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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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4 Kap. Das thierische Leben.
der Zweck der Natur bey der Hervorbringung eines jeden
einzelnen Thieres dieser Art sind. Denn die Bildung,
welche den Thieren bis zu ihrer Geburt, oder bis zu ihrer
Selbstständigkeit, durch den Einfluß der ältern, von de-
nen sie herstammen, z. E. durch die Ernährung im Mut-
terleibe, durch die Bebrütung, etc. oder durch andre vor-
herbestimmte Beyhülfe der Natur, z. E. durch die Son-
nenwärme, oder die blos organische vegetativische Kraft,
wie bey den abgeschnittenen Gliedern der Polypen, gegeben
wird, machet sie zwar geschickt, nach ihrer Art für sich zu
bestehen, z. E. ihre Nahrung auf ihre eigne Art zu suchen,
durch einige sinnliche Eindrücke sich regieren zu lassen, oder
durch Empfindung derselben und andre Vorstellungen sich
entweder zugleich mit, oder ganz selbstthätig zu regieren; etc.
aber es bleiben bey jedem anfänglich noch viele Verrichtun-
gen übrig, wozu es in seiner Art von der Natur bestimmet
ist, und die es doch eine Zeitlang noch nicht leisten kann,
weil dazu seine Ausbildung noch nicht die gehörige Voll-
kommenheit erlanget hat. Diese letzte Vollkommenheit der
Ausbildung erhält das Thier erst in der Periode des Wachs-
thums, welche sich alsdann beschließt, wenn es dieselbe
völlig erreichet hat, und alles verrichten kann, was ein
Thier seiner Art in seinem vollkommensten Zustande, der
Bestimmung der Natur gemäß, zu verrichten vermögend
seyn muß.

§. 646.

Das Wachsthum eines Thieres nach seiner ersten Bil-
dung geschieht, wie das in der Periode der Bildung, §. 632.
durch die Ernährung, welche sich das Thier nun selbst
suchet, nachdem sie ihm in der ersten Periode fast so wie
den Pflanzen, dergestalt beygebracht worden, daß sie selbst
sich dabey nur ganz leidentlich zu verhalten scheinen. We-
der die Ernährung, noch das Wachsthum sind blos thieri-
sche Verrichtungen, noch erstrecken sie sich blos auf die thie-
rischen Maschinen, sondern sie werden durch die gemein-

schaft-
T t 3

4 Kap. Das thieriſche Leben.
der Zweck der Natur bey der Hervorbringung eines jeden
einzelnen Thieres dieſer Art ſind. Denn die Bildung,
welche den Thieren bis zu ihrer Geburt, oder bis zu ihrer
Selbſtſtaͤndigkeit, durch den Einfluß der aͤltern, von de-
nen ſie herſtammen, z. E. durch die Ernaͤhrung im Mut-
terleibe, durch die Bebruͤtung, ꝛc. oder durch andre vor-
herbeſtimmte Beyhuͤlfe der Natur, z. E. durch die Son-
nenwaͤrme, oder die blos organiſche vegetativiſche Kraft,
wie bey den abgeſchnittenen Gliedern der Polypen, gegeben
wird, machet ſie zwar geſchickt, nach ihrer Art fuͤr ſich zu
beſtehen, z. E. ihre Nahrung auf ihre eigne Art zu ſuchen,
durch einige ſinnliche Eindruͤcke ſich regieren zu laſſen, oder
durch Empfindung derſelben und andre Vorſtellungen ſich
entweder zugleich mit, oder ganz ſelbſtthaͤtig zu regieren; ꝛc.
aber es bleiben bey jedem anfaͤnglich noch viele Verrichtun-
gen uͤbrig, wozu es in ſeiner Art von der Natur beſtimmet
iſt, und die es doch eine Zeitlang noch nicht leiſten kann,
weil dazu ſeine Ausbildung noch nicht die gehoͤrige Voll-
kommenheit erlanget hat. Dieſe letzte Vollkommenheit der
Ausbildung erhaͤlt das Thier erſt in der Periode des Wachs-
thums, welche ſich alsdann beſchließt, wenn es dieſelbe
voͤllig erreichet hat, und alles verrichten kann, was ein
Thier ſeiner Art in ſeinem vollkommenſten Zuſtande, der
Beſtimmung der Natur gemaͤß, zu verrichten vermoͤgend
ſeyn muß.

