Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Das VII. Capitul
der Redens-Arten verhalten solle. Wiewohl auch
hier das meiste aus der Oratorie praesupponiret wird,
so wollen wir dennoch einige Stücke ansehen.

2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem
Carmine zu beobachten?

Wir wollen das gantze Wesen in etlichen Abthei-
lungen mercken.

I. Der Stylus muß sich nach der Sache und Person
richten. Also wenn ich vom Kriege ein Car-
men
machte, würde ich lauter hitzige Redens-
Arten brauchen müssen. z. e. Der Blutdürsti-
ge Soldat hat lauter grausame Gedan-
cken.
Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit,
so würde ich nichts, als liebliche Worte anwen-
den müssen. z. e. Die angenehme Braut hat
ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb-
kosenden Rosen bestreuet.
Schreibet man
an einen vornehmen und gelehrten Mann, so
müssen die Redens-Arten weit delicater und
nachsinnlicher seyn, als wenn ich an einen ge-
meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen
richte.
II. Man soll allemahl dergleichen Worte brauchen,
welche am gebräuchlichsten seyn. Also muß ich
nicht sagen; Studenten-Praeceptor, sondern
Professor, nicht Bürger-Regierer, sondern
Bürgermeister, nicht Tage-Lichter, son-
dern Fenster, nicht Jungfern-Zwinger, son-
dern Kloster, nicht Unterwurff, sondern
Subjectum.

Also

Das VII. Capitul
der Redens-Arten verhalten ſolle. Wiewohl auch
hier das meiſte aus der Oratorie præſupponiret wird,
ſo wollen wir dennoch einige Stuͤcke anſehen.

2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem
Carmine zu beobachten?

Wir wollen das gantze Weſen in etlichen Abthei-
lungen mercken.

I. Der Stylus muß ſich nach der Sache und Perſon
richten. Alſo wenn ich vom Kriege ein Car-
men
machte, wuͤrde ich lauter hitzige Redens-
Arten brauchen muͤſſen. z. e. Der Blutduͤrſti-
ge Soldat hat lauter grauſame Gedan-
cken.
Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit,
ſo wuͤrde ich nichts, als liebliche Worte anwen-
den muͤſſen. z. e. Die angenehme Braut hat
ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb-
koſenden Roſen beſtreuet.
Schreibet man
an einen vornehmen und gelehrten Mann, ſo
muͤſſen die Redens-Arten weit delicater und
nachſinnlicher ſeyn, als wenn ich an einen ge-
meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen
richte.
II. Man ſoll allemahl dergleichen Worte brauchen,
welche am gebraͤuchlichſten ſeyn. Alſo muß ich
nicht ſagen; Studenten-Præceptor, ſondern
Profeſſor, nicht Buͤrger-Regierer, ſondern
Buͤrgermeiſter, nicht Tage-Lichter, ſon-
dern Fenſter, nicht Jungfern-Zwinger, ſon-
dern Kloſter, nicht Unterwurff, ſondern
Subjectum.

Alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0132" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">VII.</hi> Capitul</hi></fw><lb/>
der Redens-Arten verhalten &#x017F;olle. Wiewohl auch<lb/>
hier das mei&#x017F;te aus der <hi rendition="#aq">Oratorie præ&#x017F;upponi</hi>ret wird,<lb/>
&#x017F;o wollen wir dennoch einige Stu&#x0364;cke an&#x017F;ehen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">2. Was habe ich denn bey dem <hi rendition="#aq">Stylo</hi> in einem<lb/><hi rendition="#aq">Carmine</hi> zu beobachten?</hi> </head><lb/>
          <p>Wir wollen das gantze We&#x017F;en in etlichen Abthei-<lb/>
lungen mercken.</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Der <hi rendition="#aq">Stylus</hi> muß &#x017F;ich nach der <hi rendition="#fr">Sache</hi> und <hi rendition="#fr">Per&#x017F;on</hi><lb/>
richten. Al&#x017F;o wenn ich vom Kriege ein <hi rendition="#aq">Car-<lb/>
men</hi> machte, wu&#x0364;rde ich lauter hitzige Redens-<lb/>
Arten brauchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. z. e. <hi rendition="#fr">Der Blutdu&#x0364;r&#x017F;ti-<lb/>
ge Soldat hat lauter grau&#x017F;ame Gedan-<lb/>
cken.</hi> Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde ich nichts, als liebliche Worte anwen-<lb/>
den mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. z. e. <hi rendition="#fr">Die angenehme Braut hat<lb/>
ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb-<lb/>
ko&#x017F;enden Ro&#x017F;en be&#x017F;treuet.</hi> Schreibet man<lb/>
an einen vornehmen und gelehrten Mann, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Redens-Arten weit <hi rendition="#aq">delicat</hi>er und<lb/>
nach&#x017F;innlicher &#x017F;eyn, als wenn ich an einen ge-<lb/>
meinen und ungelehrten Kerlen ein <hi rendition="#aq">Carmen</hi><lb/>
richte.</item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Man &#x017F;oll allemahl dergleichen Worte brauchen,<lb/>
welche am gebra&#x0364;uchlich&#x017F;ten &#x017F;eyn. Al&#x017F;o muß ich<lb/>
nicht &#x017F;agen; <hi rendition="#fr">Studenten</hi>-<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Præceptor</hi>,</hi> &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Profe&#x017F;&#x017F;or</hi>,</hi> nicht <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;rger-Regierer,</hi> &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#fr">Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter,</hi> nicht <hi rendition="#fr">Tage-Lichter,</hi> &#x017F;on-<lb/>
dern <hi rendition="#fr">Fen&#x017F;ter,</hi> nicht <hi rendition="#fr">Jungfern-Zwinger,</hi> &#x017F;on-<lb/>
dern <hi rendition="#fr">Klo&#x017F;ter,</hi> nicht <hi rendition="#fr">Unterwurff,</hi> &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Subjectum.</hi></hi></item>
          </list>
          <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0132] Das VII. Capitul der Redens-Arten verhalten ſolle. Wiewohl auch hier das meiſte aus der Oratorie præſupponiret wird, ſo wollen wir dennoch einige Stuͤcke anſehen. 2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem Carmine zu beobachten? Wir wollen das gantze Weſen in etlichen Abthei- lungen mercken. I. Der Stylus muß ſich nach der Sache und Perſon richten. Alſo wenn ich vom Kriege ein Car- men machte, wuͤrde ich lauter hitzige Redens- Arten brauchen muͤſſen. z. e. Der Blutduͤrſti- ge Soldat hat lauter grauſame Gedan- cken. Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit, ſo wuͤrde ich nichts, als liebliche Worte anwen- den muͤſſen. z. e. Die angenehme Braut hat ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb- koſenden Roſen beſtreuet. Schreibet man an einen vornehmen und gelehrten Mann, ſo muͤſſen die Redens-Arten weit delicater und nachſinnlicher ſeyn, als wenn ich an einen ge- meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen richte. II. Man ſoll allemahl dergleichen Worte brauchen, welche am gebraͤuchlichſten ſeyn. Alſo muß ich nicht ſagen; Studenten-Præceptor, ſondern Profeſſor, nicht Buͤrger-Regierer, ſondern Buͤrgermeiſter, nicht Tage-Lichter, ſon- dern Fenſter, nicht Jungfern-Zwinger, ſon- dern Kloſter, nicht Unterwurff, ſondern Subjectum. Alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/132
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/132>, abgerufen am 13.11.2024.