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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Und noch von allen Enden wird Vorrath zugeführt,
Von all den rüst'gen Bauern wird emsig nachgeschürt,
Bis höher, immer höher die Flamme leckt und schweift,
Und schon mit lust'gem Prasseln der Thürme Dach ergreift.
Ein Thor ist frei gelassen, so hat's der Graf beliebt,
Dort hört man wie der Riegel sich leise, lose schiebt.
Dort stürzen wohl, verzweifelnd, die Schlegler jetzt heraus?
Nein! friedlich zieht's herüber, alswie in's Gotteshaus.
Voran drei Schlegelkön'ge, zu Fuß, demüthiglich,
Mit unbedecktem Haupte, die Augen untersich;
Dann viele Herrn und Knechte, gemachsam, Mann für Mann,
Daß man sie alle zählen und wohl betrachten kann.
"Willkomm! -- so ruft der Greiner -- willkomm in meiner Haft!
Ich traf euch gut beisammen, geehrte Brüderschaft!
So konnt' ich wieder dienen für den Besuch im Bad;
Nur Einen miss' ich, Freunde! den Wunnenstein, 's ist Schad'!"
Ein Bäuerlein, das treulich am Feuer mitgefacht,
Lehnt dort an seinem Spieße, nimmt Alles wohl in Acht:
"Drei Könige zu Heimsen, -- so schmollt es -- das ist viel!
Erwischt man noch den vierten, so ist's ein Kartenspiel."

3. Die Schlacht bei Reutlingen.
Zu Achalm auf dem Felsen, da haust manch kühner Aar,
Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit seiner Ritterschaar;
Wild rauschen ihre Flüge um Reutlingen die Stadt,
Bald scheint sie zu erliegen, vom heißen Drange matt."
Und noch von allen Enden wird Vorrath zugeführt,
Von all den rüſt’gen Bauern wird emſig nachgeſchürt,
Bis höher, immer höher die Flamme leckt und ſchweift,
Und ſchon mit luſt’gem Praſſeln der Thürme Dach ergreift.
Ein Thor iſt frei gelaſſen, ſo hat’s der Graf beliebt,
Dort hört man wie der Riegel ſich leiſe, loſe ſchiebt.
Dort ſtürzen wohl, verzweifelnd, die Schlegler jetzt heraus?
Nein! friedlich zieht’s herüber, alswie in’s Gotteshaus.
Voran drei Schlegelkön’ge, zu Fuß, demüthiglich,
Mit unbedecktem Haupte, die Augen unterſich;
Dann viele Herrn und Knechte, gemachſam, Mann für Mann,
Daß man ſie alle zählen und wohl betrachten kann.
„Willkomm! — ſo ruft der Greiner — willkomm in meiner Haft!
Ich traf euch gut beiſammen, geehrte Brüderſchaft!
So konnt’ ich wieder dienen für den Beſuch im Bad;
Nur Einen miſſ’ ich, Freunde! den Wunnenſtein, ’s iſt Schad’!“
Ein Bäuerlein, das treulich am Feuer mitgefacht,
Lehnt dort an ſeinem Spieße, nimmt Alles wohl in Acht:
„Drei Könige zu Heimſen, — ſo ſchmollt es — das iſt viel!
Erwiſcht man noch den vierten, ſo iſt’s ein Kartenſpiel.“

3. Die Schlacht bei Reutlingen.
Zu Achalm auf dem Felſen, da haust manch kühner Aar,
Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit ſeiner Ritterſchaar;
Wild rauſchen ihre Flüge um Reutlingen die Stadt,
Bald ſcheint ſie zu erliegen, vom heißen Drange matt.“
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[318/0324] Und noch von allen Enden wird Vorrath zugeführt, Von all den rüſt’gen Bauern wird emſig nachgeſchürt, Bis höher, immer höher die Flamme leckt und ſchweift, Und ſchon mit luſt’gem Praſſeln der Thürme Dach ergreift. Ein Thor iſt frei gelaſſen, ſo hat’s der Graf beliebt, Dort hört man wie der Riegel ſich leiſe, loſe ſchiebt. Dort ſtürzen wohl, verzweifelnd, die Schlegler jetzt heraus? Nein! friedlich zieht’s herüber, alswie in’s Gotteshaus. Voran drei Schlegelkön’ge, zu Fuß, demüthiglich, Mit unbedecktem Haupte, die Augen unterſich; Dann viele Herrn und Knechte, gemachſam, Mann für Mann, Daß man ſie alle zählen und wohl betrachten kann. „Willkomm! — ſo ruft der Greiner — willkomm in meiner Haft! Ich traf euch gut beiſammen, geehrte Brüderſchaft! So konnt’ ich wieder dienen für den Beſuch im Bad; Nur Einen miſſ’ ich, Freunde! den Wunnenſtein, ’s iſt Schad’!“ Ein Bäuerlein, das treulich am Feuer mitgefacht, Lehnt dort an ſeinem Spieße, nimmt Alles wohl in Acht: „Drei Könige zu Heimſen, — ſo ſchmollt es — das iſt viel! Erwiſcht man noch den vierten, ſo iſt’s ein Kartenſpiel.“ 3. Die Schlacht bei Reutlingen. Zu Achalm auf dem Felſen, da haust manch kühner Aar, Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit ſeiner Ritterſchaar; Wild rauſchen ihre Flüge um Reutlingen die Stadt, Bald ſcheint ſie zu erliegen, vom heißen Drange matt.“

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/324>, abgerufen am 21.11.2024.