Peter war durch seinen Gesang beinahe auch ein- geschläfert, aber er ermunterte sich wieder, und betrachtete das holdselige Angesicht der schönen Ma- gelone, die im Schlafe süß lächelte. Dann sah er über sich und bemerkte, wie eine Menge schöner und zarter Vögel oben in den Zweigen sich ver- sammelten, die nicht scheu thaten, sondern hin und her hüpften, auch jezuweilen auf den kleinen Gras- platz zu ihm herunter kamen. Es ergötzte ihn, daß diese unvernünftigen Creaturen an der schönen Ma- gelone ein Wohlgefallen zu bezeigen schienen. Da sah er aber in dem Baume einen schwarzen Ra- ben sitzen, und dachte bei sich: wie kommt doch dieser häßliche Vogel in die Gesellschaft dieser bun- ten Thierchen, es dünkt mir nicht anders, als wenn sich ein grober ungeschliffener Knecht unter edle Ritter eindrängen wollte.
Ihm däuchte, als wenn Magelone mit Ban- gigkeit Athem holte, er schnürte sie daher etwas auf, und ihr weißer schöner Busen trat aus den verhüllenden Gewändern hervor. Peter war über die unaussprechliche Schönheit entzückt, er glaubte im Himmel zu seyn und alle seine Sinne wandten sich um; er konnte nicht aufhören, seine Augen zu weiden und sich an dem Glanze zu berauschen. Mit jedem Athemzuge hob sich die zarte Brust und sank wieder. Der Ritter fühlte, daß er Magelonen
Die ſchoͤne Magelone.
11. Wie Peter die ſchoͤne Magelone verließ.
Peter war durch ſeinen Geſang beinahe auch ein- geſchlaͤfert, aber er ermunterte ſich wieder, und betrachtete das holdſelige Angeſicht der ſchoͤnen Ma- gelone, die im Schlafe ſuͤß laͤchelte. Dann ſah er uͤber ſich und bemerkte, wie eine Menge ſchoͤner und zarter Voͤgel oben in den Zweigen ſich ver- ſammelten, die nicht ſcheu thaten, ſondern hin und her huͤpften, auch jezuweilen auf den kleinen Gras- platz zu ihm herunter kamen. Es ergoͤtzte ihn, daß dieſe unvernuͤnftigen Creaturen an der ſchoͤnen Ma- gelone ein Wohlgefallen zu bezeigen ſchienen. Da ſah er aber in dem Baume einen ſchwarzen Ra- ben ſitzen, und dachte bei ſich: wie kommt doch dieſer haͤßliche Vogel in die Geſellſchaft dieſer bun- ten Thierchen, es duͤnkt mir nicht anders, als wenn ſich ein grober ungeſchliffener Knecht unter edle Ritter eindraͤngen wollte.
Ihm daͤuchte, als wenn Magelone mit Ban- gigkeit Athem holte, er ſchnuͤrte ſie daher etwas auf, und ihr weißer ſchoͤner Buſen trat aus den verhuͤllenden Gewaͤndern hervor. Peter war uͤber die unausſprechliche Schoͤnheit entzuͤckt, er glaubte im Himmel zu ſeyn und alle ſeine Sinne wandten ſich um; er konnte nicht aufhoͤren, ſeine Augen zu weiden und ſich an dem Glanze zu berauſchen. Mit jedem Athemzuge hob ſich die zarte Bruſt und ſank wieder. Der Ritter fuͤhlte, daß er Magelonen
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Die ſchoͤne Magelone.
11.
Wie Peter die ſchoͤne Magelone verließ.
Peter war durch ſeinen Geſang beinahe auch ein-
geſchlaͤfert, aber er ermunterte ſich wieder, und
betrachtete das holdſelige Angeſicht der ſchoͤnen Ma-
gelone, die im Schlafe ſuͤß laͤchelte. Dann ſah er
uͤber ſich und bemerkte, wie eine Menge ſchoͤner
und zarter Voͤgel oben in den Zweigen ſich ver-
ſammelten, die nicht ſcheu thaten, ſondern hin und
her huͤpften, auch jezuweilen auf den kleinen Gras-
platz zu ihm herunter kamen. Es ergoͤtzte ihn, daß
dieſe unvernuͤnftigen Creaturen an der ſchoͤnen Ma-
gelone ein Wohlgefallen zu bezeigen ſchienen. Da
ſah er aber in dem Baume einen ſchwarzen Ra-
ben ſitzen, und dachte bei ſich: wie kommt doch
dieſer haͤßliche Vogel in die Geſellſchaft dieſer bun-
ten Thierchen, es duͤnkt mir nicht anders, als
wenn ſich ein grober ungeſchliffener Knecht unter
edle Ritter eindraͤngen wollte.
Ihm daͤuchte, als wenn Magelone mit Ban-
gigkeit Athem holte, er ſchnuͤrte ſie daher etwas
auf, und ihr weißer ſchoͤner Buſen trat aus den
verhuͤllenden Gewaͤndern hervor. Peter war uͤber
die unausſprechliche Schoͤnheit entzuͤckt, er glaubte
im Himmel zu ſeyn und alle ſeine Sinne wandten
ſich um; er konnte nicht aufhoͤren, ſeine Augen
zu weiden und ſich an dem Glanze zu berauſchen.
Mit jedem Athemzuge hob ſich die zarte Bruſt und
ſank wieder. Der Ritter fuͤhlte, daß er Magelonen
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/376>, abgerufen am 21.11.2024.
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