der beym Meditiren veränderten Lebensbewegungen von denen, der sinnlichen Reizungen, zu groß zu seyn, als daß man beyde aus einerley Quelle herleiten könnte. Dieser besondre Trieb des Bluts zum Kopf ist nur den Operatio- nen des Verstandes, sonst aber keiner von allen Arten sinn- licher Reizungen, so beständig und auf solche Weise eigen: denn die Erröthung des Gesichts bey der Schamhaftigkeit, und die heftigen Bluttriebe zum Haupt beym Zorne und andern Trieben und Leidenschaften, sind, wie jedermann aus der Vergleichung erkennen muß, Blutbewegungen von einer ganz andern Art und Beschaffenheit. Außer- dem sind diese Seelenwirkungen der Bewegungsgründe an sich schwächer, als die, der sinnlichen Reizungen, §. 250. und haben noch das ihnen besonders Eigne, daß sie weder unmittelbar, noch auch nur auf nähere Weise von äußern Empfindungen abhängen, sondern mehr eine Wir- kung freyer Ueberlegungen der Seele sind, die sich ihre Bewegungsgründe, nach den Gesetzen des Verstandes, selbst erfindet, §. 110. und nach denselben sich nur das gefallen und misfallen läßt, was sie als gut oder als bö- se betrachtet, obgleich die sie begleitenden sinnlichen Trieb- federn diese ihre innere Empfindung immer mit bestim- men. Die sinnlichen Vorstellungen hingegen gefallen oder misfallen blos, nachdem der äußere sinnliche Ein- druck in die Nerven, von dem sie entweder unmittelbar, oder doch auf nähere Weise abhängen, entweder der na- türlichen Bestimmung des Nerven gemäß, oder widerna- türlich ist. §. 191.
§. 334.
Die Seele kann, aus Jrrthume des Verstandes, et- was für gut oder böse halten, was doch das Gegentheil ist. Da sie aber nichtsdestoweniger in jedem Falle die Lust oder Unlust davon empfindet, so erfolgen, nach dem Gesetze der Seelenwirkungen beyder, §. 254. von den angenehmen Bewegungsgründen solche Veränderungen
der
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
der beym Meditiren veraͤnderten Lebensbewegungen von denen, der ſinnlichen Reizungen, zu groß zu ſeyn, als daß man beyde aus einerley Quelle herleiten koͤnnte. Dieſer beſondre Trieb des Bluts zum Kopf iſt nur den Operatio- nen des Verſtandes, ſonſt aber keiner von allen Arten ſinn- licher Reizungen, ſo beſtaͤndig und auf ſolche Weiſe eigen: denn die Erroͤthung des Geſichts bey der Schamhaftigkeit, und die heftigen Bluttriebe zum Haupt beym Zorne und andern Trieben und Leidenſchaften, ſind, wie jedermann aus der Vergleichung erkennen muß, Blutbewegungen von einer ganz andern Art und Beſchaffenheit. Außer- dem ſind dieſe Seelenwirkungen der Bewegungsgruͤnde an ſich ſchwaͤcher, als die, der ſinnlichen Reizungen, §. 250. und haben noch das ihnen beſonders Eigne, daß ſie weder unmittelbar, noch auch nur auf naͤhere Weiſe von aͤußern Empfindungen abhaͤngen, ſondern mehr eine Wir- kung freyer Ueberlegungen der Seele ſind, die ſich ihre Bewegungsgruͤnde, nach den Geſetzen des Verſtandes, ſelbſt erfindet, §. 110. und nach denſelben ſich nur das gefallen und misfallen laͤßt, was ſie als gut oder als boͤ- ſe betrachtet, obgleich die ſie begleitenden ſinnlichen Trieb- federn dieſe ihre innere Empfindung immer mit beſtim- men. Die ſinnlichen Vorſtellungen hingegen gefallen oder misfallen blos, nachdem der aͤußere ſinnliche Ein- druck in die Nerven, von dem ſie entweder unmittelbar, oder doch auf naͤhere Weiſe abhaͤngen, entweder der na- tuͤrlichen Beſtimmung des Nerven gemaͤß, oder widerna- tuͤrlich iſt. §. 191.
§. 334.
Die Seele kann, aus Jrrthume des Verſtandes, et- was fuͤr gut oder boͤſe halten, was doch das Gegentheil iſt. Da ſie aber nichtsdeſtoweniger in jedem Falle die Luſt oder Unluſt davon empfindet, ſo erfolgen, nach dem Geſetze der Seelenwirkungen beyder, §. 254. von den angenehmen Bewegungsgruͤnden ſolche Veraͤnderungen
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
der beym Meditiren veraͤnderten Lebensbewegungen von
denen, der ſinnlichen Reizungen, zu groß zu ſeyn, als daß
man beyde aus einerley Quelle herleiten koͤnnte. Dieſer
beſondre Trieb des Bluts zum Kopf iſt nur den Operatio-
nen des Verſtandes, ſonſt aber keiner von allen Arten ſinn-
licher Reizungen, ſo beſtaͤndig und auf ſolche Weiſe eigen:
denn die Erroͤthung des Geſichts bey der Schamhaftigkeit,
und die heftigen Bluttriebe zum Haupt beym Zorne und
andern Trieben und Leidenſchaften, ſind, wie jedermann
aus der Vergleichung erkennen muß, Blutbewegungen
von einer ganz andern Art und Beſchaffenheit. Außer-
dem ſind dieſe Seelenwirkungen der Bewegungsgruͤnde
an ſich ſchwaͤcher, als die, der ſinnlichen Reizungen, §.
250. und haben noch das ihnen beſonders Eigne, daß
ſie weder unmittelbar, noch auch nur auf naͤhere Weiſe von
aͤußern Empfindungen abhaͤngen, ſondern mehr eine Wir-
kung freyer Ueberlegungen der Seele ſind, die ſich ihre
Bewegungsgruͤnde, nach den Geſetzen des Verſtandes,
ſelbſt erfindet, §. 110. und nach denſelben ſich nur das
gefallen und misfallen laͤßt, was ſie als gut oder als boͤ-
ſe betrachtet, obgleich die ſie begleitenden ſinnlichen Trieb-
federn dieſe ihre innere Empfindung immer mit beſtim-
men. Die ſinnlichen Vorſtellungen hingegen gefallen
oder misfallen blos, nachdem der aͤußere ſinnliche Ein-
druck in die Nerven, von dem ſie entweder unmittelbar,
oder doch auf naͤhere Weiſe abhaͤngen, entweder der na-
tuͤrlichen Beſtimmung des Nerven gemaͤß, oder widerna-
tuͤrlich iſt. §. 191.
§. 334.
Die Seele kann, aus Jrrthume des Verſtandes, et-
was fuͤr gut oder boͤſe halten, was doch das Gegentheil
iſt. Da ſie aber nichtsdeſtoweniger in jedem Falle die
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/350>, abgerufen am 22.02.2025.
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