Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Hir Schmertzen stillet, aufgeschrunde-ne Hände heilet, und ein gutes Mittel ist, wenn man sich wund gelegen oder geritten hat. Man machet auch ein Oel davon, wel- ches starck erweichet, lindert, und das Podagra besänfftiget. Der Sprung oder das Beinlein aus den Hinter-Läufften, welches an dem Hirschen eben das, was bey dem Hasen der Hasen-Sprung ist, wird wider die rothe Ruhr und Colic sehr gerühmet. De- nen Kugeln oder Steinen, die man zuweilen in dem Hertzen, Magen und Gedärmen der Hirschen fin- det, schreibet man insgemein glei- che Kräffte, wie dem Bezoar zu. Von dem sogenannten Hirsch- Creutz und Hirsch-Thränen siehe weiter unten. Alle diese Stücke sind am besten, wenn sie zu An- fang des Herbst-Monats um Egi- dii, oder wie man insgemein zu reden pfleget, zwischen zweyen Frauen-Tagen, nemlich zwischen dem funffzehenden Augusti, und achten September, gesammlet werden. V. Cerf. Hirsch-Brunst, Hirsch- Brunft, Heisset die Zeit, darinne der Hir Zäumen einen schwartzen Fleck,(welcher ie länger ie grösser, und der Brand genennet wird) und vom Schreyen einen starcken Hals, wie einen Kropff, und lange Spieß-Haare daran. Währen- der Brunst-Zeit soll er anders nichts, als Pültze und rothe Schwämme geniessen: Vor Hi- tze, sonderlich da Mastung ist, kühlen sich sowol die Hirsche als das Wild in Prudel und Morast, daß sie über den gantzen Leib schwartz voller Koth aussehen. Wenn der Hirsch in voller Brunst stehet, und recht grimmig ist, so weicht er vor nichts aus, sondern thut öffters sowol Menschen als Vieh Schaden. Ein solcher Brunst-Hirsch gehet allezeit hin- ter dem Wild her, und so er einen andern schreyen höret, antwortet er hefftiger, seinen Widerpart da- mit abzuschrecken. Kommt nun ein anderer, der noch kein Wild hat, und dieser siehet ihn, so gehet er auf ihn los, und jener reisset aus; wo er aber sich zu wehren getrauet, und Stand hält, denn fahren sie vor Grimm plötzlich mit dem Gehörne zusammen, daß man es auf eine Viertel-Stunde weit, ja bey stillem Wetter noch weiter klappen höret, und käm- pfen mit grosser Geschwindigkeit. Offt verwirren und verbeugen sie die Gehörne in einander so feste, daß sie nicht wieder von einander zu bringen sind, und öffters bey- de Hirsche auf dem Platze bleiben müssen, wenigstens wird man- cher krumm und lahm und zu schau den gestossen, wo er das Gelack nicht gar mit der Haut bezahlen muß. Wo ein grosser Trupp von vielem Wild ist, und etliche Hir- sche darzu kommen, so jagen sie sich
[Spaltenumbruch] Hir Schmertzen ſtillet, aufgeſchrunde-ne Haͤnde heilet, und ein gutes Mittel iſt, wenn man ſich wund gelegen oder geritten hat. Man machet auch ein Oel davon, wel- ches ſtarck erweichet, lindert, und das Podagra beſaͤnfftiget. Der Sprung oder das Beinlein aus den Hinter-Laͤufften, welches an dem Hirſchen eben das, was bey dem Haſen der Haſen-Sprung iſt, wird wider die rothe Ruhr und Colic ſehr geruͤhmet. De- nen Kugeln oder Steinen, die man zuweilen in dem Hertzen, Magen und Gedaͤrmen der Hirſchen fin- det, ſchreibet man insgemein glei- che Kraͤffte, wie dem Bezoar zu. Von dem ſogenannten Hirſch- Creutz und Hirſch-Thraͤnen ſiehe weiter unten. Alle dieſe Stuͤcke ſind am beſten, wenn ſie zu An- fang des Herbſt-Monats um Egi- dii, oder wie man insgemein zu reden pfleget, zwiſchen zweyen Frauen-Tagen, nemlich zwiſchen dem funffzehenden Auguſti, und achten September, geſammlet werden. V. Cerf. Hirſch-Brunſt, Hirſch- Brunft, Heiſſet die Zeit, darinne der Hir Zaͤumen einen ſchwartzen Fleck,(welcher ie laͤnger ie groͤſſer, und der Brand genennet wird) und vom Schreyen einen ſtarcken Hals, wie einen Kropff, und lange Spieß-Haare daran. Waͤhren- der Brunſt-Zeit ſoll er anders nichts, als Puͤltze und rothe Schwaͤmme genieſſen: Vor Hi- tze, ſonderlich da Maſtung iſt, kuͤhlen ſich ſowol die Hirſche als das Wild in Prudel und Moraſt, daß ſie uͤber den gantzen Leib ſchwartz voller Koth ausſehen. Wenn der Hirſch in voller Brunſt ſtehet, und recht grimmig iſt, ſo weicht