von ist, weil die Nervenspitze, die den äußerlichen sinnli- chen Eindruck empfangen, einen besondern Faden zum Ur- sprunge hat, der bey allen seinen Vereinigungen mit andern, die einen ganzen Nerven formiren, und dessen mit andern Nerven, die Nervenstämme bilden, und deren mit andern, die größere Stämme, z. E. das Rückenmark geben, im- mer für sich abgesondert bleibt, auch in dem Orte des Ur- sprungs des Nerven im Gehirne selbst noch seinen besondern Punkt hat, worinn sich die materielle Jdee vom äußern sinnlichen Eindrucke, den er zum Gehirne bringt, entwi- ckeln muß. §. 13.
§. 40.
Es ist vergeblich, die verschiedenen Arten der äußern sinnlichen Eindrücke nach der Verschiedenheit der äußern Empfindungen bestimmen zu wollen. Es ist hier alles nach unbekannten Gesetzen geordnet, die wir wohl nie ergründen werden. Der Schmerz ist z. E. eine Empfindung, wel- che von sehr heftigen äußern sinnlichen Eindrücken in die Nerven mehrentheils herrühret. Gleichwohl sind die hef- tigsten Rührungen eines Nerven nicht immer die schmerz- haftesten. Ein nagender Saft kann an einem Nerven weit unerträglichere Schmerzen erregen, als ein Schlag, der die Knochen seines Gliedes zerschmettert. Es ist auch nicht die Trennung der Theile des Nerven durch das Zer- nagen, die diesen Schmerz so heftig machet: denn ein Scheermesser zerschneidet ihn ohne sonderlichen Schmerz. Eben so ist es mit dem Kitzel, den eine kleine Feder, ein Stäubgen erregen kann, da er doch ein an den Schmerz angrenzender Zustand des Nerven ist, und viele weit ge- lindere Empfindungen viel stärkere äußere sinnliche Eindrü- cke erfodern. Selbst die gleichgültigern äußern Empfin- dungen vom Kalten und Warmen, Hartem und Weichem, Trocknem und Nassem, vom Lichte, von den aufgelöseten Salzen, vom Schalle, u. s. f. sind in der Seele so höchst verschieden, daß es gewiß auch die äußern sinnlichen Ein-
drücke
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3 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empſindungen.
von iſt, weil die Nervenſpitze, die den aͤußerlichen ſinnli- chen Eindruck empfangen, einen beſondern Faden zum Ur- ſprunge hat, der bey allen ſeinen Vereinigungen mit andern, die einen ganzen Nerven formiren, und deſſen mit andern Nerven, die Nervenſtaͤmme bilden, und deren mit andern, die groͤßere Staͤmme, z. E. das Ruͤckenmark geben, im- mer fuͤr ſich abgeſondert bleibt, auch in dem Orte des Ur- ſprungs des Nerven im Gehirne ſelbſt noch ſeinen beſondern Punkt hat, worinn ſich die materielle Jdee vom aͤußern ſinnlichen Eindrucke, den er zum Gehirne bringt, entwi- ckeln muß. §. 13.
§. 40.
Es iſt vergeblich, die verſchiedenen Arten der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke nach der Verſchiedenheit der aͤußern Empfindungen beſtimmen zu wollen. Es iſt hier alles nach unbekannten Geſetzen geordnet, die wir wohl nie ergruͤnden werden. Der Schmerz iſt z. E. eine Empfindung, wel- che von ſehr heftigen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven mehrentheils herruͤhret. Gleichwohl ſind die hef- tigſten Ruͤhrungen eines Nerven nicht immer die ſchmerz- hafteſten. Ein nagender Saft kann an einem Nerven weit unertraͤglichere Schmerzen erregen, als ein Schlag, der die Knochen ſeines Gliedes zerſchmettert. Es iſt auch nicht die Trennung der Theile des Nerven durch das Zer- nagen, die dieſen Schmerz ſo heftig machet: denn ein Scheermeſſer zerſchneidet ihn ohne ſonderlichen Schmerz. Eben ſo iſt es mit dem Kitzel, den eine kleine Feder, ein Staͤubgen erregen kann, da er doch ein an den Schmerz angrenzender Zuſtand des Nerven iſt, und viele weit ge- lindere Empfindungen viel ſtaͤrkere aͤußere ſinnliche Eindruͤ- cke erfodern. Selbſt die gleichguͤltigern aͤußern Empfin- dungen vom Kalten und Warmen, Hartem und Weichem, Trocknem und Naſſem, vom Lichte, von den aufgeloͤſeten Salzen, vom Schalle, u. ſ. f. ſind in der Seele ſo hoͤchſt verſchieden, daß es gewiß auch die aͤußern ſinnlichen Ein-
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3 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empſindungen.
von iſt, weil die Nervenſpitze, die den aͤußerlichen ſinnli-
chen Eindruck empfangen, einen beſondern Faden zum Ur-
ſprunge hat, der bey allen ſeinen Vereinigungen mit andern,
die einen ganzen Nerven formiren, und deſſen mit andern
Nerven, die Nervenſtaͤmme bilden, und deren mit andern,
die groͤßere Staͤmme, z. E. das Ruͤckenmark geben, im-
mer fuͤr ſich abgeſondert bleibt, auch in dem Orte des Ur-
ſprungs des Nerven im Gehirne ſelbſt noch ſeinen beſondern
Punkt hat, worinn ſich die materielle Jdee vom aͤußern
ſinnlichen Eindrucke, den er zum Gehirne bringt, entwi-
ckeln muß. §. 13.
§. 40.
Es iſt vergeblich, die verſchiedenen Arten der aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke nach der Verſchiedenheit der aͤußern
Empfindungen beſtimmen zu wollen. Es iſt hier alles nach
unbekannten Geſetzen geordnet, die wir wohl nie ergruͤnden
werden. Der Schmerz iſt z. E. eine Empfindung, wel-
che von ſehr heftigen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die
Nerven mehrentheils herruͤhret. Gleichwohl ſind die hef-
tigſten Ruͤhrungen eines Nerven nicht immer die ſchmerz-
hafteſten. Ein nagender Saft kann an einem Nerven
weit unertraͤglichere Schmerzen erregen, als ein Schlag,
der die Knochen ſeines Gliedes zerſchmettert. Es iſt auch
nicht die Trennung der Theile des Nerven durch das Zer-
nagen, die dieſen Schmerz ſo heftig machet: denn ein
Scheermeſſer zerſchneidet ihn ohne ſonderlichen Schmerz.
Eben ſo iſt es mit dem Kitzel, den eine kleine Feder, ein
Staͤubgen erregen kann, da er doch ein an den Schmerz
angrenzender Zuſtand des Nerven iſt, und viele weit ge-
lindere Empfindungen viel ſtaͤrkere aͤußere ſinnliche Eindruͤ-
cke erfodern. Selbſt die gleichguͤltigern aͤußern Empfin-
dungen vom Kalten und Warmen, Hartem und Weichem,
Trocknem und Naſſem, vom Lichte, von den aufgeloͤſeten
Salzen, vom Schalle, u. ſ. f. ſind in der Seele ſo hoͤchſt
verſchieden, daß es gewiß auch die aͤußern ſinnlichen Ein-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/81>, abgerufen am 21.11.2024.
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