Befiehl du deine Wege, Und was dein Herze kränkt, Der allertreusten Pflege Deß, der den Himmel lenkt, Der Wolken, Luft und Winden Gibt Wege, Lauf und Bahn, Der wird auch Wege finden, Da dein Fuß gehen kan.
Es gibt Thoren, welche die genaue Ordnung in den Werken Gottes für etwas maschinenmäßiges halten. Sie dünken sich halber Schöpfer zu seyn, weil sie den Lauf der Sonne, den jedesmaligen Stand des Mondes und der Gestirne vorhersagen können. Aber nicht alles in der Natur ist so einförmig, daß ihr es an euren Fingern vorher abzählen könnt!
Die Witterungen bleiben ein Beweis der menschlichen Blödsichtigkeit und der Weisheit der Vorsicht. Und wenn wir tausend Jahre hindurch das Wetter betrachteten, so wäre doch kein Jahr dem andern vollkommen gleich. Wie viele übermensch- liche Weisheit aber gehöret nicht dazu, Wind, Regen, Sturm, Reife, Schnee, Blitze und Sonnenschein so zu vertheilen, und so eins auf das andre folgen zu lassen, daß kein Strich des Erd- bodens vergessen sey! Denn in einem so künstlichen Uhrwerk, als die Natur ist, würde Ein Fehler zehn andre gebähren, und Ein gehemmtes Rad würde die Stockung sehr vieler andern nach sich ziehen. Wohl erwogen, daß nicht jedes Land, nicht jede Stadt einerlei Witterung mit den benachbarten Gegenden vertragen
könne.
U 2
Der 28te Mai.
Befiehl du deine Wege, Und was dein Herze kraͤnkt, Der allertreuſten Pflege Deß, der den Himmel lenkt, Der Wolken, Luft und Winden Gibt Wege, Lauf und Bahn, Der wird auch Wege finden, Da dein Fuß gehen kan.
Es gibt Thoren, welche die genaue Ordnung in den Werken Gottes fuͤr etwas maſchinenmaͤßiges halten. Sie duͤnken ſich halber Schoͤpfer zu ſeyn, weil ſie den Lauf der Sonne, den jedesmaligen Stand des Mondes und der Geſtirne vorherſagen koͤnnen. Aber nicht alles in der Natur iſt ſo einfoͤrmig, daß ihr es an euren Fingern vorher abzaͤhlen koͤnnt!
Die Witterungen bleiben ein Beweis der menſchlichen Bloͤdſichtigkeit und der Weisheit der Vorſicht. Und wenn wir tauſend Jahre hindurch das Wetter betrachteten, ſo waͤre doch kein Jahr dem andern vollkommen gleich. Wie viele uͤbermenſch- liche Weisheit aber gehoͤret nicht dazu, Wind, Regen, Sturm, Reife, Schnee, Blitze und Sonnenſchein ſo zu vertheilen, und ſo eins auf das andre folgen zu laſſen, daß kein Strich des Erd- bodens vergeſſen ſey! Denn in einem ſo kuͤnſtlichen Uhrwerk, als die Natur iſt, wuͤrde Ein Fehler zehn andre gebaͤhren, und Ein gehemmtes Rad wuͤrde die Stockung ſehr vieler andern nach ſich ziehen. Wohl erwogen, daß nicht jedes Land, nicht jede Stadt einerlei Witterung mit den benachbarten Gegenden vertragen
koͤnne.
U 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0344"n="307[337]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Der 28<hirendition="#sup">te</hi> Mai.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">B</hi>efiehl du deine Wege,</l><lb/><l>Und was dein Herze kraͤnkt,</l><lb/><l>Der allertreuſten Pflege</l><lb/><l>Deß, der den Himmel lenkt,</l><lb/><l>Der Wolken, Luft und Winden</l><lb/><l>Gibt Wege, Lauf und Bahn,</l><lb/><l>Der wird auch Wege finden,</l><lb/><l>Da dein Fuß gehen kan.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s gibt Thoren, welche die genaue Ordnung in den Werken<lb/>
Gottes fuͤr etwas maſchinenmaͤßiges halten. Sie duͤnken<lb/>ſich halber Schoͤpfer zu ſeyn, weil ſie den Lauf der Sonne, den<lb/>
jedesmaligen Stand des Mondes und der Geſtirne vorherſagen<lb/>
koͤnnen. Aber nicht alles in der Natur iſt ſo einfoͤrmig, daß ihr<lb/>
es an euren Fingern vorher abzaͤhlen koͤnnt!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Die Witterungen</hi> bleiben ein Beweis der menſchlichen<lb/>
Bloͤdſichtigkeit und der Weisheit der Vorſicht. Und wenn wir<lb/>
tauſend Jahre hindurch das Wetter betrachteten, ſo waͤre doch<lb/>
kein Jahr dem andern vollkommen gleich. Wie viele uͤbermenſch-<lb/>
liche Weisheit aber gehoͤret nicht dazu, Wind, Regen, Sturm,<lb/>
Reife, Schnee, Blitze und Sonnenſchein ſo zu vertheilen, und<lb/>ſo eins auf das andre folgen zu laſſen, daß kein Strich des Erd-<lb/>
bodens vergeſſen ſey! Denn in einem ſo kuͤnſtlichen Uhrwerk, als<lb/>
die Natur iſt, wuͤrde Ein Fehler zehn andre gebaͤhren, und Ein<lb/>
gehemmtes Rad wuͤrde die Stockung ſehr vieler andern nach ſich<lb/>
ziehen. Wohl erwogen, daß nicht jedes Land, nicht jede Stadt<lb/>
einerlei Witterung mit den benachbarten Gegenden vertragen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">koͤnne.</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[307[337]/0344]
Der 28te Mai.
Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kraͤnkt,
Der allertreuſten Pflege
Deß, der den Himmel lenkt,
Der Wolken, Luft und Winden
Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kan.
Es gibt Thoren, welche die genaue Ordnung in den Werken
Gottes fuͤr etwas maſchinenmaͤßiges halten. Sie duͤnken
ſich halber Schoͤpfer zu ſeyn, weil ſie den Lauf der Sonne, den
jedesmaligen Stand des Mondes und der Geſtirne vorherſagen
koͤnnen. Aber nicht alles in der Natur iſt ſo einfoͤrmig, daß ihr
es an euren Fingern vorher abzaͤhlen koͤnnt!
Die Witterungen bleiben ein Beweis der menſchlichen
Bloͤdſichtigkeit und der Weisheit der Vorſicht. Und wenn wir
tauſend Jahre hindurch das Wetter betrachteten, ſo waͤre doch
kein Jahr dem andern vollkommen gleich. Wie viele uͤbermenſch-
liche Weisheit aber gehoͤret nicht dazu, Wind, Regen, Sturm,
Reife, Schnee, Blitze und Sonnenſchein ſo zu vertheilen, und
ſo eins auf das andre folgen zu laſſen, daß kein Strich des Erd-
bodens vergeſſen ſey! Denn in einem ſo kuͤnſtlichen Uhrwerk, als
die Natur iſt, wuͤrde Ein Fehler zehn andre gebaͤhren, und Ein
gehemmtes Rad wuͤrde die Stockung ſehr vieler andern nach ſich
ziehen. Wohl erwogen, daß nicht jedes Land, nicht jede Stadt
einerlei Witterung mit den benachbarten Gegenden vertragen
koͤnne.
U 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 307[337]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/344>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.