Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Com juncta compellatio. Weil desTantzens wahrer Endzweck die äusserliche Sitten-Lehre und ge- fällig-machende Aufführung ist; so muß sie allerdings zu einer mode- sten Positur und Stellung des gan- tzen Leibes, sittsamen Gestalt des Gesichtes, höflichen und artigen Ge- berden und einer bescheidenen Klei- der-Tracht anführen; die zierli- chen Worte überlässet sie der Re- dekunst. Wer nun hierinnen Maaß zu halten weiß, und weder im Ex- ceß noch Defect pecciret, von dem sagt man, er wisse geschickt zu complimentiren. Allzuviele Ce- remonien hingegen und überflüßi- ge Höflichkeiten sind mehr Unhöf- lichkeiten. Von diesen sagte jener nicht unrecht: Complimentiren hiesse so viel als complete menti- ri, oder vollkommen lügen. Es wird aber sodenn dieses Wort in bösem Verstande gebraucht. Ei- ne besondere Bedeutung ist es, wenn man das Wort Compliment für eine Reverence gebraucht, da- von am gehörigen Orte. Componaster, Ein ungeschickter unverständi- Componere, Jn der Music, zusammen setzen, Componist, Compositore armonico, Com- Com Natur und Eigenschafften derMetric soll er fleißig untersuchen; die Hypocritie und Geberde-Kunst sich bekandt machen; die Accente der Rede und des Klanges an ge- hörigem Orte anzubringen und ge- bührend auszudrücken wissen; wie die menschliche Stimme zu bessern und zu erhalten, auch was ieder seiner Sänger, für welche er etwas setzet, prästiren könne, wohl inne haben; die Jnstrumente, deren Sprengel und die Fertigkeit derer, welche solche spielen, sich derge- stalt bekandt gemacht haben, daß er einem ieden nach seinem Ver- mögen was zu thun geben könne; in den Schreib-Arten soll er so weit bewandert seyn, daß er solche nicht vermische, sondern iede ge- hörigen Orts brauche; wenn er für Jnstrumente setzet, soll er mehr auf die Melodie und Har- monie sehen, als wenn es für Sänger geschiehet; in allem, was er setzet, soll er sich einen Haupt- Affect, welcher sich zu der vorha- benden Materie und Absicht schi- cket, vorsetzen. Man sehe auch oben, was unter dem Titel: Ca- pellmeister, gesagt worden. Composition, Die musicalische, ist eine Wis- Com-
[Spaltenumbruch] Com juncta compellatio. Weil desTantzens wahrer Endzweck die aͤuſſerliche Sitten-Lehre und ge- faͤllig-machende Auffuͤhrung iſt; ſo muß ſie allerdings zu einer mode- ſten Poſitur und Stellung des gan- tzen Leibes, ſittſamen Geſtalt des Geſichtes, hoͤflichen und artigen Ge- berden und einer beſcheidenen Klei- der-Tracht anfuͤhren; die zierli- chen Worte uͤberlaͤſſet ſie der Re- dekunſt. Wer nun hierinnen Maaß zu halten weiß, und weder im Ex- ceß noch Defect pecciret, von dem ſagt man, er wiſſe geſchickt zu complimentiren. Allzuviele Ce- remonien hingegen und uͤberfluͤßi- ge Hoͤflichkeiten ſind mehr Unhoͤf- lichkeiten. Von dieſen ſagte jener nicht unrecht: Complimentiren hieſſe ſo viel als complete menti- ri, oder vollkommen luͤgen. Es wird aber ſodenn dieſes Wort in boͤſem Verſtande gebraucht. Ei- ne beſondere Bedeutung iſt es, wenn man das Wort Compliment fuͤr eine Reverence gebraucht, da- von am gehoͤrigen Orte. Componaſter, Ein ungeſchickter unverſtaͤndi- Componere, Jn der Muſic, zuſammen ſetzen, Componiſt, Compoſitore armonico, Com- Com Natur und Eigenſchafften derMetric ſoll er fleißig unterſuchen; die Hypocritie und Geberde-Kunſt ſich bekandt machen; die Accente der Rede und des Klanges an ge- hoͤrigem Orte anzubringen und ge- buͤhrend auszudruͤcken wiſſen; wie die menſchliche Stimme zu beſſern und zu erhalten, auch was ieder ſeiner Saͤnger, fuͤr welche er etwas ſetzet, praͤſtiren koͤnne, wohl inne haben; die Jnſtrumente, deren Sprengel und die Fertigkeit derer, welche ſolche ſpielen, ſich derge- ſtalt bekandt gemacht haben, daß er einem ieden nach ſeinem Ver- moͤgen was zu thun geben koͤnne; in den Schreib-Arten