§. 646.

Das Wachsthum eines Thieres nach ſeiner erſten Bil-
dung geſchieht, wie das in der Periode der Bildung, §. 632.
durch die Ernaͤhrung, welche ſich das Thier nun ſelbſt
ſuchet, nachdem ſie ihm in der erſten Periode faſt ſo wie
den Pflanzen, dergeſtalt beygebracht worden, daß ſie ſelbſt
ſich dabey nur ganz leidentlich zu verhalten ſcheinen. We-
der die Ernaͤhrung, noch das Wachsthum ſind blos thieri-
ſche Verrichtungen, noch erſtrecken ſie ſich blos auf die thie-
riſchen Maſchinen, ſondern ſie werden durch die gemein-

ſchaft-
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[661/0685] 4 Kap. Das thieriſche Leben. der Zweck der Natur bey der Hervorbringung eines jeden einzelnen Thieres dieſer Art ſind. Denn die Bildung, welche den Thieren bis zu ihrer Geburt, oder bis zu ihrer Selbſtſtaͤndigkeit, durch den Einfluß der aͤltern, von de- nen ſie herſtammen, z. E. durch die Ernaͤhrung im Mut- terleibe, durch die Bebruͤtung, ꝛc. oder durch andre vor- herbeſtimmte Beyhuͤlfe der Natur, z. E. durch die Son- nenwaͤrme, oder die blos organiſche vegetativiſche Kraft, wie bey den abgeſchnittenen Gliedern der Polypen, gegeben wird, machet ſie zwar geſchickt, nach ihrer Art fuͤr ſich zu beſtehen, z. E. ihre Nahrung auf ihre eigne Art zu ſuchen, durch einige ſinnliche Eindruͤcke ſich regieren zu laſſen, oder durch Empfindung derſelben und andre Vorſtellungen ſich entweder zugleich mit, oder ganz ſelbſtthaͤtig zu regieren; ꝛc. aber es bleiben bey jedem anfaͤnglich noch viele Verrichtun- gen uͤbrig, wozu es in ſeiner Art von der Natur beſtimmet iſt, und die es doch eine Zeitlang noch nicht leiſten kann, weil dazu ſeine Ausbildung noch nicht die gehoͤrige Voll- kommenheit erlanget hat. Dieſe letzte Vollkommenheit der Ausbildung erhaͤlt das Thier erſt in der Periode des Wachs- thums, welche ſich alsdann beſchließt, wenn es dieſelbe voͤllig erreichet hat, und alles verrichten kann, was ein Thier ſeiner Art in ſeinem vollkommenſten Zuſtande, der Beſtimmung der Natur gemaͤß, zu verrichten vermoͤgend ſeyn muß. §. 646. Das Wachsthum eines Thieres nach ſeiner erſten Bil- dung geſchieht, wie das in der Periode der Bildung, §. 632. durch die Ernaͤhrung, welche ſich das Thier nun ſelbſt ſuchet, nachdem ſie ihm in der erſten Periode faſt ſo wie den Pflanzen, dergeſtalt beygebracht worden, daß ſie ſelbſt ſich dabey nur ganz leidentlich zu verhalten ſcheinen. We- der die Ernaͤhrung, noch das Wachsthum ſind blos thieri- ſche Verrichtungen, noch erſtrecken ſie ſich blos auf die thie- riſchen Maſchinen, ſondern ſie werden durch die gemein- ſchaft- T t 3

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/685>, abgerufen am 21.11.2024.