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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der Leidenschaften.
wenn man sie uns in der Erziehung nur zu geben weiß. Zu
einer solchen glücklichen Gemüthsverfassung können die Ge-
schichte heroischer Thaten, womit man das Gedächtniß,
statt schrecklicher Geschichte, anfüllet, muntere Gesellschaf-
ten und viel Umgang, Getöse, der Wein, Zerstreuungen
und angenehme und unangenehme Vorstellungen, Triebe,
Leidenschaften von entgegengesetzter Art, viel beytragen.

§. 322.

Der Zorn und die Rachgier sind Arten betrübter Lei-
denschaften, deren Triebfedern wir uns undeutlich bewußt
sind, und die also von dem Triebe der Selbstvertheidigung
überhaupt, und vom Wehrtriebe insbesondre zu unterschei-
den sind. §. 309. 301. Sie entwickeln sich nach den all-
gemeinen Gesetzen der Leidenschaften, §. 94. 108. und ih-
re Seelenwirkungen sind aus denen von einer sinnlichen Un-
lust und einer sinnlichen, verworrenen Vorhersehung zu-
sammengesetzet. §. 103. 257. 258.

§. 323.

Die Seelenwirkungen der Unlust sind zwar bey diesen,
wie bey allen Arten betrübter Leidenschaften, widernatürlich
und heftig, §. 259. unterscheiden sich aber überhaupt von
allen durch einen äußerordentlichen Grad der Heftigkeit,
und von denen, der Angst und des Schreckens insbesondre
dadurch, daß bey diesen die Bewegung des Herzens in äu-
ßerster Unordnung, und bald sehr heftig, bald ohnmäch-
tig ist, §. 314. 318. im Zorne und der Rachgier aber in
einem anhaltend heftigen und geschwinden Zusammenzie-
hen desselben besteht. Denn es schlägt in diesen Leiden-
schaften das Herz und der Puls der Adern mit einer erstaun-
lichen Geschwindigkeit und Gewalt, wodurch das Blut in
die kleinsten Blutgefäße, ja gar in solche, die sonst kein
Blut führen, getrieben wird, wovon die außerordentliche
Röthe des Gesichts, Erhitzung des ganzen Körpers, wi-
dernatürlichen Blutgefäße, der volle Puls, das schnelle
und starke Athemholen und Schnauben, die blauen Lippen,
und andre gewöhnliche Erscheinungen herzuleiten sind. Jst

es

der Leidenſchaften.
wenn man ſie uns in der Erziehung nur zu geben weiß. Zu
einer ſolchen gluͤcklichen Gemuͤthsverfaſſung koͤnnen die Ge-
ſchichte heroiſcher Thaten, womit man das Gedaͤchtniß,
ſtatt ſchrecklicher Geſchichte, anfuͤllet, muntere Geſellſchaf-
ten und viel Umgang, Getoͤſe, der Wein, Zerſtreuungen
und angenehme und unangenehme Vorſtellungen, Triebe,
Leidenſchaften von entgegengeſetzter Art, viel beytragen.

§. 322.

Der Zorn und die Rachgier ſind Arten betruͤbter Lei-
denſchaften, deren Triebfedern wir uns undeutlich bewußt
ſind, und die alſo von dem Triebe der Selbſtvertheidigung
uͤberhaupt, und vom Wehrtriebe insbeſondre zu unterſchei-
den ſind. §. 309. 301. Sie entwickeln ſich nach den all-
gemeinen Geſetzen der Leidenſchaften, §. 94. 108. und ih-
re Seelenwirkungen ſind aus denen von einer ſinnlichen Un-
luſt und einer ſinnlichen, verworrenen Vorherſehung zu-
ſammengeſetzet. §. 103. 257. 258.

§. 323.

