worte nach der Reihe hinsetzen, wie sie hier folgen. Jch würde mit einem andern vernünftig reden, und seine Fragen beantwor- ten, ich würde um Tischzeit mich zu Tische se- tzen, und eine Malzeit thun, ich würde zu ge- höriger Zeit einschlafen, und wieder erwachen, ich würde des Tages über meine Geschäfte treiben, und alles thun können, wie ich es ietzo zu thun pflege, und dieses alles, wenn ich auch keine Sele hätte. Ein Körper der mich von aussen berühret, ist nach dieser Meinung, an denen Vorstellungen, welche sich die Sele da- von macht, höchst unschuldig. Diese würde ebenfals zu der Zeit Schmertzen empfunden häben, da man den Körper mit Stockschlägen tractiret, wenn er auch an dieser Ceremonie gar nicht Theil nähme. Hingegen würde der Körper zu eben der Zeit, wenn es würcklich geschähe, alle die wunderlichen Gebehrden ge- macht haben, welche denen eigen sind, die ge- prügelt werden, er würde braun und blau davon werden, und ein erbärmlich Geschrey führen, ohnerachtet seine Sele zu der Zeit die Vorstel- lung haben könte, als wenn ihr Körper Zu- ckerbrod ässe.
§. 8.
Vermuthlich werden meine Leser bey vor-
herge-
Art ſtuͤnde es noch dahin, ob wir einen Koͤrper haͤtten, oder ob es nicht etwan nur unſrer Sele beliebte ſich dieſes vorzuſtellen. Dieſes iſt noch nicht alles. Jch wuͤrde ietzo die Feder fuͤhren, und die Worte nach der Reihe hinſetzen, wie ſie hier folgen. Jch wuͤrde mit einem andern vernuͤnftig reden, und ſeine Fragen beantwor- ten, ich wuͤrde um Tiſchzeit mich zu Tiſche ſe- tzen, und eine Malzeit thun, ich wuͤrde zu ge- hoͤriger Zeit einſchlafen, und wieder erwachen, ich wuͤrde des Tages uͤber meine Geſchaͤfte treiben, und alles thun koͤnnen, wie ich es ietzo zu thun pflege, und dieſes alles, wenn ich auch keine Sele haͤtte. Ein Koͤrper der mich von auſſen beruͤhret, iſt nach dieſer Meinung, an denen Vorſtellungen, welche ſich die Sele da- von macht, hoͤchſt unſchuldig. Dieſe wuͤrde ebenfals zu der Zeit Schmertzen empfunden haͤben, da man den Koͤrper mit Stockſchlaͤgen tractiret, wenn er auch an dieſer Ceremonie gar nicht Theil naͤhme. Hingegen wuͤrde der Koͤrper zu eben der Zeit, wenn es wuͤrcklich geſchaͤhe, alle die wunderlichen Gebehrden ge- macht haben, welche denen eigen ſind, die ge- pruͤgelt werden, er wuͤrde braun und blau davon werden, und ein erbaͤrmlich Geſchrey fuͤhren, ohnerachtet ſeine Sele zu der Zeit die Vorſtel- lung haben koͤnte, als wenn ihr Koͤrper Zu- ckerbrod aͤſſe.
§. 8.
Vermuthlich werden meine Leſer bey vor-
herge-
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Art ſtuͤnde es noch dahin, ob wir einen Koͤrper
haͤtten, oder ob es nicht etwan nur unſrer Sele
beliebte ſich dieſes vorzuſtellen. Dieſes iſt noch
nicht alles. Jch wuͤrde ietzo die Feder fuͤhren,
und die Worte nach der Reihe hinſetzen, wie
ſie hier folgen. Jch wuͤrde mit einem andern
vernuͤnftig reden, und ſeine Fragen beantwor-
ten, ich wuͤrde um Tiſchzeit mich zu Tiſche ſe-
tzen, und eine Malzeit thun, ich wuͤrde zu ge-
hoͤriger Zeit einſchlafen, und wieder erwachen,
ich wuͤrde des Tages uͤber meine Geſchaͤfte
treiben, und alles thun koͤnnen, wie ich es ietzo
zu thun pflege, und dieſes alles, wenn ich auch
keine Sele haͤtte. Ein Koͤrper der mich von
auſſen beruͤhret, iſt nach dieſer Meinung, an
denen Vorſtellungen, welche ſich die Sele da-
von macht, hoͤchſt unſchuldig. Dieſe wuͤrde
ebenfals zu der Zeit Schmertzen empfunden
haͤben, da man den Koͤrper mit Stockſchlaͤgen
tractiret, wenn er auch an dieſer Ceremonie
gar nicht Theil naͤhme. Hingegen wuͤrde der
Koͤrper zu eben der Zeit, wenn es wuͤrcklich
geſchaͤhe, alle die wunderlichen Gebehrden ge-
macht haben, welche denen eigen ſind, die ge-
pruͤgelt werden, er wuͤrde braun und blau davon
werden, und ein erbaͤrmlich Geſchrey fuͤhren,
ohnerachtet ſeine Sele zu der Zeit die Vorſtel-
lung haben koͤnte, als wenn ihr Koͤrper Zu-
ckerbrod aͤſſe.
§. 8.
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/52>, abgerufen am 03.03.2025.
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