Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Erste Abtheilung.
Die Morgenröthe lächelt
Mir zwar noch ofte zu,
Und matte Hofnung fächelt
Mich dann in schönre Ruh:
Daß ich ihn wieder finde,
Den ich wohl sonst gekannt,
Und daß nun uns sich winde
Ein glückgewirktes Band.
Wer weiß, durch welche Schatten
Sein Fuß schon heute geht,
Dann kömmt er über Matten
Und alles ist verweht,
Die Seufzer und die Thränen,
Sie löscht das neue Glück,
Und Hoffen, Fürchten, Sehnen
Verschmilzt in Einen Blick.


18.
Beschluß.

Peter fühlte sich von dem Gesange wie von einer
lieblichen Gewalt nach der Hütte hingezogen. Die
Schäferin, welche vor der Thür saß, nahm ihn
freundlich auf, und ließ ihn in der Hütte ausruhn
und sich erquicken. Die beiden Alten kamen auch
bald zurück, und hießen ihren edlen Gast von Her-
zen willkommen.

Magelone ging indessen im Felde nachdenklich
auf und ab, denn sie hatte auf den ersten Blick
den Ritter erkannt; alle ihre Sorgen waren nun

Erſte Abtheilung.
Die Morgenroͤthe laͤchelt
Mir zwar noch ofte zu,
Und matte Hofnung faͤchelt
Mich dann in ſchoͤnre Ruh:
Daß ich ihn wieder finde,
Den ich wohl ſonſt gekannt,
Und daß nun uns ſich winde
Ein gluͤckgewirktes Band.
Wer weiß, durch welche Schatten
Sein Fuß ſchon heute geht,
Dann koͤmmt er uͤber Matten
Und alles iſt verweht,
Die Seufzer und die Thraͤnen,
Sie loͤſcht das neue Gluͤck,
Und Hoffen, Fuͤrchten, Sehnen
Verſchmilzt in Einen Blick.


18.
Beſchluß.

Peter fuͤhlte ſich von dem Geſange wie von einer
lieblichen Gewalt nach der Huͤtte hingezogen. Die
Schaͤferin, welche vor der Thuͤr ſaß, nahm ihn
freundlich auf, und ließ ihn in der Huͤtte ausruhn
und ſich erquicken. Die beiden Alten kamen auch
bald zuruͤck, und hießen ihren edlen Gaſt von Her-
zen willkommen.

Magelone ging indeſſen im Felde nachdenklich
auf und ab, denn ſie hatte auf den erſten Blick
den Ritter erkannt; alle ihre Sorgen waren nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0401" n="390"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;te Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
              <lg n="11">
                <l>Die Morgenro&#x0364;the la&#x0364;chelt</l><lb/>
                <l>Mir zwar noch ofte zu,</l><lb/>
                <l>Und matte Hofnung fa&#x0364;chelt</l><lb/>
                <l>Mich dann in &#x017F;cho&#x0364;nre Ruh:</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="12">
                <l>Daß ich ihn wieder finde,</l><lb/>
                <l>Den ich wohl &#x017F;on&#x017F;t gekannt,</l><lb/>
                <l>Und daß nun uns &#x017F;ich winde</l><lb/>
                <l>Ein glu&#x0364;ckgewirktes Band.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="13">
                <l>Wer weiß, durch welche Schatten</l><lb/>
                <l>Sein Fuß &#x017F;chon heute geht,</l><lb/>
                <l>Dann ko&#x0364;mmt er u&#x0364;ber Matten</l><lb/>
                <l>Und alles i&#x017F;t verweht,</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="14">
                <l>Die Seufzer und die Thra&#x0364;nen,</l><lb/>
                <l>Sie lo&#x0364;&#x017F;cht das neue Glu&#x0364;ck,</l><lb/>
                <l>Und Hoffen, Fu&#x0364;rchten, Sehnen</l><lb/>
                <l>Ver&#x017F;chmilzt in Einen Blick.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>18.<lb/><hi rendition="#g">Be&#x017F;chluß</hi>.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">P</hi>eter fu&#x0364;hlte &#x017F;ich von dem Ge&#x017F;ange wie von einer<lb/>
lieblichen Gewalt nach der Hu&#x0364;tte hingezogen. Die<lb/>
Scha&#x0364;ferin, welche vor der Thu&#x0364;r &#x017F;aß, nahm ihn<lb/>
freundlich auf, und ließ ihn in der Hu&#x0364;tte ausruhn<lb/>
und &#x017F;ich erquicken. Die beiden Alten kamen auch<lb/>
bald zuru&#x0364;ck, und hießen ihren edlen Ga&#x017F;t von Her-<lb/>
zen willkommen.</p><lb/>
            <p>Magelone ging inde&#x017F;&#x017F;en im Felde nachdenklich<lb/>
auf und ab, denn &#x017F;ie hatte auf den er&#x017F;ten Blick<lb/>
den Ritter erkannt; alle ihre Sorgen waren nun<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0401] Erſte Abtheilung. Die Morgenroͤthe laͤchelt Mir zwar noch ofte zu, Und matte Hofnung faͤchelt Mich dann in ſchoͤnre Ruh: Daß ich ihn wieder finde, Den ich wohl ſonſt gekannt, Und daß nun uns ſich winde Ein gluͤckgewirktes Band. Wer weiß, durch welche Schatten Sein Fuß ſchon heute geht, Dann koͤmmt er uͤber Matten Und alles iſt verweht, Die Seufzer und die Thraͤnen, Sie loͤſcht das neue Gluͤck, Und Hoffen, Fuͤrchten, Sehnen Verſchmilzt in Einen Blick. 18. Beſchluß. Peter fuͤhlte ſich von dem Geſange wie von einer lieblichen Gewalt nach der Huͤtte hingezogen. Die Schaͤferin, welche vor der Thuͤr ſaß, nahm ihn freundlich auf, und ließ ihn in der Huͤtte ausruhn und ſich erquicken. Die beiden Alten kamen auch bald zuruͤck, und hießen ihren edlen Gaſt von Her- zen willkommen. Magelone ging indeſſen im Felde nachdenklich auf und ab, denn ſie hatte auf den erſten Blick den Ritter erkannt; alle ihre Sorgen waren nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/401
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/401>, abgerufen am 21.11.2024.