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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der sinnlichen Triebe.
Weinen, Seufzen, Stöhnen, Schluchzen, Girren, Win-
seln, Schreyen, Singen, Sprechen, Husten, Pfeifen,
Niesen, und alle übrige Abänderungen des Athemholens,
die durch äußere Empfindungen oder andre, dunkle oder
verworrene Vorstellungen veranlasset werden, in so fern
wahre Seelenwirkungen befriedigter Triebe sind, ist unwi-
dersprechlich, da es das Athemholen überhaupt ist.

§. 286.

Man sieht aus den bisher abgehandelten Trieben, daß
es zweyerley Arten derselben, in Absicht auf ihre Gegen-
stände gebe, als welche entweder Handlungen, deren Ver-
richtung den Thieren frey steht, und die sie also nach Be-
lieben hervorbringen oder unterlassen können, §. 283 --
285. oder blos natürliche Verrichtungen der mechanischen
Maschinen sind, wie beym Hunger und Durste. §. 281.
282. Es giebt einige der ersten Art, die sich nach und
nach in solche der andern, und einige der andern Art, die
sich in solche der ersten Art verwandeln. So werden bey
Kindern und Thieren anfänglich die unangenehmen äußern
Empfindungen von der Anhäufung der Harnblase und des
Mastdarms, welche den Trieb sich zu entledigen rege ma-
chen, auf eine natürlich nothwendige Weise vertrieben, in-
dem durch die allzugroße Anhäufung die verschließenden
Muskeln durch physische Gewalt genöthiget werden, den ge-
sammleten Unrath fortgehen zu lassen: nachher aber ge-
schieht solches durch willkührliche Eröffnung derselben bey
wieder bemerkter unangenehmen Empfindung. Eben so ist
auch vermuthlich bey neugebornen Thieren das erste Athem-
holen eine natürlich nothwendige Folge der dunkelsten äu-
ßern Empfindung; nachher aber geschieht es durch will-
kührliche Bewegung der Brust bey wieder bemerkter beäng-
stigender Empfindung. §. 285. Und umgekehrt suchen
wir mancherley Schmerzen und andre unangenehme äuße-
re Empfindungen anfänglich durch willkührliche Bewegun-
gen zu vermeiden, welche hernach blos natürliche werden,

z. E.
S 2

der ſinnlichen Triebe.
Weinen, Seufzen, Stoͤhnen, Schluchzen, Girren, Win-
ſeln, Schreyen, Singen, Sprechen, Huſten, Pfeifen,
Nieſen, und alle uͤbrige Abaͤnderungen des Athemholens,
die durch aͤußere Empfindungen oder andre, dunkle oder
verworrene Vorſtellungen veranlaſſet werden, in ſo fern
wahre Seelenwirkungen befriedigter Triebe ſind, iſt unwi-
derſprechlich, da es das Athemholen uͤberhaupt iſt.

§. 286.

Man ſieht aus den bisher abgehandelten Trieben, daß
es zweyerley Arten derſelben, in Abſicht auf ihre Gegen-
ſtaͤnde gebe, als welche entweder Handlungen, deren Ver-
richtung den Thieren frey ſteht, und die ſie alſo nach Be-
lieben hervorbringen oder unterlaſſen koͤnnen, §. 283 —
285. oder blos natuͤrliche Verrichtungen der mechaniſchen
Maſchinen ſind, wie beym Hunger und Durſte. §. 281.
282. Es giebt einige der erſten Art, die ſich nach und
nach in ſolche der andern, und einige der andern Art, die
ſich in ſolche der erſten Art verwandeln. So werden bey
Kindern und Thieren anfaͤnglich die unangenehmen aͤußern
Empfindungen von der Anhaͤufung der Harnblaſe und des
Maſtdarms, welche den Trieb ſich zu entledigen rege ma-
chen, auf eine natuͤrlich nothwendige Weiſe vertrieben, in-
dem durch die allzugroße Anhaͤufung die verſchließenden
Muskeln durch phyſiſche Gewalt genoͤthiget werden, den ge-
ſammleten Unrath fortgehen zu laſſen: nachher aber ge-
ſchieht ſolches durch willkuͤhrliche Eroͤffnung derſelben bey
wieder bemerkter unangenehmen Empfindung. Eben ſo iſt
auch vermuthlich bey neugebornen Thieren das erſte Athem-
holen eine natuͤrlich nothwendige Folge der dunkelſten aͤu-
ßern Empfindung; nachher aber geſchieht es durch will-
kuͤhrliche Bewegung der Bruſt bey wieder bemerkter beaͤng-
ſtigender Empfindung. §. 285. Und umgekehrt ſuchen
wir mancherley Schmerzen und andre unangenehme aͤuße-
re Empfindungen anfaͤnglich durch willkuͤhrliche Bewegun-
gen zu vermeiden, welche hernach blos natuͤrliche werden,

z. E.
S 2
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[275/0299] der ſinnlichen Triebe. Weinen, Seufzen, Stoͤhnen, Schluchzen, Girren, Win- ſeln, Schreyen, Singen, Sprechen, Huſten, Pfeifen, Nieſen, und alle uͤbrige Abaͤnderungen des Athemholens, die durch aͤußere Empfindungen oder andre, dunkle oder verworrene Vorſtellungen veranlaſſet werden, in ſo fern wahre Seelenwirkungen befriedigter Triebe ſind, iſt unwi- derſprechlich, da es das Athemholen uͤberhaupt iſt. §. 286. Man ſieht aus den bisher abgehandelten Trieben, daß es zweyerley Arten derſelben, in Abſicht auf ihre Gegen- ſtaͤnde gebe, als welche entweder Handlungen, deren Ver- richtung den Thieren frey ſteht, und die ſie alſo nach Be- lieben hervorbringen oder unterlaſſen koͤnnen, §. 283 — 285. oder blos natuͤrliche Verrichtungen der mechaniſchen Maſchinen ſind, wie beym Hunger und Durſte. §. 281. 282. Es giebt einige der erſten Art, die ſich nach und nach in ſolche der andern, und einige der andern Art, die ſich in ſolche der erſten Art verwandeln. So werden bey Kindern und Thieren anfaͤnglich die unangenehmen aͤußern Empfindungen von der Anhaͤufung der Harnblaſe und des Maſtdarms, welche den Trieb ſich zu entledigen rege ma- chen, auf eine natuͤrlich nothwendige Weiſe vertrieben, in- dem durch die allzugroße Anhaͤufung die verſchließenden Muskeln durch phyſiſche Gewalt genoͤthiget werden, den ge- ſammleten Unrath fortgehen zu laſſen: nachher aber ge- ſchieht ſolches durch willkuͤhrliche Eroͤffnung derſelben bey wieder bemerkter unangenehmen Empfindung. Eben ſo iſt auch vermuthlich bey neugebornen Thieren das erſte Athem- holen eine natuͤrlich nothwendige Folge der dunkelſten aͤu- ßern Empfindung; nachher aber geſchieht es durch will- kuͤhrliche Bewegung der Bruſt bey wieder bemerkter beaͤng- ſtigender Empfindung. §. 285. Und umgekehrt ſuchen wir mancherley Schmerzen und andre unangenehme aͤuße- re Empfindungen anfaͤnglich durch willkuͤhrliche Bewegun- gen zu vermeiden, welche hernach blos natuͤrliche werden, z. E. S 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/299>, abgerufen am 21.11.2024.