er vor nichts aus, ſondern thut oͤffters ſowol Menſchen als Vieh Schaden. Ein ſolcher Brunſt-Hirſch gehet allezeit hin- ter dem Wild her, und ſo er einen andern ſchreyen hoͤret, antwortet er hefftiger, ſeinen Widerpart da- mit abzuſchrecken. Kommt nun ein anderer, der noch kein Wild hat, und dieſer ſiehet ihn, ſo gehet er auf ihn los, und jener reiſſet aus; wo er aber ſich zu wehren getrauet, und Stand haͤlt, denn fahren ſie vor Grimm ploͤtzlich mit dem Gehoͤrne zuſammen, daß man es auf eine Viertel-Stunde weit, ja bey ſtillem Wetter noch weiter klappen hoͤret, und kaͤm- pfen mit groſſer Geſchwindigkeit. Offt verwirren und verbeugen ſie die Gehoͤrne in einander ſo feſte, daß ſie nicht wieder von einander zu bringen ſind, und oͤffters bey- de Hirſche auf dem Platze bleiben muͤſſen, wenigſtens wird man- cher krumm und lahm und zu ſchau den geſtoſſen, wo er das Gelack nicht gar mit der Haut bezahlen muß. Wo ein groſſer Trupp von vielem Wild iſt, und etliche Hir- ſche darzu kommen, ſo jagen ſie ſich
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Hir
Schmertzen ſtillet, aufgeſchrunde-
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gelegen oder geritten hat. Man
machet auch ein Oel davon, wel-
ches ſtarck erweichet, lindert, und
das Podagra beſaͤnfftiget. Der
Sprung oder das Beinlein aus
den Hinter-Laͤufften, welches an
dem Hirſchen eben das, was bey
dem Haſen der Haſen-Sprung
iſt, wird wider die rothe Ruhr
und Colic ſehr geruͤhmet. De-
nen Kugeln oder Steinen, die man
zuweilen in dem Hertzen, Magen
und Gedaͤrmen der Hirſchen fin-
det, ſchreibet man insgemein glei-
che Kraͤffte, wie dem Bezoar zu.
Von dem ſogenannten Hirſch-
Creutz und Hirſch-Thraͤnen ſiehe
weiter unten. Alle dieſe Stuͤcke
ſind am beſten, wenn ſie zu An-
fang des Herbſt-Monats um Egi-
dii, oder wie man insgemein zu
reden pfleget, zwiſchen zweyen
Frauen-Tagen, nemlich zwiſchen
dem funffzehenden Auguſti, und
achten September, geſammlet
werden. V. Cerf.
Hirſch-Brunſt, Hirſch-
Brunft,
Heiſſet die Zeit, darinne der
Hirſch in die Brunſt tritt. Sol-
ches geſchiehet um Egidii nach der
alten Zeit, und waͤhret bis zu Ende
des Octobers. Zu dieſer Zeit ge-
hen die Hirſche von einander, da
ſie ſich vorher haͤuffig zuſammen
hielten, werden begierig und ſu-
chen das Wild, und ſpuͤren ih-
nen fleißig nach. Was nun ein
Hirſch fuͤr Wild antrifft, dabey
bleibet er, bis ein ſtaͤrckerer uͤber
ihn kommt, der ihn wiederum
davon abtreibet. Vor Hitze der
Brunſt bekommt er unter dem
Zaͤumen einen ſchwartzen Fleck,
(welcher ie laͤnger ie groͤſſer, und
der Brand genennet wird) und
vom Schreyen einen ſtarcken Hals,
wie einen Kropff, und lange
Spieß-Haare daran. Waͤhren-
der Brunſt-Zeit ſoll er anders
nichts, als Puͤltze und rothe
Schwaͤmme genieſſen: Vor Hi-
tze, ſonderlich da Maſtung iſt,
kuͤhlen ſich ſowol die Hirſche als
das Wild in Prudel und Moraſt,
daß ſie uͤber den gantzen Leib
ſchwartz voller Koth ausſehen.
Wenn der Hirſch in voller Brunſt
ſtehet, und recht grimmig iſt, ſo
weicht er vor nichts aus, ſondern
thut oͤffters ſowol Menſchen als
Vieh Schaden. Ein ſolcher
Brunſt-Hirſch gehet allezeit hin-
ter dem Wild her, und ſo er einen
andern ſchreyen hoͤret, antwortet
er hefftiger, ſeinen Widerpart da-
mit abzuſchrecken. Kommt nun
ein anderer, der noch kein Wild
hat, und dieſer ſiehet ihn, ſo gehet
er auf ihn los, und jener reiſſet
aus; wo er aber ſich zu wehren
getrauet, und Stand haͤlt, denn
fahren ſie vor Grimm ploͤtzlich
mit dem Gehoͤrne zuſammen, daß
man es auf eine Viertel-Stunde
weit, ja bey ſtillem Wetter noch
weiter klappen hoͤret, und kaͤm-
pfen mit groſſer Geſchwindigkeit.
Offt verwirren und verbeugen ſie
die Gehoͤrne in einander ſo feſte,
daß ſie nicht wieder von einander
zu bringen ſind, und oͤffters bey-
de Hirſche auf dem Platze bleiben
muͤſſen, wenigſtens wird man-
cher krumm und lahm und zu ſchau
den geſtoſſen, wo er das Gelack
nicht gar mit der Haut bezahlen
muß. Wo ein groſſer Trupp von
vielem Wild iſt, und etliche Hir-
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