Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Der Kranz. Es pflückte Blümlein manigfalt Ein Mägdlein auf der lichten Au; Da kam wohl aus dem grünen Wald Eine wunderschöne Frau. Sie trat zum Mägdlein freundlich hin, Sie schlang ein Kränzlein ihm in's Haar: "Noch blüht es nicht, doch wird es blühn; O trag' es immerdar!" Und als das Mägdlein größer ward, Und sich erging im Mondenglanz, Und Thränen weinte, süß und zart: Da knospete der Kranz. Und als ihr holder Bräutigam Sie innig in die Arme schloß: Da wanden Blümlein wonnesam Sich aus den Knospen los. Sie wiegte bald ein süßes Kind Auf ihrem Schooße mütterlich: Da zeigten an dem Laubgewind Viel goldne Früchte sich. Der Kranz. Es pflückte Blümlein manigfalt Ein Mägdlein auf der lichten Au; Da kam wohl aus dem grünen Wald Eine wunderſchöne Frau. Sie trat zum Mägdlein freundlich hin, Sie ſchlang ein Kränzlein ihm in’s Haar: „Noch blüht es nicht, doch wird es blühn; O trag’ es immerdar!“ Und als das Mägdlein größer ward, Und ſich erging im Mondenglanz, Und Thränen weinte, ſüß und zart: Da knoſpete der Kranz. Und als ihr holder Bräutigam Sie innig in die Arme ſchloß: Da wanden Blümlein wonneſam Sich aus den Knoſpen los. Sie wiegte bald ein ſüßes Kind Auf ihrem Schooße mütterlich: Da zeigten an dem Laubgewind Viel goldne Früchte ſich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0164" n="158"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Der Kranz</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Es pflückte Blümlein manigfalt</l><lb/> <l>Ein Mägdlein auf der lichten Au;</l><lb/> <l>Da kam wohl aus dem grünen Wald</l><lb/> <l>Eine wunderſchöne Frau.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sie trat zum Mägdlein freundlich hin,</l><lb/> <l>Sie ſchlang ein Kränzlein ihm in’s Haar:</l><lb/> <l>„Noch blüht es nicht, doch wird es blühn;</l><lb/> <l>O trag’ es immerdar!“</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und als das Mägdlein größer ward,</l><lb/> <l>Und ſich erging im Mondenglanz,</l><lb/> <l>Und Thränen weinte, ſüß und zart:</l><lb/> <l>Da knoſpete der Kranz.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und als ihr holder Bräutigam</l><lb/> <l>Sie innig in die Arme ſchloß:</l><lb/> <l>Da wanden Blümlein wonneſam</l><lb/> <l>Sich aus den Knoſpen los.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie wiegte bald ein ſüßes Kind</l><lb/> <l>Auf ihrem Schooße mütterlich:</l><lb/> <l>Da zeigten an dem Laubgewind</l><lb/> <l>Viel goldne Früchte ſich.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0164]
Der Kranz.
Es pflückte Blümlein manigfalt
Ein Mägdlein auf der lichten Au;
Da kam wohl aus dem grünen Wald
Eine wunderſchöne Frau.
Sie trat zum Mägdlein freundlich hin,
Sie ſchlang ein Kränzlein ihm in’s Haar:
„Noch blüht es nicht, doch wird es blühn;
O trag’ es immerdar!“
Und als das Mägdlein größer ward,
Und ſich erging im Mondenglanz,
Und Thränen weinte, ſüß und zart:
Da knoſpete der Kranz.
Und als ihr holder Bräutigam
Sie innig in die Arme ſchloß:
Da wanden Blümlein wonneſam
Sich aus den Knoſpen los.
Sie wiegte bald ein ſüßes Kind
Auf ihrem Schooße mütterlich:
Da zeigten an dem Laubgewind
Viel goldne Früchte ſich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |