Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.IV. 7. Das Junge Deutschland. stiegen! Börne und Heine, Eduard Gans und die Rahel gaben den Tonan im Jungen Deutschland, dazu als Fünfter etwa noch Dr. Zacharias Löwenthal, der betriebsame Verleger in Mannheim. Das Weltbürger- thum und der Christenhaß, der ätzende Hohn und die Sprachverderbniß, die Gleichgiltigkeit gegen die Größe der vaterländischen Geschichte -- Alles war jüdisch in dieser Bewegung, obgleich das Junge Deutschland niemals eine geschlossene Schule bildete, Börne mit der Mehrzahl seiner deutschen Nachahmer nicht einmal brieflich verkehrte und Gutzkow die Juden zum Mindesten nicht liebte. Wohl war die Zahl der orientalischen Chorführer nicht groß, aber der Jude besitzt bekanntlich die räthselhafte Gabe sich zu vervielfältigen; wer in einer engen Gasse zwanzig Juden vor den Thüren stehen sieht, schwört darauf, es müßten ihrer hundert sein. Da jene Fünf zudem ihre germanische Gefolgschaft wirklich überragten, so erlangte der jüdische Geist für kurze Zeit einen Einfluß auf die deutsche Literatur, wie seitdem niemals wieder. Wohl hat sich die Zahl der jüdischen Schrift- steller mittlerweile stark vermehrt, aber sie gewinnen nur dann noch die Achtung der Nation, wenn sie ganz zu Deutschen geworden sind; der Ruhm eines Heine war nur möglich in einem Geschlechte, das über seinen fremdbrüderlichen Träumen den uralten Gegensatz arischer und semitischer Empfindung leichtsinnig vergessen hatte. Zu schaffen vermochte dieser halb- jüdische Radicalismus nichts, jedoch er half die Grundfesten von Staat, Kirche, Gesellschaft aufzulockern, den Umsturz des Jahres 1848 vorzube- reiten; deshalb allein gebührt ihm eine Stelle in der Geschichte. Wie heillos alle sittlichen Begriffe in diesen jungdeutschen Kreisen sich *) S. o. IV. 310.
IV. 7. Das Junge Deutſchland. ſtiegen! Börne und Heine, Eduard Gans und die Rahel gaben den Tonan im Jungen Deutſchland, dazu als Fünfter etwa noch Dr. Zacharias Löwenthal, der betriebſame Verleger in Mannheim. Das Weltbürger- thum und der Chriſtenhaß, der ätzende Hohn und die Sprachverderbniß, die Gleichgiltigkeit gegen die Größe der vaterländiſchen Geſchichte — Alles war jüdiſch in dieſer Bewegung, obgleich das Junge Deutſchland niemals eine geſchloſſene Schule bildete, Börne mit der Mehrzahl ſeiner deutſchen Nachahmer nicht einmal brieflich verkehrte und Gutzkow die Juden zum Mindeſten nicht liebte. Wohl war die Zahl der orientaliſchen Chorführer nicht groß, aber der Jude beſitzt bekanntlich die räthſelhafte Gabe ſich zu vervielfältigen; wer in einer engen Gaſſe zwanzig Juden vor den Thüren ſtehen ſieht, ſchwört darauf, es müßten ihrer hundert ſein. Da jene Fünf zudem ihre germaniſche Gefolgſchaft wirklich überragten, ſo erlangte der jüdiſche Geiſt für kurze Zeit einen Einfluß auf die deutſche Literatur, wie ſeitdem niemals wieder. Wohl hat ſich die Zahl der jüdiſchen Schrift- ſteller mittlerweile ſtark vermehrt, aber ſie gewinnen nur dann noch die Achtung der Nation, wenn ſie ganz zu Deutſchen geworden ſind; der Ruhm eines Heine war nur möglich in einem Geſchlechte, das über ſeinen fremdbrüderlichen Träumen den uralten Gegenſatz ariſcher und ſemitiſcher Empfindung leichtſinnig vergeſſen hatte. Zu ſchaffen vermochte dieſer halb- jüdiſche Radicalismus nichts, jedoch er half die Grundfeſten von Staat, Kirche, Geſellſchaft aufzulockern, den Umſturz des Jahres 1848 vorzube- reiten; deshalb allein gebührt ihm eine Stelle in der Geſchichte. Wie heillos alle ſittlichen Begriffe in dieſen jungdeutſchen Kreiſen ſich *) S. o. IV. 310.