Du suchst das Land heim; die Gefilde lachen! Du wässerst sie mit Thau, sie reich zu machen; Dein Strom ist voll; durch dich reift das Getreide Zu unsrer Freude.
Odu gütigster Gott! allgenung für jedes Geschöpf! was für ein Herold deines Ruhms ist nicht jetzt die Erde! Sie wimmelt jetzt von deinem Segen, wie der nächtliche Himmel von deiner Ehre. Das Getreide und zwar jeder Halm des- selben stehet wie ein Herold da, und jede Aehre winket dem Men- schen, daß er doch kommen und Gott loben soll. Vor hundert Tagen war das Feld noch so armselig, wie meine Tugend: jetzt aber stehet es da wie dein Werk.
Die tiefgepflügte Furchen füllt dein Segen, Und das zerlechzte Land erfrischt dein Regen; Du machst es weich, und segnest seine Saaten, Daß sie gerathen.
Wie lehrreich ist nicht jetzt der Spaziergang in die Felder! Der Wald von Kornhalmen, mit dessen Wipfeln die Winde, wie mit Wellen oder Wolken spielen, ladet uns zur Bewunde- rung der Vorsicht ein. Am Fusse dieses Waldes leben unzählige Kreaturen. Junge Lerchen und schnelle Wachteln finden unten ihre Nahrung, und über ihrem Speisesaal reifet die unsrige. Jch sehe mein künftiges Leben in den sich wiegenden Aehren. Wolken begiessen, die Sonne kocht und Winde kühlen ab: dadurch bereitet mir Gott Nahrung und Freude. Und er bereitet sie eigentlich mir, das beweiset mir der Bau der Halmen und Aeh- ren. Höher, würde der Nahrungssaft nicht so gut hinandringen und der Acker zu sehr ausgesogen; stünden sie niedriger, so wür- den Vögel und andre Thiere sie erreichen, und unsre Ernte sehr
schmä-
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Der 20te Junius.
Du ſuchſt das Land heim; die Gefilde lachen! Du waͤſſerſt ſie mit Thau, ſie reich zu machen; Dein Strom iſt voll; durch dich reift das Getreide Zu unſrer Freude.
Odu guͤtigſter Gott! allgenung fuͤr jedes Geſchoͤpf! was fuͤr ein Herold deines Ruhms iſt nicht jetzt die Erde! Sie wimmelt jetzt von deinem Segen, wie der naͤchtliche Himmel von deiner Ehre. Das Getreide und zwar jeder Halm deſ- ſelben ſtehet wie ein Herold da, und jede Aehre winket dem Men- ſchen, daß er doch kommen und Gott loben ſoll. Vor hundert Tagen war das Feld noch ſo armſelig, wie meine Tugend: jetzt aber ſtehet es da wie dein Werk.
Die tiefgepfluͤgte Furchen fuͤllt dein Segen, Und das zerlechzte Land erfriſcht dein Regen; Du machſt es weich, und ſegneſt ſeine Saaten, Daß ſie gerathen.
Wie lehrreich iſt nicht jetzt der Spaziergang in die Felder! Der Wald von Kornhalmen, mit deſſen Wipfeln die Winde, wie mit Wellen oder Wolken ſpielen, ladet uns zur Bewunde- rung der Vorſicht ein. Am Fuſſe dieſes Waldes leben unzaͤhlige Kreaturen. Junge Lerchen und ſchnelle Wachteln finden unten ihre Nahrung, und uͤber ihrem Speiſeſaal reifet die unſrige. Jch ſehe mein kuͤnftiges Leben in den ſich wiegenden Aehren. Wolken begieſſen, die Sonne kocht und Winde kuͤhlen ab: dadurch bereitet mir Gott Nahrung und Freude. Und er bereitet ſie eigentlich mir, das beweiſet mir der Bau der Halmen und Aeh- ren. Hoͤher, wuͤrde der Nahrungsſaft nicht ſo gut hinandringen und der Acker zu ſehr ausgeſogen; ſtuͤnden ſie niedriger, ſo wuͤr- den Voͤgel und andre Thiere ſie erreichen, und unſre Ernte ſehr
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[355[385]/0392]
Der 20te Junius.
Du ſuchſt das Land heim; die Gefilde lachen!
Du waͤſſerſt ſie mit Thau, ſie reich zu machen;
Dein Strom iſt voll; durch dich reift das Getreide
Zu unſrer Freude.
Odu guͤtigſter Gott! allgenung fuͤr jedes Geſchoͤpf! was fuͤr
ein Herold deines Ruhms iſt nicht jetzt die Erde! Sie
wimmelt jetzt von deinem Segen, wie der naͤchtliche Himmel
von deiner Ehre. Das Getreide und zwar jeder Halm deſ-
ſelben ſtehet wie ein Herold da, und jede Aehre winket dem Men-
ſchen, daß er doch kommen und Gott loben ſoll. Vor hundert
Tagen war das Feld noch ſo armſelig, wie meine Tugend: jetzt
aber ſtehet es da wie dein Werk.
Die tiefgepfluͤgte Furchen fuͤllt dein Segen,
Und das zerlechzte Land erfriſcht dein Regen;
Du machſt es weich, und ſegneſt ſeine Saaten,
Daß ſie gerathen.
Wie lehrreich iſt nicht jetzt der Spaziergang in die Felder!
Der Wald von Kornhalmen, mit deſſen Wipfeln die Winde,
wie mit Wellen oder Wolken ſpielen, ladet uns zur Bewunde-
rung der Vorſicht ein. Am Fuſſe dieſes Waldes leben unzaͤhlige
Kreaturen. Junge Lerchen und ſchnelle Wachteln finden unten
ihre Nahrung, und uͤber ihrem Speiſeſaal reifet die unſrige. Jch
ſehe mein kuͤnftiges Leben in den ſich wiegenden Aehren. Wolken
begieſſen, die Sonne kocht und Winde kuͤhlen ab: dadurch
bereitet mir Gott Nahrung und Freude. Und er bereitet ſie
eigentlich mir, das beweiſet mir der Bau der Halmen und Aeh-
ren. Hoͤher, wuͤrde der Nahrungsſaft nicht ſo gut hinandringen
und der Acker zu ſehr ausgeſogen; ſtuͤnden ſie niedriger, ſo wuͤr-
den Voͤgel und andre Thiere ſie erreichen, und unſre Ernte ſehr
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 355[385]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/392>, abgerufen am 22.02.2025.
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