5. Wenn ein Nerve zwar einen äußern sinnlichen Ein- druck, aber zu schwach empfängt, als daß er sich in ihm entweder überhaupt, oder doch bis zu einem solchem Punk- te, wo er gewendet und in einen innern ohne Vorstellun- gen verwandelt werden kann, fortpflanzen könnte; so kann er, obgleich im natürlichen Zustande, zwar eine unmittel- bare, §. 418. aber keine mittelbare Nervenwirkung von ihm hervorbringen. §. 425. N. 1. So machet in einem enthaupteten Thiere eine schwache Berührung eines Mus- kels zwar ein gelindes Zucken der berührten Fäserchen, er- reget aber in andern Theilen die Convulsionen nicht, wel- che ein stärkerer äußerer sinnlicher Eindruck, in diesem so- wohl wie im natürlichen Zustande des Thieres zu erregen pfleget.
6. Es muß unstreitig im natürlichen Zustande der Thiere Fälle geben, wo ein gewisser äußerer sinnlicher Ein- druck in einen Nerven, auf seinem Fortgange nach dem Gehirne hin in gewissen Punkten des Nerven, wo er ge- wendet werden könnte, z. E. in den Scheidepunkten der Zweige, oder in den Knoten, nicht sinnlich angenommen, nicht umgewendet, noch in einen innern ohne Vorstellun- gen verwandelt wird, und in solchen Fällen kann der äu- ßere sinnliche Eindruck zwar unmittelbar, §. 418. aber nicht diejenigen mittelbaren Nervenwirkungen erregen, die er ohne diese Hinderniß verursachen würde. §. 425. N. 2. Da es im natürlichen Zustande Fälle genug giebt, wo der äußere sinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn fortgeht, noch empfunden wird, §. 48. obgleich dieses sein gerade- ster Weg, und bey Thieren, die ein beseeltes Gehirn ha- ben, seine gewöhnliche natürliche Bestimmung ist; so scheint er noch viel leichter solche Nebenpunkte im Nerven zuwei- len vorbey gehen zu können, auf die er immer in einer be- sondern Richtung treffen muß, wenn er sie so sinnlich rüh- ren soll, daß sie ihn von seiner geraden Richtung ableiten, umwenden, und in einen innern sinnlichen Eindruck ohne
Vor-
1 Abſchn. uͤberhaupt.
§. 428.
5. Wenn ein Nerve zwar einen aͤußern ſinnlichen Ein- druck, aber zu ſchwach empfaͤngt, als daß er ſich in ihm entweder uͤberhaupt, oder doch bis zu einem ſolchem Punk- te, wo er gewendet und in einen innern ohne Vorſtellun- gen verwandelt werden kann, fortpflanzen koͤnnte; ſo kann er, obgleich im natuͤrlichen Zuſtande, zwar eine unmittel- bare, §. 418. aber keine mittelbare Nervenwirkung von ihm hervorbringen. §. 425. N. 1. So machet in einem enthaupteten Thiere eine ſchwache Beruͤhrung eines Mus- kels zwar ein gelindes Zucken der beruͤhrten Faͤſerchen, er- reget aber in andern Theilen die Convulſionen nicht, wel- che ein ſtaͤrkerer aͤußerer ſinnlicher Eindruck, in dieſem ſo- wohl wie im natuͤrlichen Zuſtande des Thieres zu erregen pfleget.
6. Es muß unſtreitig im natuͤrlichen Zuſtande der Thiere Faͤlle geben, wo ein gewiſſer aͤußerer ſinnlicher Ein- druck in einen Nerven, auf ſeinem Fortgange nach dem Gehirne hin in gewiſſen Punkten des Nerven, wo er ge- wendet werden koͤnnte, z. E. in den Scheidepunkten der Zweige, oder in den Knoten, nicht ſinnlich angenommen, nicht umgewendet, noch in einen innern ohne Vorſtellun- gen verwandelt wird, und in ſolchen Faͤllen kann der aͤu- ßere ſinnliche Eindruck zwar unmittelbar, §. 418. aber nicht diejenigen mittelbaren Nervenwirkungen erregen, die er ohne dieſe Hinderniß verurſachen wuͤrde. §. 425. N. 2. Da es im natuͤrlichen Zuſtande Faͤlle genug giebt, wo der aͤußere ſinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn fortgeht, noch empfunden wird, §. 48. obgleich dieſes ſein gerade- ſter Weg, und bey Thieren, die ein beſeeltes Gehirn ha- ben, ſeine gewoͤhnliche natuͤrliche Beſtimmung iſt; ſo ſcheint er noch viel leichter ſolche Nebenpunkte im Nerven zuwei- len vorbey gehen zu koͤnnen, auf die er immer in einer be- ſondern Richtung treffen muß, wenn er ſie ſo ſinnlich ruͤh- ren ſoll, daß ſie ihn von ſeiner geraden Richtung ableiten, umwenden, und in einen innern ſinnlichen Eindruck ohne
Vor-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0453"n="429"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">1 Abſchn. uͤberhaupt.</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 428.</head><lb/><p>5. Wenn ein Nerve zwar einen aͤußern ſinnlichen Ein-<lb/>
druck, aber zu ſchwach empfaͤngt, als daß er ſich in ihm<lb/>