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0448" n="434"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi> 7. Das Junge Deutſchland.</fw><lb/> ſtiegen! Börne und Heine, Eduard Gans und die Rahel gaben den Ton<lb/> an im Jungen Deutſchland, dazu als Fünfter etwa noch <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Zacharias<lb/> Löwenthal, der betriebſame Verleger in Mannheim. Das Weltbürger-<lb/> thum und der Chriſtenhaß, der ätzende Hohn und die Sprachverderbniß,<lb/> die Gleichgiltigkeit gegen die Größe der vaterländiſchen Geſchichte — Alles<lb/> war jüdiſch in dieſer Bewegung, obgleich das Junge Deutſchland niemals<lb/> eine geſchloſſene Schule bildete, Börne mit der Mehrzahl ſeiner deutſchen<lb/> Nachahmer nicht einmal brieflich verkehrte und Gutzkow die Juden zum<lb/> Mindeſten nicht liebte. Wohl war die Zahl der orientaliſchen Chorführer<lb/> nicht groß, aber der Jude beſitzt bekanntlich die räthſelhafte Gabe ſich zu<lb/> vervielfältigen; wer in einer engen Gaſſe zwanzig Juden vor den Thüren<lb/> ſtehen ſieht, ſchwört darauf, es müßten ihrer hundert ſein. Da jene Fünf<lb/> zudem ihre germaniſche Gefolgſchaft wirklich überragten, ſo erlangte der<lb/> jüdiſche Geiſt für kurze Zeit einen Einfluß auf die deutſche Literatur, wie<lb/> ſeitdem niemals wieder. Wohl hat ſich die Zahl der jüdiſchen Schrift-<lb/> ſteller mittlerweile ſtark vermehrt, aber ſie gewinnen nur dann noch die<lb/> Achtung der Nation, wenn ſie ganz zu Deutſchen geworden ſind; der<lb/> Ruhm eines Heine war nur möglich in einem Geſchlechte, das über ſeinen<lb/> fremdbrüderlichen Träumen den uralten Gegenſatz ariſcher und ſemitiſcher<lb/> Empfindung leichtſinnig vergeſſen hatte. Zu ſchaffen vermochte dieſer halb-<lb/> jüdiſche Radicalismus nichts, jedoch er half die Grundfeſten von Staat,<lb/> Kirche, Geſellſchaft aufzulockern, den Umſturz des Jahres 1848 vorzube-<lb/> reiten; deshalb allein gebührt ihm eine Stelle in der Geſchichte.</p><lb/> <p>Wie heillos alle ſittlichen Begriffe in dieſen jungdeutſchen Kreiſen ſich<lb/> verwirrt hatten, das bekundete mit cyniſcher Frechheit Georg Büchner’s<lb/> Drama: Danton’s Tod. Während die Polizei ihm ſchon auf den Hacken<lb/> ſaß wegen ſeiner oberheſſiſchen Umtriebe<note place="foot" n="*)">S. o. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 310.</note>, vertiefte ſich der junge Poet<lb/> mit fieberiſchem Eifer in die Zeitungen der Revolutionsjahre und ſchilderte<lb/> dann in locker an einander gereihten dramatiſchen Scenen, getreu wie ein<lb/> Chroniſt, das Treiben der Blutmenſchen des Conventes Zug für Zug nach<lb/> dem Leben — dies wiederauferſtandene unverfälſchte Keltenthum der<lb/> Druidenzeiten mit ſeiner Blutleckerei, ſeiner Wolluſt, ſeinem finſteren<lb/> Wahne und dem widrigen Zuſatz moderner Blaſirtheit. So erſchreckend<lb/> wahr vermochte unter allen Zeitgenoſſen nur noch Carlyle die Greuel<lb/> jener Tage darzuſtellen; aber während der Schotte ſeinen ſittlichen Ekel<lb/> leidenſchaftlich ausſprach, wähnte der Deutſche alles Ernſtes, die Revolu-<lb/> tion zu verherrlichen durch ein Werk, das doch nur Abſcheu erwecken<lb/> konnte. Wer mag ſagen, ob dieſer begabteſte aller jungdeutſchen Poeten<lb/> ſeinem troſtloſen Materialismus vielleicht noch hätte entwachſen können?<lb/> Büchner ſehnte ſich nach künſtleriſcher Wahrheit, er haßte die Phraſe, ſelbſt<lb/> das Pathos der Schiller’ſchen Dichtung widerſtand ihm, nur die naive<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [434/0448]
