Wo ist denn die Marie, unser Kind? fragte der Vater.
Sie spielt draußen auf dem grünen Platze, antwortete die Mutter, mit dem Sohne unsers Nachbars.
Daß sie sich nicht verlaufen, sagte der Vater besorgt; sie sind unbesonnen.
Die Mutter sah nach den Kleinen und brachte ihnen ihr Vesperbrodt. Es ist heiß! sagte der Bur- sche, und das kleine Mädchen langte begierig nach den rothen Kirschen. Seid nur vorsichtig, Kinder, sprach die Mutter, lauft nicht zu weit vom Hause, oder in den Wald hinein, ich und der Vater gehn aufs Feld hinaus. Der junge Andres antwortete: o, sey ohne Sorge, denn vor dem Walde fürch- ten wir uns, wir bleiben hier beim Hause sitzen, wo Menschen in der Nähe sind.
Die Mutter ging und kam bald mit dem Va- ter wieder heraus. Sie verschlossen ihre Wohnung und wandten sich nach dem Felde, um nach den Knechten und zugleich auf der Wiese nach der Heu- ernte zu sehn. Ihr Haus lag auf einer kleinen grünen Anhöhe, von einem zierlichen Stakete um- geben, welches auch ihren Frucht- und Blumen- garten umschloß; das Dorf zog sich etwas tiefer
hinun-
Erſte Abtheilung.
Die Elfen.
Wo iſt denn die Marie, unſer Kind? fragte der Vater.
Sie ſpielt draußen auf dem gruͤnen Platze, antwortete die Mutter, mit dem Sohne unſers Nachbars.
Daß ſie ſich nicht verlaufen, ſagte der Vater beſorgt; ſie ſind unbeſonnen.
Die Mutter ſah nach den Kleinen und brachte ihnen ihr Vesperbrodt. Es iſt heiß! ſagte der Bur- ſche, und das kleine Maͤdchen langte begierig nach den rothen Kirſchen. Seid nur vorſichtig, Kinder, ſprach die Mutter, lauft nicht zu weit vom Hauſe, oder in den Wald hinein, ich und der Vater gehn aufs Feld hinaus. Der junge Andres antwortete: o, ſey ohne Sorge, denn vor dem Walde fuͤrch- ten wir uns, wir bleiben hier beim Hauſe ſitzen, wo Menſchen in der Naͤhe ſind.
Die Mutter ging und kam bald mit dem Va- ter wieder heraus. Sie verſchloſſen ihre Wohnung und wandten ſich nach dem Felde, um nach den Knechten und zugleich auf der Wieſe nach der Heu- ernte zu ſehn. Ihr Haus lag auf einer kleinen gruͤnen Anhoͤhe, von einem zierlichen Stakete um- geben, welches auch ihren Frucht- und Blumen- garten umſchloß; das Dorf zog ſich etwas tiefer
hinun-
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Erſte Abtheilung.
Die Elfen.
Wo iſt denn die Marie, unſer Kind? fragte der
Vater.
Sie ſpielt draußen auf dem gruͤnen Platze,
antwortete die Mutter, mit dem Sohne unſers
Nachbars.
Daß ſie ſich nicht verlaufen, ſagte der Vater
beſorgt; ſie ſind unbeſonnen.
Die Mutter ſah nach den Kleinen und brachte
ihnen ihr Vesperbrodt. Es iſt heiß! ſagte der Bur-
ſche, und das kleine Maͤdchen langte begierig nach
den rothen Kirſchen. Seid nur vorſichtig, Kinder,
ſprach die Mutter, lauft nicht zu weit vom Hauſe,
oder in den Wald hinein, ich und der Vater gehn
aufs Feld hinaus. Der junge Andres antwortete:
o, ſey ohne Sorge, denn vor dem Walde fuͤrch-
ten wir uns, wir bleiben hier beim Hauſe ſitzen,
wo Menſchen in der Naͤhe ſind.
Die Mutter ging und kam bald mit dem Va-
ter wieder heraus. Sie verſchloſſen ihre Wohnung
und wandten ſich nach dem Felde, um nach den
Knechten und zugleich auf der Wieſe nach der Heu-
ernte zu ſehn. Ihr Haus lag auf einer kleinen
gruͤnen Anhoͤhe, von einem zierlichen Stakete um-
geben, welches auch ihren Frucht- und Blumen-
garten umſchloß; das Dorf zog ſich etwas tiefer
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/411>, abgerufen am 21.11.2024.
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