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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 28te Februar.
Gott rief der Sonn und schuf den Mond,
Das Jahr danach zu theilen.


Wann die Sonne ihr Amt, den Schöpfer zu predigen, nie-
derlegt: alsdann übernimt es der Mond, welcher zwar
heiser, aber doch auch sehr deutlich spricht. Es ist fast kein Mensch,
der sich nicht öfters nach dem Ab- und Zunehmen des Monds er-
kundiget; gleich als hätte Gott uns zwingen wollen, zuweilen von
seinen Werken zu reden.

Ohne Sonne konte unsre Erde unmöglich ein fruchtbarer
Wohnplatz für uns seyn: aber ohne Mond, scheinet es, konten
wir und noch mehr die Thiere vollkommen leben. Warum schuf
ihn demnach der Allweise anders, als um unsre Geschäfte bei
Abend und bei der Nacht zu erleichtern! Nichts als Güte sprach
zu dem Mond: werde! Und er ward, der dienstfertige Begleiter
unsers Erdballs und eine Schule für die Weisen. In allen Län-
dern gleicher Mondwechsel, zugleich abwechselndes Licht! Es nimt
ab, bis linker Hand nur noch ein kleines Horn bleibt; dann komt
das neue Licht rechter Hand zum Vorschein, und wächst bis zur
vollen Scheibe des Monds. Stockfinstre Nächte im Neumond
erinnern uns, daß Gott aus freier Güte uns so öfters die Nächte
erhelle! Und welche unaussprechliche Weisheit und Güte Gottes
an diesem Mondlichte! Wie? wenn es, gleich den Sonnenstra-
len, oder auch etwas weniger brennte: dann wären die Sommer-
nächte unausstehlich, und bei hellen langen Winternächten würde
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]eicht der Saft in die Bäume und Pflanzen treten und -- sie un-
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]uchtbar machen. Gesetzt aber, das Mondenlicht kältete, so wä-
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]en die Winternächte unausstehlich, und im Sommer würden
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]itze und Kälte, zum äussersten Schaden unsrer Gesundheit und
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Zerstörung des Pflanzenreichs, zu schnell und zu heftig abwechseln.

Das
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Der 28te Februar.
Gott rief der Sonn und ſchuf den Mond,
Das Jahr danach zu theilen.


Wann die Sonne ihr Amt, den Schoͤpfer zu predigen, nie-
derlegt: alsdann uͤbernimt es der Mond, welcher zwar
heiſer, aber doch auch ſehr deutlich ſpricht. Es iſt faſt kein Menſch,
der ſich nicht oͤfters nach dem Ab- und Zunehmen des Monds er-
kundiget; gleich als haͤtte Gott uns zwingen wollen, zuweilen von
ſeinen Werken zu reden.

Ohne Sonne konte unſre Erde unmoͤglich ein fruchtbarer
Wohnplatz fuͤr uns ſeyn: aber ohne Mond, ſcheinet es, konten
wir und noch mehr die Thiere vollkommen leben. Warum ſchuf
ihn demnach der Allweiſe anders, als um unſre Geſchaͤfte bei
Abend und bei der Nacht zu erleichtern! Nichts als Guͤte ſprach
zu dem Mond: werde! Und er ward, der dienſtfertige Begleiter
unſers Erdballs und eine Schule fuͤr die Weiſen. In allen Laͤn-
dern gleicher Mondwechſel, zugleich abwechſelndes Licht! Es nimt
ab, bis linker Hand nur noch ein kleines Horn bleibt; dann komt
das neue Licht rechter Hand zum Vorſchein, und waͤchſt bis zur
vollen Scheibe des Monds. Stockfinſtre Naͤchte im Neumond
erinnern uns, daß Gott aus freier Guͤte uns ſo oͤfters die Naͤchte
erhelle! Und welche unausſprechliche Weisheit und Guͤte Gottes
an dieſem Mondlichte! Wie? wenn es, gleich den Sonnenſtra-
len, oder auch etwas weniger brennte: dann waͤren die Sommer-
naͤchte unausſtehlich, und bei hellen langen Winternaͤchten wuͤrde
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]eicht der Saft in die Baͤume und Pflanzen treten und — ſie un-
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]uchtbar machen. Geſetzt aber, das Mondenlicht kaͤltete, ſo waͤ-
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]en die Winternaͤchte unausſtehlich, und im Sommer wuͤrden
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]itze und Kaͤlte, zum aͤuſſerſten Schaden unſrer Geſundheit und
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Zerſtoͤrung des Pflanzenreichs, zu ſchnell und zu heftig abwechſeln.

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[121[151]/0158] Der 28te Februar. Gott rief der Sonn und ſchuf den Mond, Das Jahr danach zu theilen. Wann die Sonne ihr Amt, den Schoͤpfer zu predigen, nie- derlegt: alsdann uͤbernimt es der Mond, welcher zwar heiſer, aber doch auch ſehr deutlich ſpricht. Es iſt faſt kein Menſch, der ſich nicht oͤfters nach dem Ab- und Zunehmen des Monds er- kundiget; gleich als haͤtte Gott uns zwingen wollen, zuweilen von ſeinen Werken zu reden. Ohne Sonne konte unſre Erde unmoͤglich ein fruchtbarer Wohnplatz fuͤr uns ſeyn: aber ohne Mond, ſcheinet es, konten wir und noch mehr die Thiere vollkommen leben. Warum ſchuf ihn demnach der Allweiſe anders, als um unſre Geſchaͤfte bei Abend und bei der Nacht zu erleichtern! Nichts als Guͤte ſprach zu dem Mond: werde! Und er ward, der dienſtfertige Begleiter unſers Erdballs und eine Schule fuͤr die Weiſen. In allen Laͤn- dern gleicher Mondwechſel, zugleich abwechſelndes Licht! Es nimt ab, bis linker Hand nur noch ein kleines Horn bleibt; dann komt das neue Licht rechter Hand zum Vorſchein, und waͤchſt bis zur vollen Scheibe des Monds. Stockfinſtre Naͤchte im Neumond erinnern uns, daß Gott aus freier Guͤte uns ſo oͤfters die Naͤchte erhelle! Und welche unausſprechliche Weisheit und Guͤte Gottes an dieſem Mondlichte! Wie? wenn es, gleich den Sonnenſtra- len, oder auch etwas weniger brennte: dann waͤren die Sommer- naͤchte unausſtehlich, und bei hellen langen Winternaͤchten wuͤrde _eicht der Saft in die Baͤume und Pflanzen treten und — ſie un- _uchtbar machen. Geſetzt aber, das Mondenlicht kaͤltete, ſo waͤ- _en die Winternaͤchte unausſtehlich, und im Sommer wuͤrden _itze und Kaͤlte, zum aͤuſſerſten Schaden unſrer Geſundheit und _ Zerſtoͤrung des Pflanzenreichs, zu ſchnell und zu heftig abwechſeln. Das H 5

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 121[151]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/158>, abgerufen am 21.11.2024.