Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Der 6te März.
Wenn Christus seine Kirche schützt:
So mag die Hölle wüten.
Er, der zur Rechten Gottes sitzt,
Hat Macht ihr zu gebieten.
Er ist mit Hülfe nah;
Wenn er gebeut, stehts da.
Er schützet seinen Ruhm
Und hält das Christenthum:
Mag doch die Hölle wüten!


Viele hundert Kaiser Könige und Philosophen haben öffentlich
und heimlich, mit Gewalt und List wider Jesum und seine
Lehre gewütet: aber sie sind Staub; auf der Erde ist nichts von
ihnen übrig, als ihre Schande und Ohnmacht. Jesus Christus
thronet zur Rechten des Vaters, verspottet oder bejammert die
Wut seiner Feinde, und wird einst reden mit ihnen im Zorn.
Sah der abtrünnige Kaiser Julian vorher, daß anderthalb tau-
send Jahre nach seinem Tode, der von ihm verachtete Weltheiland,
von den klügsten Nationen angebetet werden würde: schwerlich
hätte er sich den Schimpf angethan, das Heidenthum schöner zu
finden, als das unüberwindliche Christenthum. Gottes-
vergeßne wird es immer geben. Aber es kommt gewiß die Zeit,
wo Freigeist ein Ekelname seyn wird, weil nur Dummköpse die
Gründe des Christenthums nicht werden begreifen können.

Bedenke ich, daß weder Ränke noch Trotz zu ersinnen sind,
womit man nicht schon das Christenthum vergebens angefallen
habe: so bedaure ich die verlorne Mühe, mit welcher heut zu Tage
ein junger und neuer Freigeist meinen heiligsten Glauben bekrie-

gen
J 5


Der 6te Maͤrz.
Wenn Chriſtus ſeine Kirche ſchuͤtzt:
So mag die Hoͤlle wuͤten.
Er, der zur Rechten Gottes ſitzt,
Hat Macht ihr zu gebieten.
Er iſt mit Huͤlfe nah;
Wenn er gebeut, ſtehts da.
Er ſchuͤtzet ſeinen Ruhm
Und haͤlt das Chriſtenthum:
Mag doch die Hoͤlle wuͤten!


Viele hundert Kaiſer Koͤnige und Philoſophen haben oͤffentlich
und heimlich, mit Gewalt und Liſt wider Jeſum und ſeine
Lehre gewuͤtet: aber ſie ſind Staub; auf der Erde iſt nichts von
ihnen uͤbrig, als ihre Schande und Ohnmacht. Jeſus Chriſtus
thronet zur Rechten des Vaters, verſpottet oder bejammert die
Wut ſeiner Feinde, und wird einſt reden mit ihnen im Zorn.
Sah der abtruͤnnige Kaiſer Julian vorher, daß anderthalb tau-
ſend Jahre nach ſeinem Tode, der von ihm verachtete Weltheiland,
von den kluͤgſten Nationen angebetet werden wuͤrde: ſchwerlich
haͤtte er ſich den Schimpf angethan, das Heidenthum ſchoͤner zu
finden, als das unuͤberwindliche Chriſtenthum. Gottes-
vergeßne wird es immer geben. Aber es kommt gewiß die Zeit,
wo Freigeiſt ein Ekelname ſeyn wird, weil nur Dummkoͤpſe die
Gruͤnde des Chriſtenthums nicht werden begreifen koͤnnen.

Bedenke ich, daß weder Raͤnke noch Trotz zu erſinnen ſind,
womit man nicht ſchon das Chriſtenthum vergebens angefallen
habe: ſo bedaure ich die verlorne Muͤhe, mit welcher heut zu Tage
ein junger und neuer Freigeiſt meinen heiligſten Glauben bekrie-

