Ein Monat! -- Welchen Raum Schließt dieser Zeitpunkt ein! Wird auch sein Ende mir So wie sein Anfang seyn?
"Das Ende eines Dinges ist besser, denn sein Anfang." Man kan einen Monat mit leichterm Herzen beschließen, als anfangen, wenn man bedenkt, wie viel widriges uns binnen einer so geraumen Frist begegnen kan. Vornemlich ist es jetzt der wichtige Monat, wo viele ihr ungesundes Verhalten im Winter mit Krankheit bezahlen müssen! Die Vor- boten des Frühlings locken nicht selten zu weit. Wir vergessen es, für Freuden über den warmen Sonnenschein, daß der Erd- boden noch kalt und feuchte sey, und erkälten uns sehr leicht. Der heitre Tag ladet uns ins Freie, und wenn wir nicht behutsam wandeln, auch wol zur Sünde ein. Die jungen Kinder spielen, bis ihnen die Finger erstarren: und die alten Kinder, bis ihre Frömmigkeit erkaltet.
Da die ersten Eindrücke am stärksten würken, so werde ich diesen Monat sehr gut nutzen müssen, um nicht schläfrig in der Erbauung zu werden. Das Schneeglöckchen, die Primel, das demürige Veilchen werden furchtsam ihr Haupt hervor stecken, und meine Augen auf sich, oder vielmehr auf ihren Schöpfer
ziehen.
Der 1te Maͤrz.
Ein Monat! — Welchen Raum Schließt dieſer Zeitpunkt ein! Wird auch ſein Ende mir So wie ſein Anfang ſeyn?
”Das Ende eines Dinges iſt beſſer, denn ſein Anfang.„ Man kan einen Monat mit leichterm Herzen beſchließen, als anfangen, wenn man bedenkt, wie viel widriges uns binnen einer ſo geraumen Friſt begegnen kan. Vornemlich iſt es jetzt der wichtige Monat, wo viele ihr ungeſundes Verhalten im Winter mit Krankheit bezahlen muͤſſen! Die Vor- boten des Fruͤhlings locken nicht ſelten zu weit. Wir vergeſſen es, fuͤr Freuden uͤber den warmen Sonnenſchein, daß der Erd- boden noch kalt und feuchte ſey, und erkaͤlten uns ſehr leicht. Der heitre Tag ladet uns ins Freie, und wenn wir nicht behutſam wandeln, auch wol zur Suͤnde ein. Die jungen Kinder ſpielen, bis ihnen die Finger erſtarren: und die alten Kinder, bis ihre Froͤmmigkeit erkaltet.
Da die erſten Eindruͤcke am ſtaͤrkſten wuͤrken, ſo werde ich dieſen Monat ſehr gut nutzen muͤſſen, um nicht ſchlaͤfrig in der Erbauung zu werden. Das Schneegloͤckchen, die Primel, das demuͤrige Veilchen werden furchtſam ihr Haupt hervor ſtecken, und meine Augen auf ſich, oder vielmehr auf ihren Schoͤpfer
ziehen.
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Der 1te Maͤrz.
Ein Monat! — Welchen Raum
Schließt dieſer Zeitpunkt ein!
Wird auch ſein Ende mir
So wie ſein Anfang ſeyn?
”Das Ende eines Dinges iſt beſſer, denn ſein Anfang.„
Man kan einen Monat mit leichterm Herzen beſchließen,
als anfangen, wenn man bedenkt, wie viel widriges
uns binnen einer ſo geraumen Friſt begegnen kan. Vornemlich
iſt es jetzt der wichtige Monat, wo viele ihr ungeſundes
Verhalten im Winter mit Krankheit bezahlen muͤſſen! Die Vor-
boten des Fruͤhlings locken nicht ſelten zu weit. Wir vergeſſen
es, fuͤr Freuden uͤber den warmen Sonnenſchein, daß der Erd-
boden noch kalt und feuchte ſey, und erkaͤlten uns ſehr leicht. Der
heitre Tag ladet uns ins Freie, und wenn wir nicht behutſam
wandeln, auch wol zur Suͤnde ein. Die jungen Kinder ſpielen,
bis ihnen die Finger erſtarren: und die alten Kinder, bis ihre
Froͤmmigkeit erkaltet.
Da die erſten Eindruͤcke am ſtaͤrkſten wuͤrken, ſo werde ich
dieſen Monat ſehr gut nutzen muͤſſen, um nicht ſchlaͤfrig in der
Erbauung zu werden. Das Schneegloͤckchen, die Primel, das
demuͤrige Veilchen werden furchtſam ihr Haupt hervor ſtecken,
und meine Augen auf ſich, oder vielmehr auf ihren Schoͤpfer
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. [157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/164>, abgerufen am 21.11.2024.
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