mächtige Vorstellungen mit ihren Trieben verbinden kön- nen, und wirklich verbinden, die sonst, wenn sie ihren rei- zenden Gegenstand erkenneten, nach ihrem Belieben sich auf denselben beziehen, die Vorstellung desselben verändern, Merkmale, die sie zu stark rühreten, durch die Abstraktion entkräften, ihr Nebenvorstellungen und andre Begierden, die sie schwächen müßten, entgegensetzen, die Aufmerksam- keit zerstreuen, und kurz, die Macht des Reizes im Ge- genstande schwächen und vernichten, oder im Gegentheile, wenn sie es beliebten, verstärken könnten; §. 273. so steht doch in den Trieben diese Anwendung der eigenmächtigen Nebenvorstellungen auf ihren Gegenstand nicht in der Ge- walt der Thiere, da sie sich des Gegenstandes nicht bewußt sind, und es sich also nur von ohngefähr zutragen kann, daß sie sich darauf passen. Jn den Leidenschaften hingegen sind sich die Thiere ihres reizenden Gegenstandes bewußt, und können alle Vorstellungen und Begierden, die sie ih- nen eigenmächtig beyzugesellen vermögen, §. 273. auf ihn in Beziehung setzen, und eben dadurch steht es weit mehr in ihrer Gewalt, sie zu leiten und zu mäßigen, oder zu ver- mehren, als die Triebe. §. 296. (Vergl. §. 304.)
§. 298.
Wenn bey Thieren, die klarer Vorstellungen fähig sind, im Fortgange eines Triebes die dunkle sinnliche Reizung sich aufkläret, obgleich sinnlich und sehr verworren bleibt, so entsteht in dem Triebe und durch ihn eine Leidenschaft, §. 90. 91. ein Affektentrieb. §. 296. Die Affektentrie- be sind also anfänglich wahre Triebe, die aber in ihrem Fortgange wahre Leidenschaften werden. Daher entste- hen sie durch den natürlichen Zwang und haben das Wunderbare der Triebe, §. 263. allein in ihrem Fortgan- ge vereiniget sich der sinnliche Willkühr des Thieres mit dem natürlichen Zwange für die Befriedigung des Triebes und das Thier wird des letztern so weit mächtig, daß es ihn durch die Anwendung seiner eigenmächtigen Nebenvorstel-
lungen
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
maͤchtige Vorſtellungen mit ihren Trieben verbinden koͤn- nen, und wirklich verbinden, die ſonſt, wenn ſie ihren rei- zenden Gegenſtand erkenneten, nach ihrem Belieben ſich auf denſelben beziehen, die Vorſtellung deſſelben veraͤndern, Merkmale, die ſie zu ſtark ruͤhreten, durch die Abſtraktion entkraͤften, ihr Nebenvorſtellungen und andre Begierden, die ſie ſchwaͤchen muͤßten, entgegenſetzen, die Aufmerkſam- keit zerſtreuen, und kurz, die Macht des Reizes im Ge- genſtande ſchwaͤchen und vernichten, oder im Gegentheile, wenn ſie es beliebten, verſtaͤrken koͤnnten; §. 273. ſo ſteht doch in den Trieben dieſe Anwendung der eigenmaͤchtigen Nebenvorſtellungen auf ihren Gegenſtand nicht in der Ge- walt der Thiere, da ſie ſich des Gegenſtandes nicht bewußt ſind, und es ſich alſo nur von ohngefaͤhr zutragen kann, daß ſie ſich darauf paſſen. Jn den Leidenſchaften hingegen ſind ſich die Thiere ihres reizenden Gegenſtandes bewußt, und koͤnnen alle Vorſtellungen und Begierden, die ſie ih- nen eigenmaͤchtig beyzugeſellen vermoͤgen, §. 273. auf ihn in Beziehung ſetzen, und eben dadurch ſteht es weit mehr in ihrer Gewalt, ſie zu leiten und zu maͤßigen, oder zu ver- mehren, als die Triebe. §. 296. (Vergl. §. 304.)
§. 298.
Wenn bey Thieren, die klarer Vorſtellungen faͤhig ſind, im Fortgange eines Triebes die dunkle ſinnliche Reizung ſich aufklaͤret, obgleich ſinnlich und ſehr verworren bleibt, ſo entſteht in dem Triebe und durch ihn eine Leidenſchaft, §. 90. 91. ein Affektentrieb. §. 296. Die Affektentrie- be ſind alſo anfaͤnglich wahre Triebe, die aber in ihrem Fortgange wahre Leidenſchaften werden. Daher entſte- hen ſie durch den natuͤrlichen Zwang und haben das Wunderbare der Triebe, §. 263. allein in ihrem Fortgan- ge vereiniget ſich der ſinnliche Willkuͤhr des Thieres mit dem natuͤrlichen Zwange fuͤr die Befriedigung des Triebes und das Thier wird des letztern ſo weit maͤchtig, daß es ihn durch die Anwendung ſeiner eigenmaͤchtigen Nebenvorſtel-
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
maͤchtige Vorſtellungen mit ihren Trieben verbinden koͤn-
nen, und wirklich verbinden, die ſonſt, wenn ſie ihren rei-
zenden Gegenſtand erkenneten, nach ihrem Belieben ſich
auf denſelben beziehen, die Vorſtellung deſſelben veraͤndern,
Merkmale, die ſie zu ſtark ruͤhreten, durch die Abſtraktion
entkraͤften, ihr Nebenvorſtellungen und andre Begierden,
die ſie ſchwaͤchen muͤßten, entgegenſetzen, die Aufmerkſam-
keit zerſtreuen, und kurz, die Macht des Reizes im Ge-
genſtande ſchwaͤchen und vernichten, oder im Gegentheile,
wenn ſie es beliebten, verſtaͤrken koͤnnten; §. 273. ſo ſteht
doch in den Trieben dieſe Anwendung der eigenmaͤchtigen
Nebenvorſtellungen auf ihren Gegenſtand nicht in der Ge-
walt der Thiere, da ſie ſich des Gegenſtandes nicht bewußt
ſind, und es ſich alſo nur von ohngefaͤhr zutragen kann,
daß ſie ſich darauf paſſen. Jn den Leidenſchaften hingegen
ſind ſich die Thiere ihres reizenden Gegenſtandes bewußt,
und koͤnnen alle Vorſtellungen und Begierden, die ſie ih-
nen eigenmaͤchtig beyzugeſellen vermoͤgen, §. 273. auf ihn
in Beziehung ſetzen, und eben dadurch ſteht es weit mehr
in ihrer Gewalt, ſie zu leiten und zu maͤßigen, oder zu ver-
mehren, als die Triebe. §. 296. (Vergl. §. 304.)
§. 298.
Wenn bey Thieren, die klarer Vorſtellungen faͤhig ſind,
im Fortgange eines Triebes die dunkle ſinnliche Reizung
ſich aufklaͤret, obgleich ſinnlich und ſehr verworren bleibt,
ſo entſteht in dem Triebe und durch ihn eine Leidenſchaft,
§. 90. 91. ein Affektentrieb. §. 296. Die Affektentrie-
be ſind alſo anfaͤnglich wahre Triebe, die aber in ihrem
Fortgange wahre Leidenſchaften werden. Daher entſte-
hen ſie durch den natuͤrlichen Zwang und haben das
Wunderbare der Triebe, §. 263. allein in ihrem Fortgan-
ge vereiniget ſich der ſinnliche Willkuͤhr des Thieres mit
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/316>, abgerufen am 21.11.2024.
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