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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkräfte.
§. 397.

Die Herrschaft der Nervenkräfte erstrecket sich solcher-
gestalt wirklich in thierischen Körpern eben so weit, als der
thierischen Seelenkräfte, und man wird schwerlich eine
Bewegung, die als Seelenwirkung erfolgen kann, finden,
die sich nicht auch durch eine bloße Nervenkraft bewerkstelli-
gen ließe, ob es gleich in manchen Fällen nicht angehen
kann, dieses durch augenscheinliche Versuche zu zeigen. Die
allermeisten thierischen Bewegungen in den mechanischen
Maschinen geschehen durch die Muskeln oder Muskelfasern,
sie mögen Seelenwirkungen seyn, §. 379. oder nicht. Was
aber ein Muskel, durch die thierischen Seelenkräfte gerei-
zet, bewerkstelligen kann, das bewerkstelliget er, nach viel
tausend Erfahrungen, auch sehr leicht durch bloße äußere,
und durch innere sinnliche Eindrücke ohne Vorstellungen,
in seinen Nerven: §. 364. N. 1. denn es ist in beyden
Fällen einerley Bewegung, wozu er gereizet wird. §. 356.
Daher ist es nicht zu bewundern, daß die blos sinnlichen
Eindrücke in die Bewegungsnerven, ob sie gleich weder
Vorstellungen erzeugen, (empfunden werden,) noch von ih-
nen herrühren, als die ersten Triebfedern aller Nervenwir-
kungen, die ganze Maschine eines thierischen Körpers eben
so in steter Wirkung und in aneinanderhangender Be-
schäftigung erhalten können, wie es die äußern Empfindun-
gen und übrigen durch sie veranlaßten sinnlichen Vostellun-
gen durch die innern sinnlichen Eindrücke ins Gehirn thun.
Denn nicht allein bringt ein solcher sinnlicher Eindruck
überall eben dieselbe Bewegung hervor, wie wenn er em-
pfunden wird, oder von Vorstellungen herrühret; sondern
so wie sich aus den äußern Empfindungen und ihren See-
lenwirkungen andre sinnliche Vorstellungen und deren See-
lenwirkungen erzeugen und sich miteinander verbinden,
woraus die zusammenhangenden Handlungen der thierischen
Seelenkräfte entstehen, so entspringen auch aus den äu-
ßern sinnlichen Eindrücken, die nicht empfunden werden,
innere ohne Vorstellungen, und aus den letztern zuweilen

äußere,
II Th. Nervenkraͤfte.
§. 397.

Die Herrſchaft der Nervenkraͤfte erſtrecket ſich ſolcher-
geſtalt wirklich in thieriſchen Koͤrpern eben ſo weit, als der
thieriſchen Seelenkraͤfte, und man wird ſchwerlich eine
Bewegung, die als Seelenwirkung erfolgen kann, finden,
die ſich nicht auch durch eine bloße Nervenkraft bewerkſtelli-
gen ließe, ob es gleich in manchen Faͤllen nicht angehen
kann, dieſes durch augenſcheinliche Verſuche zu zeigen. Die
allermeiſten thieriſchen Bewegungen in den mechaniſchen
Maſchinen geſchehen durch die Muskeln oder Muskelfaſern,
ſie moͤgen Seelenwirkungen ſeyn, §. 379. oder nicht. Was
aber ein Muskel, durch die thieriſchen Seelenkraͤfte gerei-
zet, bewerkſtelligen kann, das bewerkſtelliget er, nach viel
tauſend Erfahrungen, auch ſehr leicht durch bloße aͤußere,
und durch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen,
in ſeinen Nerven: §. 364. N. 1. denn es iſt in beyden
Faͤllen einerley Bewegung, wozu er gereizet wird. §. 356.
Daher iſt es nicht zu bewundern, daß die blos ſinnlichen
Eindruͤcke in die Bewegungsnerven, ob ſie gleich weder
Vorſtellungen erzeugen, (empfunden werden,) noch von ih-
nen herruͤhren, als die erſten Triebfedern aller Nervenwir-
kungen, die ganze Maſchine eines thieriſchen Koͤrpers eben
ſo in ſteter Wirkung und in aneinanderhangender Be-
ſchaͤftigung erhalten koͤnnen, wie es die aͤußern Empfindun-
gen und uͤbrigen durch ſie veranlaßten ſinnlichen Voſtellun-
gen durch die innern ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn thun.
Denn nicht allein bringt ein ſolcher ſinnlicher Eindruck
uͤberall eben dieſelbe Bewegung hervor, wie wenn er em-
pfunden wird, oder von Vorſtellungen herruͤhret; ſondern
ſo wie ſich aus den aͤußern Empfindungen und ihren See-
lenwirkungen andre ſinnliche Vorſtellungen und deren See-
lenwirkungen erzeugen und ſich miteinander verbinden,
woraus die zuſammenhangenden Handlungen der thieriſchen
Seelenkraͤfte entſtehen, ſo entſpringen auch aus den aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcken, die nicht empfunden werden,
innere ohne Vorſtellungen, und aus den letztern zuweilen

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[394/0418] II Th. Nervenkraͤfte. §. 397. Die Herrſchaft der Nervenkraͤfte erſtrecket ſich ſolcher- geſtalt wirklich in thieriſchen Koͤrpern eben ſo weit, als der thieriſchen Seelenkraͤfte, und man wird ſchwerlich eine Bewegung, die als Seelenwirkung erfolgen kann, finden, die ſich nicht auch durch eine bloße Nervenkraft bewerkſtelli- gen ließe, ob es gleich in manchen Faͤllen nicht angehen kann, dieſes durch augenſcheinliche Verſuche zu zeigen. Die allermeiſten thieriſchen Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen geſchehen durch die Muskeln oder Muskelfaſern, ſie moͤgen Seelenwirkungen ſeyn, §. 379. oder nicht. Was aber ein Muskel, durch die thieriſchen Seelenkraͤfte gerei- zet, bewerkſtelligen kann, das bewerkſtelliget er, nach viel tauſend Erfahrungen, auch ſehr leicht durch bloße aͤußere, und durch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen, in ſeinen Nerven: §. 364. N. 1. denn es iſt in beyden Faͤllen einerley Bewegung, wozu er gereizet wird. §. 356. Daher iſt es nicht zu bewundern, daß die blos ſinnlichen Eindruͤcke in die Bewegungsnerven, ob ſie gleich weder Vorſtellungen erzeugen, (empfunden werden,) noch von ih- nen herruͤhren, als die erſten Triebfedern aller Nervenwir- kungen, die ganze Maſchine eines thieriſchen Koͤrpers eben ſo in ſteter Wirkung und in aneinanderhangender Be- ſchaͤftigung erhalten koͤnnen, wie es die aͤußern Empfindun- gen und uͤbrigen durch ſie veranlaßten ſinnlichen Voſtellun- gen durch die innern ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn thun. Denn nicht allein bringt ein ſolcher ſinnlicher Eindruck uͤberall eben dieſelbe Bewegung hervor, wie wenn er em- pfunden wird, oder von Vorſtellungen herruͤhret; ſondern ſo wie ſich aus den aͤußern Empfindungen und ihren See- lenwirkungen andre ſinnliche Vorſtellungen und deren See- lenwirkungen erzeugen und ſich miteinander verbinden, woraus die zuſammenhangenden Handlungen der thieriſchen Seelenkraͤfte entſtehen, ſo entſpringen auch aus den aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcken, die nicht empfunden werden, innere ohne Vorſtellungen, und aus den letztern zuweilen aͤußere,

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/418>, abgerufen am 21.11.2024.