entweder uͤberhaupt, oder doch bis zu einem ſolchem Punk-<lb/>
te, wo er gewendet und in einen innern ohne Vorſtellun-<lb/>
gen verwandelt werden kann, fortpflanzen koͤnnte; ſo kann<lb/>
er, obgleich im natuͤrlichen Zuſtande, zwar eine unmittel-<lb/>
bare, §. 418. aber keine mittelbare Nervenwirkung von<lb/>
ihm hervorbringen. §. 425. <hirendition="#aq">N.</hi> 1. So machet in einem<lb/>
enthaupteten Thiere eine ſchwache Beruͤhrung eines Mus-<lb/>
kels zwar ein gelindes Zucken der beruͤhrten Faͤſerchen, er-<lb/>
reget aber in andern Theilen die Convulſionen nicht, wel-<lb/>
che ein ſtaͤrkerer aͤußerer ſinnlicher Eindruck, in dieſem ſo-<lb/>
wohl wie im natuͤrlichen Zuſtande des Thieres zu erregen<lb/>
pfleget.</p><lb/><p>6. Es muß unſtreitig im natuͤrlichen Zuſtande der<lb/>
Thiere Faͤlle geben, wo ein gewiſſer aͤußerer ſinnlicher Ein-<lb/>
druck in einen Nerven, auf ſeinem Fortgange nach dem<lb/>
Gehirne hin in gewiſſen Punkten des Nerven, wo er ge-<lb/>
wendet werden koͤnnte, z. E. in den Scheidepunkten der<lb/>
Zweige, oder in den Knoten, nicht ſinnlich angenommen,<lb/>
nicht umgewendet, noch in einen innern ohne Vorſtellun-<lb/>
gen verwandelt wird, und in ſolchen Faͤllen kann der aͤu-<lb/>
ßere ſinnliche Eindruck zwar unmittelbar, §. 418. aber<lb/>
nicht diejenigen mittelbaren Nervenwirkungen erregen, die<lb/>
er ohne dieſe Hinderniß verurſachen wuͤrde. §. 425. <hirendition="#aq">N.</hi> 2.<lb/>
Da es im natuͤrlichen Zuſtande Faͤlle genug giebt, wo der<lb/>
aͤußere ſinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn fortgeht,<lb/>
noch empfunden wird, §. 48. obgleich dieſes ſein gerade-<lb/>ſter Weg, und bey Thieren, die ein beſeeltes Gehirn ha-<lb/>
ben, ſeine gewoͤhnliche natuͤrliche Beſtimmung iſt; ſo ſcheint<lb/>
er noch viel leichter ſolche Nebenpunkte im Nerven zuwei-<lb/>
len vorbey gehen zu koͤnnen, auf die er immer in einer be-<lb/>ſondern Richtung treffen muß, wenn er ſie ſo ſinnlich ruͤh-<lb/>
ren ſoll, daß ſie ihn von ſeiner geraden Richtung ableiten,<lb/>
umwenden, und in einen innern ſinnlichen Eindruck ohne<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vor-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[429/0453]
1 Abſchn. uͤberhaupt.
§. 428.
5. Wenn ein Nerve zwar einen aͤußern ſinnlichen Ein-
druck, aber zu ſchwach empfaͤngt, als daß er ſich in ihm
entweder uͤberhaupt, oder doch bis zu einem ſolchem Punk-
te, wo er gewendet und in einen innern ohne Vorſtellun-
gen verwandelt werden kann, fortpflanzen koͤnnte; ſo kann
er, obgleich im natuͤrlichen Zuſtande, zwar eine unmittel-
bare, §. 418. aber keine mittelbare Nervenwirkung von
ihm hervorbringen. §. 425. N. 1. So machet in einem
enthaupteten Thiere eine ſchwache Beruͤhrung eines Mus-
kels zwar ein gelindes Zucken der beruͤhrten Faͤſerchen, er-
reget aber in andern Theilen die Convulſionen nicht, wel-
che ein ſtaͤrkerer aͤußerer ſinnlicher Eindruck, in dieſem ſo-
wohl wie im natuͤrlichen Zuſtande des Thieres zu erregen
pfleget.
6. Es muß unſtreitig im natuͤrlichen Zuſtande der
Thiere Faͤlle geben, wo ein gewiſſer aͤußerer ſinnlicher Ein-
druck in einen Nerven, auf ſeinem Fortgange nach dem
Gehirne hin in gewiſſen Punkten des Nerven, wo er ge-
wendet werden koͤnnte, z. E. in den Scheidepunkten der
Zweige, oder in den Knoten, nicht ſinnlich angenommen,
nicht umgewendet, noch in einen innern ohne Vorſtellun-
gen verwandelt wird, und in ſolchen Faͤllen kann der aͤu-
ßere ſinnliche Eindruck zwar unmittelbar, §. 418. aber
nicht diejenigen mittelbaren Nervenwirkungen erregen, die
er ohne dieſe Hinderniß verurſachen wuͤrde. §. 425. N. 2.
Da es im natuͤrlichen Zuſtande Faͤlle genug giebt, wo der
aͤußere ſinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn fortgeht,
noch empfunden wird, §. 48. obgleich dieſes ſein gerade-
ſter Weg, und bey Thieren, die ein beſeeltes Gehirn ha-
ben, ſeine gewoͤhnliche natuͤrliche Beſtimmung iſt; ſo ſcheint
er noch viel leichter ſolche Nebenpunkte im Nerven zuwei-
len vorbey gehen zu koͤnnen, auf die er immer in einer be-
ſondern Richtung treffen muß, wenn er ſie ſo ſinnlich ruͤh-
ren ſoll, daß ſie ihn von ſeiner geraden Richtung ableiten,
umwenden, und in einen innern ſinnlichen Eindruck ohne
Vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/453>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.