Die Seelenwirkungen der Unluſt ſind zwar bey dieſen,
wie bey allen Arten betruͤbter Leidenſchaften, widernatuͤrlich
und heftig, §. 259. unterſcheiden ſich aber uͤberhaupt von
allen durch einen aͤußerordentlichen Grad der Heftigkeit,
und von denen, der Angſt und des Schreckens insbeſondre
dadurch, daß bey dieſen die Bewegung des Herzens in aͤu-
ßerſter Unordnung, und bald ſehr heftig, bald ohnmaͤch-
tig iſt, §. 314. 318. im Zorne und der Rachgier aber in
einem anhaltend heftigen und geſchwinden Zuſammenzie-
hen deſſelben beſteht. Denn es ſchlaͤgt in dieſen Leiden-
ſchaften das Herz und der Puls der Adern mit einer erſtaun-
lichen Geſchwindigkeit und Gewalt, wodurch das Blut in
die kleinſten Blutgefaͤße, ja gar in ſolche, die ſonſt kein
Blut fuͤhren, getrieben wird, wovon die außerordentliche
Roͤthe des Geſichts, Erhitzung des ganzen Koͤrpers, wi-
dernatuͤrlichen Blutgefaͤße, der volle Puls, das ſchnelle
und ſtarke Athemholen und Schnauben, die blauen Lippen,
und andre gewoͤhnliche Erſcheinungen herzuleiten ſind. Jſt

es
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[315/0339] der Leidenſchaften. wenn man ſie uns in der Erziehung nur zu geben weiß. Zu einer ſolchen gluͤcklichen Gemuͤthsverfaſſung koͤnnen die Ge- ſchichte heroiſcher Thaten, womit man das Gedaͤchtniß, ſtatt ſchrecklicher Geſchichte, anfuͤllet, muntere Geſellſchaf- ten und viel Umgang, Getoͤſe, der Wein, Zerſtreuungen und angenehme und unangenehme Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaften von entgegengeſetzter Art, viel beytragen. §. 322. Der Zorn und die Rachgier ſind Arten betruͤbter Lei- denſchaften, deren Triebfedern wir uns undeutlich bewußt ſind, und die alſo von dem Triebe der Selbſtvertheidigung uͤberhaupt, und vom Wehrtriebe insbeſondre zu unterſchei- den ſind. §. 309. 301. Sie entwickeln ſich nach den all- gemeinen Geſetzen der Leidenſchaften, §. 94. 108. und ih- re Seelenwirkungen ſind aus denen von einer ſinnlichen Un- luſt und einer ſinnlichen, verworrenen Vorherſehung zu- ſammengeſetzet. §. 103. 257. 258. §. 323. Die Seelenwirkungen der Unluſt ſind zwar bey dieſen, wie bey allen Arten betruͤbter Leidenſchaften, widernatuͤrlich und heftig, §. 259. unterſcheiden ſich aber uͤberhaupt von allen durch einen aͤußerordentlichen Grad der Heftigkeit, und von denen, der Angſt und des Schreckens insbeſondre dadurch, daß bey dieſen die Bewegung des Herzens in aͤu- ßerſter Unordnung, und bald ſehr heftig, bald ohnmaͤch- tig iſt, §. 314. 318. im Zorne und der Rachgier aber in einem anhaltend heftigen und geſchwinden Zuſammenzie- hen deſſelben beſteht. Denn es ſchlaͤgt in dieſen Leiden- ſchaften das Herz und der Puls der Adern mit einer erſtaun- lichen Geſchwindigkeit und Gewalt, wodurch das Blut in die kleinſten Blutgefaͤße, ja gar in ſolche, die ſonſt kein Blut fuͤhren, getrieben wird, wovon die außerordentliche Roͤthe des Geſichts, Erhitzung des ganzen Koͤrpers, wi- dernatuͤrlichen Blutgefaͤße, der volle Puls, das ſchnelle und ſtarke Athemholen und Schnauben, die blauen Lippen, und andre gewoͤhnliche Erſcheinungen herzuleiten ſind. Jſt es

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/339>, abgerufen am 21.12.2024.