ſoll er ſo weit bewandert ſeyn, daß er ſolche nicht vermiſche, ſondern iede ge- hoͤrigen Orts brauche; wenn er fuͤr Jnſtrumente ſetzet, ſoll er mehr auf die Melodie und Har- monie ſehen, als wenn es fuͤr Saͤnger geſchiehet; in allem, was er ſetzet, ſoll er ſich einen Haupt- Affect, welcher ſich zu der vorha- benden Materie und Abſicht ſchi- cket, vorſetzen. Man ſehe auch oben, was unter dem Titel: Ca- pellmeiſter, geſagt worden. Compoſition, Die muſicaliſche, iſt eine Wiſ- Com-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216"/><cb n="391"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Com</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">juncta compellatio.</hi> Weil des<lb/> Tantzens wahrer Endzweck die<lb/> aͤuſſerliche Sitten-Lehre und ge-<lb/> faͤllig-machende Auffuͤhrung iſt;<lb/> ſo muß ſie allerdings zu einer mode-<lb/> ſten Poſitur und Stellung des gan-<lb/> tzen Leibes, ſittſamen Geſtalt des<lb/> Geſichtes, hoͤflichen und artigen Ge-<lb/> berden und einer beſcheidenen Klei-<lb/> der-Tracht anfuͤhren; die zierli-<lb/> chen Worte uͤberlaͤſſet ſie der Re-<lb/> dekunſt. Wer nun hierinnen Maaß<lb/> zu halten weiß, und weder im Ex-<lb/> ceß noch Defect pecciret, von dem<lb/> ſagt man, er wiſſe geſchickt zu<lb/> complimentiren. Allzuviele Ce-<lb/> remonien hingegen und uͤberfluͤßi-<lb/> ge Hoͤflichkeiten ſind mehr Unhoͤf-<lb/> lichkeiten. Von dieſen ſagte jener<lb/> nicht unrecht: Complimentiren<lb/> hieſſe ſo viel als <hi rendition="#aq">complete menti-<lb/> ri,</hi> oder vollkommen luͤgen. Es<lb/> wird aber ſodenn dieſes Wort in<lb/> boͤſem Verſtande gebraucht. Ei-<lb/> ne beſondere Bedeutung iſt es,<lb/> wenn man das Wort Compliment<lb/> fuͤr eine Reverence gebraucht, da-<lb/> von am gehoͤrigen Orte.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Componaſter,</hi> </hi> </head><lb/> <p>Ein ungeſchickter unverſtaͤndi-<lb/> ger Componiſt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Componere,</hi> </hi> </head><lb/> <p>Jn der Muſic, zuſammen ſetzen,<lb/> in Noten bringen, nemlich aller-<lb/> hand Melodien erfinden, und Har-<lb/> monien aufſetzen, oder zu Papier<lb/> bringen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Componiſt,</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">Compoſitore armonico, Com-<lb/> poniſta</hi> Jtalieniſch, und <hi rendition="#aq">Compo-<lb/> ſiteur</hi> Frantzoͤſiſch, iſt derjenige,<lb/> welcher eine Muſic verfertiget. Zu<lb/> ſeiner Kunſt gehoͤret die Tempera-<lb/> tur und die mathematiſchen Huͤlfs-<lb/> Mittel in der Harmonic. Die<lb/><cb n="392"/> <fw type="header" place="top"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Com</hi></hi></fw><lb/> Natur und Eigenſchafften der<lb/> Metric ſoll er fleißig unterſuchen;<lb/> die Hypocritie und Geberde-Kunſt<lb/> ſich bekandt machen; die Accente<lb/> der Rede und des Klanges an ge-<lb/> hoͤrigem Orte anzubringen und ge-<lb/> buͤhrend auszudruͤcken wiſſen; wie<lb/> die menſchliche Stimme zu beſſern<lb/> und zu erhalten, auch was ieder<lb/> ſeiner Saͤnger, fuͤr welche er etwas<lb/> ſetzet, praͤſtiren koͤnne, wohl inne<lb/> haben; die Jnſtrumente, deren<lb/> Sprengel und die Fertigkeit derer,<lb/> welche ſolche ſpielen, ſich derge-<lb/> ſtalt bekandt gemacht haben, daß<lb/> er einem ieden nach ſeinem Ver-<lb/> moͤgen was zu thun geben koͤnne;<lb/> in den Schreib-Arten ſoll er ſo<lb/> weit bewandert ſeyn, daß er ſolche<lb/> nicht vermiſche, ſondern iede ge-<lb/> hoͤrigen Orts brauche; wenn er<lb/> fuͤr Jnſtrumente ſetzet, ſoll er<lb/> mehr auf die Melodie und Har-<lb/> monie ſehen, als wenn es fuͤr<lb/> Saͤnger geſchiehet; in allem, was<lb/> er ſetzet, ſoll er ſich einen Haupt-<lb/> Affect, welcher ſich zu der vorha-<lb/> benden Materie und Abſicht ſchi-<lb/> cket, vorſetzen. Man ſehe auch<lb/> oben, was unter dem Titel: Ca-<lb/> pellmeiſter, geſagt worden.