Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
8.
Karl Willmont an Mortimer.

Ich habe doch hier, bey aller meiner Philoso-
phie manche ungeduldige Stunde, und ich glau-
be, ich habe so gut wie jeder andre Verliebte
ein Recht dazu. -- Ich will versuchen, ob ich
mich dadurch zerstreuen kann, wenn ich an Dich
einen Brief schreibe.

In den ersten Tagen kam es mir so ausser-
ordentlich leicht vor, von Emilien entfernt zu
seyn, daß ich ordentlich im Stillen wünschte,
man möchte mir eine schwerere Probe auflegen.
Es ging mir grade wie dem Kranken, der eine
gefährliche Krisis überstanden hat, sich in den
ersten Tagen nach dieser schon für genesen hält,
und sich nicht genug darüber wundern kann,
wie ihn die übrigen Menschen noch bedauren:
aber bald fühlt er die Krankheit und Mattig-
keit in allen seinen Gliedern von neuen, er
wird von neuem ungeduldig und vergißt die
schmerzhaften Tage gänzlich, die jetzt hinter ihm
liegen. -- Du wirst mir wenigstens zugeben,

Lovell. 3r Bd. C
8.
Karl Willmont an Mortimer.

Ich habe doch hier, bey aller meiner Philoſo-
phie manche ungeduldige Stunde, und ich glau-
be, ich habe ſo gut wie jeder andre Verliebte
ein Recht dazu. — Ich will verſuchen, ob ich
mich dadurch zerſtreuen kann, wenn ich an Dich
einen Brief ſchreibe.

In den erſten Tagen kam es mir ſo auſſer-
ordentlich leicht vor, von Emilien entfernt zu
ſeyn, daß ich ordentlich im Stillen wuͤnſchte,
man moͤchte mir eine ſchwerere Probe auflegen.
Es ging mir grade wie dem Kranken, der eine
gefaͤhrliche Kriſis uͤberſtanden hat, ſich in den
erſten Tagen nach dieſer ſchon fuͤr geneſen haͤlt,
und ſich nicht genug daruͤber wundern kann,
wie ihn die uͤbrigen Menſchen noch bedauren:
aber bald fuͤhlt er die Krankheit und Mattig-
keit in allen ſeinen Gliedern von neuen, er
wird von neuem ungeduldig und vergißt die
ſchmerzhaften Tage gaͤnzlich, die jetzt hinter ihm
liegen. — Du wirſt mir wenigſtens zugeben,

Lovell. 3r Bd. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0040" n="33"/>
        <div n="2">
          <head>8.<lb/><hi rendition="#g">Karl Willmont an Mortimer</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">London</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch habe doch hier, bey aller meiner Philo&#x017F;o-<lb/>
phie manche ungeduldige Stunde, und ich glau-<lb/>
be, ich habe &#x017F;o gut wie jeder andre Verliebte<lb/>
ein Recht dazu. &#x2014; Ich will ver&#x017F;uchen, ob ich<lb/>
mich dadurch zer&#x017F;treuen kann, wenn ich an Dich<lb/>
einen Brief &#x017F;chreibe.</p><lb/>
          <p>In den er&#x017F;ten Tagen kam es mir &#x017F;o au&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
ordentlich leicht vor, von Emilien entfernt zu<lb/>
&#x017F;eyn, daß ich ordentlich im Stillen wu&#x0364;n&#x017F;chte,<lb/>
man mo&#x0364;chte mir eine &#x017F;chwerere Probe auflegen.<lb/>
Es ging mir grade wie dem Kranken, der eine<lb/>
gefa&#x0364;hrliche Kri&#x017F;is u&#x0364;ber&#x017F;tanden hat, &#x017F;ich in den<lb/>
er&#x017F;ten Tagen nach die&#x017F;er &#x017F;chon fu&#x0364;r gene&#x017F;en ha&#x0364;lt,<lb/>
und &#x017F;ich nicht genug daru&#x0364;ber wundern kann,<lb/>
wie ihn die u&#x0364;brigen Men&#x017F;chen noch bedauren:<lb/>
aber bald fu&#x0364;hlt er die Krankheit und Mattig-<lb/>
keit in allen &#x017F;einen Gliedern von neuen, er<lb/>
wird von neuem ungeduldig und vergißt die<lb/>
&#x017F;chmerzhaften Tage ga&#x0364;nzlich, die jetzt hinter ihm<lb/>
liegen. &#x2014; Du wir&#x017F;t mir wenig&#x017F;tens zugeben,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Lovell. 3r Bd. C</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0040] 8. Karl Willmont an Mortimer. London. Ich habe doch hier, bey aller meiner Philoſo- phie manche ungeduldige Stunde, und ich glau- be, ich habe ſo gut wie jeder andre Verliebte ein Recht dazu. — Ich will verſuchen, ob ich mich dadurch zerſtreuen kann, wenn ich an Dich einen Brief ſchreibe. In den erſten Tagen kam es mir ſo auſſer- ordentlich leicht vor, von Emilien entfernt zu ſeyn, daß ich ordentlich im Stillen wuͤnſchte, man moͤchte mir eine ſchwerere Probe auflegen. Es ging mir grade wie dem Kranken, der eine gefaͤhrliche Kriſis uͤberſtanden hat, ſich in den erſten Tagen nach dieſer ſchon fuͤr geneſen haͤlt, und ſich nicht genug daruͤber wundern kann, wie ihn die uͤbrigen Menſchen noch bedauren: aber bald fuͤhlt er die Krankheit und Mattig- keit in allen ſeinen Gliedern von neuen, er wird von neuem ungeduldig und vergißt die ſchmerzhaften Tage gaͤnzlich, die jetzt hinter ihm liegen. — Du wirſt mir wenigſtens zugeben, Lovell. 3r Bd. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/40
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/40>, abgerufen am 21.11.2024.