So ist es denn nun aus? völlig aus? -- Ich weiß mich noch immer nicht zu fassen. Ich möchte laut schreyen und klagen, ich möchte es in die ganze weite Natur hineinheulen, wie elend ich bin. -- O wie unbeschreiblich nüch- tern und armseelig endigt sich nun alles, was mich einst in so hohe Begeisterung setzte, was mir eine so seelige Zukunft aufschloß. -- O eine wilde, blinde Wuth ergreift mich, wenn ich daran denke, wenn ich mir alles und jeden Umstand von neuem in die Seele zurückrufe: eine Raserey erschöpft nicht alles, was ich fühle, es giebt keine Aeußerung, die menschliche Na- tur könnte sie nicht aushalten, so wie ich mei- nen Schmerz und Verlust darstellen müßte.
Und warum das? werden Sie fragen. -- Ach, Rosa, bey Ihnen ist es bloße Neugier, die so fragt. -- Sie sind ein glücklicher Mensch. Ich kann mein Unglück an den Gefühlen keines
18. William Lovell an Roſa.
Rom.
So iſt es denn nun aus? voͤllig aus? — Ich weiß mich noch immer nicht zu faſſen. Ich moͤchte laut ſchreyen und klagen, ich moͤchte es in die ganze weite Natur hineinheulen, wie elend ich bin. — O wie unbeſchreiblich nuͤch- tern und armſeelig endigt ſich nun alles, was mich einſt in ſo hohe Begeiſterung ſetzte, was mir eine ſo ſeelige Zukunft aufſchloß. — O eine wilde, blinde Wuth ergreift mich, wenn ich daran denke, wenn ich mir alles und jeden Umſtand von neuem in die Seele zuruͤckrufe: eine Raſerey erſchoͤpft nicht alles, was ich fuͤhle, es giebt keine Aeußerung, die menſchliche Na- tur koͤnnte ſie nicht aushalten, ſo wie ich mei- nen Schmerz und Verluſt darſtellen muͤßte.
Und warum das? werden Sie fragen. — Ach, Roſa, bey Ihnen iſt es bloße Neugier, die ſo fragt. — Sie ſind ein gluͤcklicher Menſch. Ich kann mein Ungluͤck an den Gefuͤhlen keines
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0384"n="377"/><divn="2"><head>18.<lb/><hirendition="#g">William Lovell</hi> an <hirendition="#g">Roſa</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et"><hirendition="#g">Rom</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>o iſt es denn nun aus? voͤllig aus? — Ich<lb/>
weiß mich noch immer nicht zu faſſen. Ich<lb/>
moͤchte laut ſchreyen und klagen, ich moͤchte es<lb/>
in die ganze weite Natur hineinheulen, wie<lb/>
elend ich bin. — O wie unbeſchreiblich nuͤch-<lb/>
tern und armſeelig endigt ſich nun alles, was<lb/>
mich einſt in ſo hohe Begeiſterung ſetzte, was<lb/>
mir eine ſo ſeelige Zukunft aufſchloß. — O<lb/>
eine wilde, blinde Wuth ergreift mich, wenn<lb/>
ich daran denke, wenn ich mir alles und jeden<lb/>
Umſtand von neuem in die Seele zuruͤckrufe:<lb/>
eine Raſerey erſchoͤpft nicht alles, was ich fuͤhle,<lb/>
es giebt keine Aeußerung, die menſchliche Na-<lb/>
tur koͤnnte ſie nicht aushalten, ſo wie ich mei-<lb/>
nen Schmerz und Verluſt darſtellen muͤßte.</p><lb/><p>Und warum das? werden Sie fragen. —<lb/>
Ach, Roſa, bey Ihnen iſt es bloße Neugier,<lb/>
die ſo fragt. — Sie ſind ein gluͤcklicher Menſch.<lb/>
Ich kann mein Ungluͤck an den Gefuͤhlen keines<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[377/0384]
18.
William Lovell an Roſa.
Rom.
So iſt es denn nun aus? voͤllig aus? — Ich
weiß mich noch immer nicht zu faſſen. Ich
moͤchte laut ſchreyen und klagen, ich moͤchte es
in die ganze weite Natur hineinheulen, wie
elend ich bin. — O wie unbeſchreiblich nuͤch-
tern und armſeelig endigt ſich nun alles, was
mich einſt in ſo hohe Begeiſterung ſetzte, was
mir eine ſo ſeelige Zukunft aufſchloß. — O
eine wilde, blinde Wuth ergreift mich, wenn
ich daran denke, wenn ich mir alles und jeden
Umſtand von neuem in die Seele zuruͤckrufe:
eine Raſerey erſchoͤpft nicht alles, was ich fuͤhle,
es giebt keine Aeußerung, die menſchliche Na-
tur koͤnnte ſie nicht aushalten, ſo wie ich mei-
nen Schmerz und Verluſt darſtellen muͤßte.
Und warum das? werden Sie fragen. —
Ach, Roſa, bey Ihnen iſt es bloße Neugier,
die ſo fragt. — Sie ſind ein gluͤcklicher Menſch.
Ich kann mein Ungluͤck an den Gefuͤhlen keines
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/384>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.