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Compoſition,</hi> </hi> </head><lb/> <p>Die muſicaliſche, iſt eine Wiſ-<lb/> ſenſchafft und Kunſt, vermittelſt<lb/> deren man die geſchickteſten und<lb/> annehmlichſten Klaͤnge kluͤglich zu<lb/> ſtellen, an einander zu fuͤgen, und<lb/> ſowol Saͤngern als Spielern zur<lb/> Ausuͤbung und Vollziehung deut-<lb/> lich vorzuſchreiben lehret, damit<lb/> eine ſolche Muſic dem Sinne des<lb/> Gehoͤrs, das in der Seele woh-<lb/> net, durch die Werckzeuge der<lb/> Ohren gefalle, und das Hertz<lb/> oder Gemuͤth tuͤchtig bewege oder<lb/> ruͤhre.</p><lb/> <fw type="catch" place="bottom"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Com-</hi> </hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Com
Com
juncta compellatio. Weil des
Tantzens wahrer Endzweck die
aͤuſſerliche Sitten-Lehre und ge-
faͤllig-machende Auffuͤhrung iſt;
ſo muß ſie allerdings zu einer mode-
ſten Poſitur und Stellung des gan-
tzen Leibes, ſittſamen Geſtalt des
Geſichtes, hoͤflichen und artigen Ge-
berden und einer beſcheidenen Klei-
der-Tracht anfuͤhren; die zierli-
chen Worte uͤberlaͤſſet ſie der Re-
dekunſt. Wer nun hierinnen Maaß
zu halten weiß, und weder im Ex-
ceß noch Defect pecciret, von dem
ſagt man, er wiſſe geſchickt zu
complimentiren. Allzuviele Ce-
remonien hingegen und uͤberfluͤßi-
ge Hoͤflichkeiten ſind mehr Unhoͤf-
lichkeiten. Von dieſen ſagte jener
nicht unrecht: Complimentiren
hieſſe ſo viel als complete menti-
ri, oder vollkommen luͤgen. Es
wird aber ſodenn dieſes Wort in
boͤſem Verſtande gebraucht. Ei-
ne beſondere Bedeutung iſt es,
wenn man das Wort Compliment
fuͤr eine Reverence gebraucht, da-
von am gehoͤrigen Orte.
Componaſter,
Ein ungeſchickter unverſtaͤndi-
ger Componiſt.
Componere,
Jn der Muſic, zuſammen ſetzen,
in Noten bringen, nemlich aller-
hand Melodien erfinden, und Har-
monien aufſetzen, oder zu Papier
bringen.
Componiſt,
Compoſitore armonico, Com-
poniſta Jtalieniſch, und Compo-
ſiteur Frantzoͤſiſch, iſt derjenige,
welcher eine Muſic verfertiget. Zu
ſeiner Kunſt gehoͤret die Tempera-
tur und die mathematiſchen Huͤlfs-
Mittel in der Harmonic. Die
Natur und Eigenſchafften der
Metric ſoll er fleißig unterſuchen;
die Hypocritie und Geberde-Kunſt
ſich bekandt machen; die Accente
der Rede und des Klanges an ge-
hoͤrigem Orte anzubringen und ge-
buͤhrend auszudruͤcken wiſſen; wie
die menſchliche Stimme zu beſſern
und zu erhalten, auch was ieder
ſeiner Saͤnger, fuͤr welche er etwas
ſetzet, praͤſtiren koͤnne, wohl inne
haben; die Jnſtrumente, deren
Sprengel und die Fertigkeit derer,
welche ſolche ſpielen, ſich derge-
ſtalt bekandt gemacht haben, daß
er einem ieden nach ſeinem Ver-
moͤgen was zu thun geben koͤnne;
in den Schreib-Arten ſoll er ſo
weit bewandert ſeyn, daß er ſolche
nicht vermiſche, ſondern iede ge-
hoͤrigen Orts brauche; wenn er
fuͤr Jnſtrumente ſetzet, ſoll er
mehr auf die Melodie und Har-
monie ſehen, als wenn es fuͤr
Saͤnger geſchiehet; in allem, was
er ſetzet, ſoll er ſich einen Haupt-
Affect, welcher ſich zu der vorha-
benden Materie und Abſicht ſchi-
cket, vorſetzen. Man ſehe auch
oben, was unter dem Titel: Ca-
pellmeiſter, geſagt worden.
Compoſition,
Die muſicaliſche, iſt eine Wiſ-
ſenſchafft und Kunſt, vermittelſt
deren man die geſchickteſten und
annehmlichſten Klaͤnge kluͤglich zu
ſtellen, an einander zu fuͤgen, und
ſowol Saͤngern als Spielern zur
Ausuͤbung und Vollziehung deut-
lich vorzuſchreiben lehret, damit
eine ſolche Muſic dem Sinne des
Gehoͤrs, das in der Seele woh-
net, durch die Werckzeuge der
Ohren gefalle, und das Hertz
oder Gemuͤth tuͤchtig bewege oder
ruͤhre.
Com-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/216 |
Zitationshilfe: | Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/216>, abgerufen am 03.03.2025. |