gen
J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0174" n="137[167]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head>Der 6<hi rendition="#sup">te</hi> Ma&#x0364;rz.</head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Wenn Chri&#x017F;tus &#x017F;eine Kirche &#x017F;chu&#x0364;tzt:</l><lb/>
              <l>So mag die Ho&#x0364;lle wu&#x0364;ten.</l><lb/>
              <l>Er, der zur Rechten Gottes &#x017F;itzt,</l><lb/>
              <l>Hat Macht ihr zu gebieten.</l><lb/>
              <l>Er i&#x017F;t mit Hu&#x0364;lfe nah;</l><lb/>
              <l>Wenn er gebeut, &#x017F;tehts da.</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;chu&#x0364;tzet &#x017F;einen Ruhm</l><lb/>
              <l>Und ha&#x0364;lt das Chri&#x017F;tenthum:</l><lb/>
              <l>Mag doch die Ho&#x0364;lle wu&#x0364;ten!</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p><hi rendition="#in">V</hi>iele hundert Kai&#x017F;er Ko&#x0364;nige und Philo&#x017F;ophen haben o&#x0364;ffentlich<lb/>
und heimlich, mit Gewalt und Li&#x017F;t wider Je&#x017F;um und &#x017F;eine<lb/>
Lehre gewu&#x0364;tet: aber &#x017F;ie &#x017F;ind Staub; auf der Erde i&#x017F;t nichts von<lb/>
ihnen u&#x0364;brig, als ihre Schande und Ohnmacht. Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus<lb/>
thronet zur Rechten des Vaters, ver&#x017F;pottet oder bejammert die<lb/>
Wut &#x017F;einer Feinde, und wird ein&#x017F;t reden mit ihnen im Zorn.<lb/>
Sah der abtru&#x0364;nnige Kai&#x017F;er Julian vorher, daß anderthalb tau-<lb/>
&#x017F;end Jahre nach &#x017F;einem Tode, der von ihm verachtete Weltheiland,<lb/>
von den klu&#x0364;g&#x017F;ten Nationen angebetet werden wu&#x0364;rde: &#x017F;chwerlich<lb/>
ha&#x0364;tte er &#x017F;ich den Schimpf angethan, das Heidenthum &#x017F;cho&#x0364;ner zu<lb/>
finden, als <hi rendition="#fr">das unu&#x0364;berwindliche Chri&#x017F;tenthum.</hi> Gottes-<lb/>
vergeßne wird es immer geben. Aber es kommt gewiß die Zeit,<lb/>
wo Freigei&#x017F;t ein Ekelname &#x017F;eyn wird, weil nur Dummko&#x0364;p&#x017F;e die<lb/>
Gru&#x0364;nde des Chri&#x017F;tenthums nicht werden begreifen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Bedenke ich, daß weder Ra&#x0364;nke noch Trotz zu er&#x017F;innen &#x017F;ind,<lb/>
womit man nicht &#x017F;chon das Chri&#x017F;tenthum vergebens angefallen<lb/>
habe: &#x017F;o bedaure ich die verlorne Mu&#x0364;he, mit welcher heut zu Tage<lb/>
ein junger und neuer Freigei&#x017F;t meinen heilig&#x017F;ten Glauben bekrie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137[167]/0174] Der 6te Maͤrz. Wenn Chriſtus ſeine Kirche ſchuͤtzt: So mag die Hoͤlle wuͤten. Er, der zur Rechten Gottes ſitzt, Hat Macht ihr zu gebieten. Er iſt mit Huͤlfe nah; Wenn er gebeut, ſtehts da. Er ſchuͤtzet ſeinen Ruhm Und haͤlt das Chriſtenthum: Mag doch die Hoͤlle wuͤten! Viele hundert Kaiſer Koͤnige und Philoſophen haben oͤffentlich und heimlich, mit Gewalt und Liſt wider Jeſum und ſeine Lehre gewuͤtet: aber ſie ſind Staub; auf der Erde iſt nichts von ihnen uͤbrig, als ihre Schande und Ohnmacht. Jeſus Chriſtus thronet zur Rechten des Vaters, verſpottet oder bejammert die Wut ſeiner Feinde, und wird einſt reden mit ihnen im Zorn. Sah der abtruͤnnige Kaiſer Julian vorher, daß anderthalb tau- ſend Jahre nach ſeinem Tode, der von ihm verachtete Weltheiland, von den kluͤgſten Nationen angebetet werden wuͤrde: ſchwerlich haͤtte er ſich den Schimpf angethan, das Heidenthum ſchoͤner zu finden, als das unuͤberwindliche Chriſtenthum. Gottes- vergeßne wird es immer geben. Aber es kommt gewiß die Zeit, wo Freigeiſt ein Ekelname ſeyn wird, weil nur Dummkoͤpſe die Gruͤnde des Chriſtenthums nicht werden begreifen koͤnnen. Bedenke ich, daß weder Raͤnke noch Trotz zu erſinnen ſind, womit man nicht ſchon das Chriſtenthum vergebens angefallen habe: ſo bedaure ich die verlorne Muͤhe, mit welcher heut zu Tage ein junger und neuer Freigeiſt meinen heiligſten Glauben bekrie- gen J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/174
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 137[167]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/174>, abgerufen am 21.12.2024.