Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Jungfrau Sieglinde.

Das war Jungfrau Sieglinde,
Die wollte früh aufstehn,
Mit ihrem Hofgesinde
Zum Frauenmünster gehn.
Sie ging in Gold und Seide,
Mit Blumen und Geschmeide,
Das ward zu großem Leide.
Es stehn drei Lindenbäume
Wohl vor der Kirchenpfort';
Da saß der edle Heime,
Der sprach viel leise Wort':
"Was Gold, was Edelsteine!
Hätt' ich der Blumen eine
Aus deinem Kranz, du Feine!"
So sprach der Jüngling leise,
Da trieb der Wind sein Spiel,
Daß aus der Blumen Kreise
Die schönste Rose fiel.
Herr Heime thät sich bücken,
Die Rose wegzupflücken,
Damit wollt' er sich schmücken.
Jungfrau Sieglinde.

Das war Jungfrau Sieglinde,
Die wollte früh aufſtehn,
Mit ihrem Hofgeſinde
Zum Frauenmünſter gehn.
Sie ging in Gold und Seide,
Mit Blumen und Geſchmeide,
Das ward zu großem Leide.
Es ſtehn drei Lindenbäume
Wohl vor der Kirchenpfort’;
Da ſaß der edle Heime,
Der ſprach viel leiſe Wort’:
„Was Gold, was Edelſteine!
Hätt’ ich der Blumen eine
Aus deinem Kranz, du Feine!“
So ſprach der Jüngling leiſe,
Da trieb der Wind ſein Spiel,
Daß aus der Blumen Kreiſe
Die ſchönſte Roſe fiel.
Herr Heime thät ſich bücken,
Die Roſe wegzupflücken,
Damit wollt’ er ſich ſchmücken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0332" n="326"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Jungfrau Sieglinde</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Das war Jungfrau Sieglinde,</l><lb/>
              <l>Die wollte früh auf&#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Mit ihrem Hofge&#x017F;inde</l><lb/>
              <l>Zum Frauenmün&#x017F;ter gehn.</l><lb/>
              <l>Sie ging in Gold und Seide,</l><lb/>
              <l>Mit Blumen und Ge&#x017F;chmeide,</l><lb/>
              <l>Das ward zu großem Leide.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Es &#x017F;tehn drei Lindenbäume</l><lb/>
              <l>Wohl vor der Kirchenpfort&#x2019;;</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;aß der edle Heime,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;prach viel lei&#x017F;e Wort&#x2019;:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was Gold, was Edel&#x017F;teine!</l><lb/>
              <l>Hätt&#x2019; ich der Blumen eine</l><lb/>
              <l>Aus deinem Kranz, du Feine!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>So &#x017F;prach der Jüngling lei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Da trieb der Wind &#x017F;ein Spiel,</l><lb/>
              <l>Daß aus der Blumen Krei&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chön&#x017F;te Ro&#x017F;e fiel.</l><lb/>
              <l>Herr Heime thät &#x017F;ich bücken,</l><lb/>
              <l>Die Ro&#x017F;e wegzupflücken,</l><lb/>
              <l>Damit wollt&#x2019; er &#x017F;ich &#x017F;chmücken.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0332] Jungfrau Sieglinde. Das war Jungfrau Sieglinde, Die wollte früh aufſtehn, Mit ihrem Hofgeſinde Zum Frauenmünſter gehn. Sie ging in Gold und Seide, Mit Blumen und Geſchmeide, Das ward zu großem Leide. Es ſtehn drei Lindenbäume Wohl vor der Kirchenpfort’; Da ſaß der edle Heime, Der ſprach viel leiſe Wort’: „Was Gold, was Edelſteine! Hätt’ ich der Blumen eine Aus deinem Kranz, du Feine!“ So ſprach der Jüngling leiſe, Da trieb der Wind ſein Spiel, Daß aus der Blumen Kreiſe Die ſchönſte Roſe fiel. Herr Heime thät ſich bücken, Die Roſe wegzupflücken, Damit wollt’ er ſich ſchmücken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/332
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/332>, abgerufen am 21.11.2024.