Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

tende Wechsel in der Börse; ich verließ die
Stadt, und setzte bey der ersten günstigen Ge-
legenheit die Wechsel in baares Geld um; mit
einem nicht unbeträchtlichen Vermögen ging
ich unter einem erborgten Namen nach Italien.

Verstand.

Ich kam nun mit dem festen Vorsatze aus
der Schule, besonnener zu leben. Ich verglich
mich mit den übrigen Menschen, und fand,
daß sie häufig, ja meistentheils einfältiger
waren, als ich, es gereute mich doppelt, daß
ich mich so von ihnen hatte beherrschen lassen.
Ich sah ein, daß wenn ich versteckter und fei-
ner handelte, als sie, ich sie alle um desto eher
würde beherrschen können. Denn soviel ist ge-
wiß, daß man die Gesellschaft entweder verlas-
sen muß, oder sich zum Beherrscher aufwerfen,
oder sich beherrschen lassen. Es ist traurig ge-
nug, daß dies die Definition vom Worte Um-
gang ist.

Ich hatte es an allen Menschen mit so
vielem Unwillen bemerkt, daß sie sich zuweilen
recht kluge Regeln aus ihren Lebenserfahrungen

tende Wechſel in der Boͤrſe; ich verließ die
Stadt, und ſetzte bey der erſten guͤnſtigen Ge-
legenheit die Wechſel in baares Geld um; mit
einem nicht unbetraͤchtlichen Vermoͤgen ging
ich unter einem erborgten Namen nach Italien.

Verſtand.

Ich kam nun mit dem feſten Vorſatze aus
der Schule, beſonnener zu leben. Ich verglich
mich mit den uͤbrigen Menſchen, und fand,
daß ſie haͤufig, ja meiſtentheils einfaͤltiger
waren, als ich, es gereute mich doppelt, daß
ich mich ſo von ihnen hatte beherrſchen laſſen.
Ich ſah ein, daß wenn ich verſteckter und fei-
ner handelte, als ſie, ich ſie alle um deſto eher
wuͤrde beherrſchen koͤnnen. Denn ſoviel iſt ge-
wiß, daß man die Geſellſchaft entweder verlaſ-
ſen muß, oder ſich zum Beherrſcher aufwerfen,
oder ſich beherrſchen laſſen. Es iſt traurig ge-
nug, daß dies die Definition vom Worte Um-
gang iſt.

Ich hatte es an allen Menſchen mit ſo
vielem Unwillen bemerkt, daß ſie ſich zuweilen
recht kluge Regeln aus ihren Lebenserfahrungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0444" n="437"/>
tende Wech&#x017F;el in der Bo&#x0364;r&#x017F;e; ich verließ die<lb/>
Stadt, und &#x017F;etzte bey der er&#x017F;ten gu&#x0364;n&#x017F;tigen Ge-<lb/>
legenheit die Wech&#x017F;el in baares Geld um; mit<lb/>
einem nicht unbetra&#x0364;chtlichen Vermo&#x0364;gen ging<lb/>
ich unter einem erborgten Namen nach Italien.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Ver&#x017F;tand</hi>.</head><lb/>
            <p>Ich kam nun mit dem fe&#x017F;ten Vor&#x017F;atze aus<lb/>
der Schule, be&#x017F;onnener zu leben. Ich verglich<lb/>
mich mit den u&#x0364;brigen Men&#x017F;chen, und fand,<lb/>
daß &#x017F;ie ha&#x0364;ufig, ja mei&#x017F;tentheils einfa&#x0364;ltiger<lb/>
waren, als ich, es gereute mich doppelt, daß<lb/>
ich mich &#x017F;o von ihnen hatte beherr&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ich &#x017F;ah ein, daß wenn ich ver&#x017F;teckter und fei-<lb/>
ner handelte, als &#x017F;ie, ich &#x017F;ie alle um de&#x017F;to eher<lb/>
wu&#x0364;rde beherr&#x017F;chen ko&#x0364;nnen. Denn &#x017F;oviel i&#x017F;t ge-<lb/>
wiß, daß man die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft entweder verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en muß, oder &#x017F;ich zum Beherr&#x017F;cher aufwerfen,<lb/>
oder &#x017F;ich beherr&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en. Es i&#x017F;t traurig ge-<lb/>
nug, daß dies die Definition vom Worte Um-<lb/>
gang i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Ich hatte es an allen Men&#x017F;chen mit &#x017F;o<lb/>
vielem Unwillen bemerkt, daß &#x017F;ie &#x017F;ich zuweilen<lb/>
recht kluge Regeln aus ihren Lebenserfahrungen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0444] tende Wechſel in der Boͤrſe; ich verließ die Stadt, und ſetzte bey der erſten guͤnſtigen Ge- legenheit die Wechſel in baares Geld um; mit einem nicht unbetraͤchtlichen Vermoͤgen ging ich unter einem erborgten Namen nach Italien. Verſtand. Ich kam nun mit dem feſten Vorſatze aus der Schule, beſonnener zu leben. Ich verglich mich mit den uͤbrigen Menſchen, und fand, daß ſie haͤufig, ja meiſtentheils einfaͤltiger waren, als ich, es gereute mich doppelt, daß ich mich ſo von ihnen hatte beherrſchen laſſen. Ich ſah ein, daß wenn ich verſteckter und fei- ner handelte, als ſie, ich ſie alle um deſto eher wuͤrde beherrſchen koͤnnen. Denn ſoviel iſt ge- wiß, daß man die Geſellſchaft entweder verlaſ- ſen muß, oder ſich zum Beherrſcher aufwerfen, oder ſich beherrſchen laſſen. Es iſt traurig ge- nug, daß dies die Definition vom Worte Um- gang iſt. Ich hatte es an allen Menſchen mit ſo vielem Unwillen bemerkt, daß ſie ſich zuweilen recht kluge Regeln aus ihren Lebenserfahrungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/444
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/444>, abgerufen am 21.12.2024.