IV. 7. Das Junge Deutſchland.
ſtiegen! Börne und Heine, Eduard Gans und die Rahel gaben den Ton
an im Jungen Deutſchland, dazu als Fünfter etwa noch Dr. Zacharias
Löwenthal, der betriebſame Verleger in Mannheim. Das Weltbürger-
thum und der Chriſtenhaß, der ätzende Hohn und die Sprachverderbniß,
die Gleichgiltigkeit gegen die Größe der vaterländiſchen Geſchichte — Alles
war jüdiſch in dieſer Bewegung, obgleich das Junge Deutſchland niemals
eine geſchloſſene Schule bildete, Börne mit der Mehrzahl ſeiner deutſchen
Nachahmer nicht einmal brieflich verkehrte und Gutzkow die Juden zum
Mindeſten nicht liebte. Wohl war die Zahl der orientaliſchen Chorführer
nicht groß, aber der Jude beſitzt bekanntlich die räthſelhafte Gabe ſich zu
vervielfältigen; wer in einer engen Gaſſe zwanzig Juden vor den Thüren
ſtehen ſieht, ſchwört darauf, es müßten ihrer hundert ſein. Da jene Fünf
zudem ihre germaniſche Gefolgſchaft wirklich überragten, ſo erlangte der
jüdiſche Geiſt für kurze Zeit einen Einfluß auf die deutſche Literatur, wie
ſeitdem niemals wieder. Wohl hat ſich die Zahl der jüdiſchen Schrift-
ſteller mittlerweile ſtark vermehrt, aber ſie gewinnen nur dann noch die
Achtung der Nation, wenn ſie ganz zu Deutſchen geworden ſind; der
Ruhm eines Heine war nur möglich in einem Geſchlechte, das über ſeinen
fremdbrüderlichen Träumen den uralten Gegenſatz ariſcher und ſemitiſcher
Empfindung leichtſinnig vergeſſen hatte. Zu ſchaffen vermochte dieſer halb-
jüdiſche Radicalismus nichts, jedoch er half die Grundfeſten von Staat,
Kirche, Geſellſchaft aufzulockern, den Umſturz des Jahres 1848 vorzube-
reiten; deshalb allein gebührt ihm eine Stelle in der Geſchichte.
Wie heillos alle ſittlichen Begriffe in dieſen jungdeutſchen Kreiſen ſich
verwirrt hatten, das bekundete mit cyniſcher Frechheit Georg Büchner’s
Drama: Danton’s Tod. Während die Polizei ihm ſchon auf den Hacken
ſaß wegen ſeiner oberheſſiſchen Umtriebe *), vertiefte ſich der junge Poet
mit fieberiſchem Eifer in die Zeitungen der Revolutionsjahre und ſchilderte
dann in locker an einander gereihten dramatiſchen Scenen, getreu wie ein
Chroniſt, das Treiben der Blutmenſchen des Conventes Zug für Zug nach
dem Leben — dies wiederauferſtandene unverfälſchte Keltenthum der
Druidenzeiten mit ſeiner Blutleckerei, ſeiner Wolluſt, ſeinem finſteren
Wahne und dem widrigen Zuſatz moderner Blaſirtheit. So erſchreckend
wahr vermochte unter allen Zeitgenoſſen nur noch Carlyle die Greuel
jener Tage darzuſtellen; aber während der Schotte ſeinen ſittlichen Ekel
leidenſchaftlich ausſprach, wähnte der Deutſche alles Ernſtes, die Revolu-
tion zu verherrlichen durch ein Werk, das doch nur Abſcheu erwecken
konnte. Wer mag ſagen, ob dieſer begabteſte aller jungdeutſchen Poeten
ſeinem troſtloſen Materialismus vielleicht noch hätte entwachſen können?
Büchner ſehnte ſich nach künſtleriſcher Wahrheit, er haßte die Phraſe, ſelbſt
das Pathos der Schiller’ſchen Dichtung widerſtand ihm, nur die naive
*) S. o. IV. 310.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |