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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
der ersten Empfindung übrig, das zu dieser Leidenschaft we-
sentlich mitwirket? Man kann sie gewiß für eben so weit
von ihr entfernet halten, als manche durch Empfindungen
veranlaßte abstrakte Vorstellung, ob sie gleich durch und
durch ganz sinnlich ist. Von allen diesen Vorstellungen
nun sind die materiellen Jdeen im Gehirne von der ersten
Empfindung an, die nach den Gesetzen der Nervenkräfte
in die Seele gebracht worden, insgesammt nach den psy-
chologischen Gesetzen der Vorstellungskraft auf einander ge-
folget, §. 108. und blos zufälliger Weise durch die erste
materielle Empfindung veranlasset. §. 98. N. 3. Mithin
kann auch die erste materielle Empfindung zu den Seelen-
wirkungen der Traurigkeit nichts wesentlich beygetragen
haben. Die Nervenkraft des äußern sinnlichen Eindrucks
dieser Empfindung kann aber nur diejenigen thierischen Be-
wegungen als Nervenwirkungen hervorbringen, welche die
äußere Empfindung desselben als ihre Seelenwirkungen her-
vorgebracht haben würde, oder hervorgebracht hat. §. 542.
543. Folglich kann auch die Nervenkraft des äußern
sinnlichen Eindrucks, der diese Traurigkeit veranlasset hat,
die Seelenwirkungen derselben im Körper nicht durch Ner-
venwirkungen ersetzen. So ist es nun auch bey vielen an-
dern Leidenschaften, die durch zu viel fremde, zufällig und
nach psychologischen Gesetzen mit der sie veranlassenden äu-
ßern Empfindung verknüpfte sinnliche Zwischenvorstellun-
gen, zu weit von dieser letztern entfernet werden.

§. 566.

Jnzwischen werden nicht alle Leidenschaften auf eine so
entfernte Weise und durch die Zwischenkunft so vieler blos
psychologisch verknüpfter sinnlicher Vorstellungen gewirket,
sondern es giebt deren auch, die auf eine viel nähere Weise
von äußern Empfindungen abhängen und in der Art ihrer
Entstehung und Entwickelung den Trieben ähnlicher sind.
Von einigen solchen muß man sogar oft zweifelhaft bleiben,
ob sie nicht vielmehr zu wahren Trieben und Affektentrie-

ben,

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
der erſten Empfindung uͤbrig, das zu dieſer Leidenſchaft we-
ſentlich mitwirket? Man kann ſie gewiß fuͤr eben ſo weit
von ihr entfernet halten, als manche durch Empfindungen
veranlaßte abſtrakte Vorſtellung, ob ſie gleich durch und
durch ganz ſinnlich iſt. Von allen dieſen Vorſtellungen
nun ſind die materiellen Jdeen im Gehirne von der erſten
Empfindung an, die nach den Geſetzen der Nervenkraͤfte
in die Seele gebracht worden, insgeſammt nach den pſy-
chologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft auf einander ge-
folget, §. 108. und blos zufaͤlliger Weiſe durch die erſte
materielle Empfindung veranlaſſet. §. 98. N. 3. Mithin
kann auch die erſte materielle Empfindung zu den Seelen-
wirkungen der Traurigkeit nichts weſentlich beygetragen
haben. Die Nervenkraft des aͤußern ſinnlichen Eindrucks
dieſer Empfindung kann aber nur diejenigen thieriſchen Be-
wegungen als Nervenwirkungen hervorbringen, welche die
aͤußere Empfindung deſſelben als ihre Seelenwirkungen her-
vorgebracht haben wuͤrde, oder hervorgebracht hat. §. 542.
543. Folglich kann auch die Nervenkraft des aͤußern
ſinnlichen Eindrucks, der dieſe Traurigkeit veranlaſſet hat,
die Seelenwirkungen derſelben im Koͤrper nicht durch Ner-
venwirkungen erſetzen. So iſt es nun auch bey vielen an-
dern Leidenſchaften, die durch zu viel fremde, zufaͤllig und
nach pſychologiſchen Geſetzen mit der ſie veranlaſſenden aͤu-
ßern Empfindung verknuͤpfte ſinnliche Zwiſchenvorſtellun-
gen, zu weit von dieſer letztern entfernet werden.

§. 566.

Jnzwiſchen werden nicht alle Leidenſchaften auf eine ſo
entfernte Weiſe und durch die Zwiſchenkunft ſo vieler blos
pſychologiſch verknuͤpfter ſinnlicher Vorſtellungen gewirket,
ſondern es giebt deren auch, die auf eine viel naͤhere Weiſe
von aͤußern Empfindungen abhaͤngen und in der Art ihrer
Entſtehung und Entwickelung den Trieben aͤhnlicher ſind.
Von einigen ſolchen muß man ſogar oft zweifelhaft bleiben,
ob ſie nicht vielmehr zu wahren Trieben und Affektentrie-

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[568/0592] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. der erſten Empfindung uͤbrig, das zu dieſer Leidenſchaft we- ſentlich mitwirket? Man kann ſie gewiß fuͤr eben ſo weit von ihr entfernet halten, als manche durch Empfindungen veranlaßte abſtrakte Vorſtellung, ob ſie gleich durch und durch ganz ſinnlich iſt. Von allen dieſen Vorſtellungen nun ſind die materiellen Jdeen im Gehirne von der erſten Empfindung an, die nach den Geſetzen der Nervenkraͤfte in die Seele gebracht worden, insgeſammt nach den pſy- chologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft auf einander ge- folget, §. 108. und blos zufaͤlliger Weiſe durch die erſte materielle Empfindung veranlaſſet. §. 98. N. 3. Mithin kann auch die erſte materielle Empfindung zu den Seelen- wirkungen der Traurigkeit nichts weſentlich beygetragen haben. Die Nervenkraft des aͤußern ſinnlichen Eindrucks dieſer Empfindung kann aber nur diejenigen thieriſchen Be- wegungen als Nervenwirkungen hervorbringen, welche die aͤußere Empfindung deſſelben als ihre Seelenwirkungen her- vorgebracht haben wuͤrde, oder hervorgebracht hat. §. 542. 543. Folglich kann auch die Nervenkraft des aͤußern ſinnlichen Eindrucks, der dieſe Traurigkeit veranlaſſet hat, die Seelenwirkungen derſelben im Koͤrper nicht durch Ner- venwirkungen erſetzen. So iſt es nun auch bey vielen an- dern Leidenſchaften, die durch zu viel fremde, zufaͤllig und nach pſychologiſchen Geſetzen mit der ſie veranlaſſenden aͤu- ßern Empfindung verknuͤpfte ſinnliche Zwiſchenvorſtellun- gen, zu weit von dieſer letztern entfernet werden. §. 566. Jnzwiſchen werden nicht alle Leidenſchaften auf eine ſo entfernte Weiſe und durch die Zwiſchenkunft ſo vieler blos pſychologiſch verknuͤpfter ſinnlicher Vorſtellungen gewirket, ſondern es giebt deren auch, die auf eine viel naͤhere Weiſe von aͤußern Empfindungen abhaͤngen und in der Art ihrer Entſtehung und Entwickelung den Trieben aͤhnlicher ſind. Von einigen ſolchen muß man ſogar oft zweifelhaft bleiben, ob ſie nicht vielmehr zu wahren Trieben und Affektentrie- ben,

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/592>, abgerufen am 21.11.2024.