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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
machte Verse und sang; wie er so ziemlich mit
seinem Vermögen auf dem Trocknen war, bewarb
er sich um die Tochter des reichsten Kaufmanns
hier, der Vater ließ sich durch Eitelkeit blenden:
nun konnten wieder nicht genug Schornsteine rau-
chen, nicht Pferde genug gekauft und todt gerit-
ten werden, da war Festiren und Jagd, und Lust-
barkeit aller Art. Das dauerte einige Jahre, dar-
auf ging denn ein Landgut, ein Meierhof nach
dem andern fort, das ganze Leibgedinge der Frau,
so wie sein eignes Vermögen, und jezt sitzen sie
im Elende und fallen allen Verwandten und Be-
kannten mit Borgen beschwerlich.
Valerio. Ja, ja, mancher Verwandte hat
denn auch seinen Vortheil dabei ersehn. Euer Land-
gut am Meer ist im schönen Zustand, Schwager.
Ridolfo. Ich hab' es über den Preis be-
zahlt, vollends damals. Nein, was das betrifft,
da hab' ich mir keine Vorwürfe zu machen. Und
nachher noch einige hundert Mark verborgt, ohne
Hoffnung, einen Heller wieder zu erhalten.
Valerio. Freilich ist der Kaufmann immer
am schlimmsten dran, und am meisten bei jenem
hochmüthigen Volke, das sich zu gut dünkt, mit
uns umzugehn, nicht aber uns um unser Geld
zu bringen. Ja, mein Herr Hieronymus, Ihr
glaubt gar nicht, wie sich die Zeiten hier geändert
haben. Was war das in meiner Jugend ein an-
dres Wesen mit den Handelsleuten! Ich weiß es
noch, als wenn es heute wäre, wie mir der erste
Thaler, den ich aus einem kleinen Vorschuß mei-
III. [ 2 ]
Fortunat.
machte Verſe und ſang; wie er ſo ziemlich mit
ſeinem Vermoͤgen auf dem Trocknen war, bewarb
er ſich um die Tochter des reichſten Kaufmanns
hier, der Vater ließ ſich durch Eitelkeit blenden:
nun konnten wieder nicht genug Schornſteine rau-
chen, nicht Pferde genug gekauft und todt gerit-
ten werden, da war Feſtiren und Jagd, und Luſt-
barkeit aller Art. Das dauerte einige Jahre, dar-
auf ging denn ein Landgut, ein Meierhof nach
dem andern fort, das ganze Leibgedinge der Frau,
ſo wie ſein eignes Vermoͤgen, und jezt ſitzen ſie
im Elende und fallen allen Verwandten und Be-
kannten mit Borgen beſchwerlich.
Valerio. Ja, ja, mancher Verwandte hat
denn auch ſeinen Vortheil dabei erſehn. Euer Land-
gut am Meer iſt im ſchoͤnen Zuſtand, Schwager.
Ridolfo. Ich hab' es uͤber den Preis be-
zahlt, vollends damals. Nein, was das betrifft,
da hab' ich mir keine Vorwuͤrfe zu machen. Und
nachher noch einige hundert Mark verborgt, ohne
Hoffnung, einen Heller wieder zu erhalten.
Valerio. Freilich iſt der Kaufmann immer
am ſchlimmſten dran, und am meiſten bei jenem
hochmuͤthigen Volke, das ſich zu gut duͤnkt, mit
uns umzugehn, nicht aber uns um unſer Geld
zu bringen. Ja, mein Herr Hieronymus, Ihr
glaubt gar nicht, wie ſich die Zeiten hier geaͤndert
haben. Was war das in meiner Jugend ein an-
dres Weſen mit den Handelsleuten! Ich weiß es
noch, als wenn es heute waͤre, wie mir der erſte
Thaler, den ich aus einem kleinen Vorſchuß mei-
III. [ 2 ]
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[17/0027] Fortunat. machte Verſe und ſang; wie er ſo ziemlich mit ſeinem Vermoͤgen auf dem Trocknen war, bewarb er ſich um die Tochter des reichſten Kaufmanns hier, der Vater ließ ſich durch Eitelkeit blenden: nun konnten wieder nicht genug Schornſteine rau- chen, nicht Pferde genug gekauft und todt gerit- ten werden, da war Feſtiren und Jagd, und Luſt- barkeit aller Art. Das dauerte einige Jahre, dar- auf ging denn ein Landgut, ein Meierhof nach dem andern fort, das ganze Leibgedinge der Frau, ſo wie ſein eignes Vermoͤgen, und jezt ſitzen ſie im Elende und fallen allen Verwandten und Be- kannten mit Borgen beſchwerlich. Valerio. Ja, ja, mancher Verwandte hat denn auch ſeinen Vortheil dabei erſehn. Euer Land- gut am Meer iſt im ſchoͤnen Zuſtand, Schwager. Ridolfo. Ich hab' es uͤber den Preis be- zahlt, vollends damals. Nein, was das betrifft, da hab' ich mir keine Vorwuͤrfe zu machen. Und nachher noch einige hundert Mark verborgt, ohne Hoffnung, einen Heller wieder zu erhalten. Valerio. Freilich iſt der Kaufmann immer am ſchlimmſten dran, und am meiſten bei jenem hochmuͤthigen Volke, das ſich zu gut duͤnkt, mit uns umzugehn, nicht aber uns um unſer Geld zu bringen. Ja, mein Herr Hieronymus, Ihr glaubt gar nicht, wie ſich die Zeiten hier geaͤndert haben. Was war das in meiner Jugend ein an- dres Weſen mit den Handelsleuten! Ich weiß es noch, als wenn es heute waͤre, wie mir der erſte Thaler, den ich aus einem kleinen Vorſchuß mei- III. [ 2 ]

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/27>, abgerufen am 26.04.2024.