Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Siebente Scene. (Pallast.) König, Raimund, Leibarzt, drei Doktoren. König. Nun wißt Ihr, meine Herrn, die ganze Sache, Die unglückselge Tochter saht Ihr selbst, Die Art der Krankheit habt Ihr scharf geprüft, Nun sprecht, was man für Hülfe soll erfinden. Leibarzt. Zuerst der edle Mann, mein Lehrer hier, Dem ältesten gebührt die erste Stimme. 1. Doktor. So sehr ich langer Praxi mich berühme, So seltne Wunden, Schäden, Gliederkrankheit, Verrenkung, unnatürliche Verhärtung In Magen, Leber, Milz ich auch gesehn, Ist mir doch dieser Fall nie vorgekommen. Man liest, wie es wohl schon geschehen sey, Daß sich die Knochen erst in Knorpel lösen, In Gallert dann, und daß ein Mensch, der erst Sechs Schuhe maß, zu zwein zusammen fällt; Mag seyn, daß die Natur wohl auch einmal Das Wunder umkehrt, und die weichen Theile Die Flüssigkeit in harte erst verwandelt, Und allgemach in Horn, das wächst und wächst, So daß vielleicht nach einer Anzahl Jahre Die gnädige Prinzeß in Hörnermasse Von vielen Klaftern oder Ruthen schwände. König. Das wär' ein Elend; doch klingts paradox. Fortunat. Siebente Scene. (Pallaſt.) Koͤnig, Raimund, Leibarzt, drei Doktoren. Koͤnig. Nun wißt Ihr, meine Herrn, die ganze Sache, Die ungluͤckſelge Tochter ſaht Ihr ſelbſt, Die Art der Krankheit habt Ihr ſcharf gepruͤft, Nun ſprecht, was man fuͤr Huͤlfe ſoll erfinden. Leibarzt. Zuerſt der edle Mann, mein Lehrer hier, Dem aͤlteſten gebuͤhrt die erſte Stimme. 1. Doktor. So ſehr ich langer Praxi mich beruͤhme, So ſeltne Wunden, Schaͤden, Gliederkrankheit, Verrenkung, unnatuͤrliche Verhaͤrtung In Magen, Leber, Milz ich auch geſehn, Iſt mir doch dieſer Fall nie vorgekommen. Man lieſt, wie es wohl ſchon geſchehen ſey, Daß ſich die Knochen erſt in Knorpel loͤſen, In Gallert dann, und daß ein Menſch, der erſt Sechs Schuhe maß, zu zwein zuſammen faͤllt; Mag ſeyn, daß die Natur wohl auch einmal Das Wunder umkehrt, und die weichen Theile Die Fluͤſſigkeit in harte erſt verwandelt, Und allgemach in Horn, das waͤchſt und waͤchſt, So daß vielleicht nach einer Anzahl Jahre Die gnaͤdige Prinzeß in Hoͤrnermaſſe Von vielen Klaftern oder Ruthen ſchwaͤnde. Koͤnig. Das waͤr' ein Elend; doch klingts paradox. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0399" n="389"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Siebente Scene</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Pallaſt</hi>.)</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Koͤnig, Raimund, Leibarzt, drei<lb/> Doktoren</hi>.</hi> </stage><lb/> <sp who="#Koͤnig"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun wißt Ihr, meine Herrn, die ganze Sache,<lb/> Die ungluͤckſelge Tochter ſaht Ihr ſelbſt,<lb/> Die Art der Krankheit habt Ihr ſcharf gepruͤft,<lb/> Nun ſprecht, was man fuͤr Huͤlfe ſoll erfinden.</p> </sp><lb/> <sp who="#Leibarzt"> <speaker><hi rendition="#g">Leibarzt</hi>.</speaker><lb/> <p>Zuerſt der edle Mann, mein Lehrer hier,<lb/> Dem aͤlteſten gebuͤhrt die erſte Stimme.</p> </sp><lb/> <sp who="#1Doktor"> <speaker>1. <hi rendition="#g">Doktor</hi>.</speaker><lb/> <p>So ſehr ich langer Praxi mich beruͤhme,<lb/> So ſeltne Wunden, Schaͤden, Gliederkrankheit,<lb/> Verrenkung, unnatuͤrliche Verhaͤrtung<lb/> In Magen, Leber, Milz ich auch geſehn,<lb/> Iſt mir doch dieſer Fall nie vorgekommen.<lb/> Man lieſt, wie es wohl ſchon geſchehen ſey,<lb/> Daß ſich die Knochen erſt in Knorpel loͤſen,<lb/> In Gallert dann, und daß ein Menſch, der erſt<lb/> Sechs Schuhe maß, zu zwein zuſammen faͤllt;<lb/> Mag ſeyn, daß die Natur wohl auch einmal<lb/> Das Wunder umkehrt, und die weichen Theile<lb/> Die Fluͤſſigkeit in harte erſt verwandelt,<lb/> Und allgemach in Horn, das waͤchſt und waͤchſt,<lb/> So daß vielleicht nach einer Anzahl Jahre<lb/> Die gnaͤdige Prinzeß in Hoͤrnermaſſe<lb/> Von vielen Klaftern oder Ruthen ſchwaͤnde.</p> </sp><lb/> <sp who="#Koͤnig"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker><lb/> <p>Das waͤr' ein Elend; doch klingts paradox.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [389/0399]
Fortunat.
Siebente Scene.
(Pallaſt.)
Koͤnig, Raimund, Leibarzt, drei
Doktoren.
Koͤnig.
Nun wißt Ihr, meine Herrn, die ganze Sache,
Die ungluͤckſelge Tochter ſaht Ihr ſelbſt,
Die Art der Krankheit habt Ihr ſcharf gepruͤft,
Nun ſprecht, was man fuͤr Huͤlfe ſoll erfinden.
Leibarzt.
Zuerſt der edle Mann, mein Lehrer hier,
Dem aͤlteſten gebuͤhrt die erſte Stimme.
1. Doktor.
So ſehr ich langer Praxi mich beruͤhme,
So ſeltne Wunden, Schaͤden, Gliederkrankheit,
Verrenkung, unnatuͤrliche Verhaͤrtung
In Magen, Leber, Milz ich auch geſehn,
Iſt mir doch dieſer Fall nie vorgekommen.
Man lieſt, wie es wohl ſchon geſchehen ſey,
Daß ſich die Knochen erſt in Knorpel loͤſen,
In Gallert dann, und daß ein Menſch, der erſt
Sechs Schuhe maß, zu zwein zuſammen faͤllt;
Mag ſeyn, daß die Natur wohl auch einmal
Das Wunder umkehrt, und die weichen Theile
Die Fluͤſſigkeit in harte erſt verwandelt,
Und allgemach in Horn, das waͤchſt und waͤchſt,
So daß vielleicht nach einer Anzahl Jahre
Die gnaͤdige Prinzeß in Hoͤrnermaſſe
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Koͤnig.
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