Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
DIE JUNGE MAGD

Ludwig von Ficker zugeeignet

1.
Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und niedergehen.
In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.
Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
Sich zu ihren Füßen nieder.
2.
Stille schafft sie in der Kammer
Und der Hof liegt längst verödet.
Im Hollunder vor der Kammer
Kläglich eine Amsel flötet.
Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
Fremd sie an im Zwielichtscheine
Und verdämmert fahl im Spiegel
Und ihr graut vor seiner Reine.
Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
Röte träufelt durch das Dunkel.
Jäh am Tor der Südwind rüttelt.
DIE JUNGE MAGD

Ludwig von Ficker zugeeignet

1.
Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und niedergehen.
In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.
Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
Sich zu ihren Füßen nieder.
2.
Stille schafft sie in der Kammer
Und der Hof liegt längst verödet.
Im Hollunder vor der Kammer
Kläglich eine Amsel flötet.
Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
Fremd sie an im Zwielichtscheine
Und verdämmert fahl im Spiegel
Und ihr graut vor seiner Reine.
Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
Röte träufelt durch das Dunkel.
Jäh am Tor der Südwind rüttelt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0004" n="6"/>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <head>DIE JUNGE MAGD</head><lb/>
          <argument>
            <p>Ludwig von Ficker zugeeignet</p>
          </argument><lb/>
          <lg n="1">
            <head>1.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Oft am Brunnen, wenn es dämmert,</l><lb/>
              <l>Sieht man sie verzaubert stehen</l><lb/>
              <l>Wasser schöpfen, wenn es dämmert.</l><lb/>
              <l>Eimer auf und niedergehen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>In den Buchen Dohlen flattern</l><lb/>
              <l>Und sie gleichet einem Schatten.</l><lb/>
              <l>Ihre gelben Haare flattern</l><lb/>
              <l>Und im Hofe schrein die Ratten.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Und umschmeichelt von Verfalle</l><lb/>
              <l>Senkt sie die entzundenen Lider.</l><lb/>
              <l>Dürres Gras neigt im Verfalle</l><lb/>
              <l>Sich zu ihren Füßen nieder.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <lg n="2">
            <head>2.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Stille schafft sie in der Kammer</l><lb/>
              <l>Und der Hof liegt längst verödet.</l><lb/>
              <l>Im Hollunder vor der Kammer</l><lb/>
              <l>Kläglich eine Amsel flötet.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Silbern schaut ihr Bild im Spiegel</l><lb/>
              <l>Fremd sie an im Zwielichtscheine</l><lb/>
              <l>Und verdämmert fahl im Spiegel</l><lb/>
              <l>Und ihr graut vor seiner Reine.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel</l><lb/>
              <l>Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.</l><lb/>
              <l>Röte träufelt durch das Dunkel.</l><lb/>
              <l>Jäh am Tor der Südwind rüttelt.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0004] DIE JUNGE MAGD Ludwig von Ficker zugeeignet 1. Oft am Brunnen, wenn es dämmert, Sieht man sie verzaubert stehen Wasser schöpfen, wenn es dämmert. Eimer auf und niedergehen. In den Buchen Dohlen flattern Und sie gleichet einem Schatten. Ihre gelben Haare flattern Und im Hofe schrein die Ratten. Und umschmeichelt von Verfalle Senkt sie die entzundenen Lider. Dürres Gras neigt im Verfalle Sich zu ihren Füßen nieder. 2. Stille schafft sie in der Kammer Und der Hof liegt längst verödet. Im Hollunder vor der Kammer Kläglich eine Amsel flötet. Silbern schaut ihr Bild im Spiegel Fremd sie an im Zwielichtscheine Und verdämmert fahl im Spiegel Und ihr graut vor seiner Reine. Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel Und sie starrt von Schmerz geschüttelt. Röte träufelt durch das Dunkel. Jäh am Tor der Südwind rüttelt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-14T09:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-14T09:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/4
Zitationshilfe: Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/4>, abgerufen am 03.12.2024.