Ich hatte ihn, bey meiner Seele, ich hatte ihn schon! Aber er ist mir wieder entkommen, der schändliche Bösewicht. -- Von Räubern ward ich in den [P]iemontesischen Alpen angefal- len, und denke Dir, Mortimer, er war unter ihnen. Ich erkannte ihn sogleich und er er- kannte mich und flohe. -- Mein lahmer Gaul kam nicht nach. Schon gegen mir über, daß ich ihn erreichen konnte, hatt' ich ihn gehabt und nun war er wieder von mir hinweggeflohn. Mein Pferd stürzte endlich an einem hervorra- genden Stein und brach ein Bein, ich lag eine Weile ohne Besinnung; als ich wieder zu mir selbst kam, sah ich ihn nirgends mehr. -- Aber ich muß ihn finden! -- Wüßt' ich nur, wohin ich mich wenden sollte! -- In welchen Schlupf- winkel hat sich der Elende jetzt vor meiner Wuth verkrochen? -- Aber darüber bin ich
45. Karl Wilmont an Mortimer.
Piſa.
Ich hatte ihn, bey meiner Seele, ich hatte ihn ſchon! Aber er iſt mir wieder entkommen, der ſchaͤndliche Boͤſewicht. — Von Raͤubern ward ich in den [P]iemonteſiſchen Alpen angefal- len, und denke Dir, Mortimer, er war unter ihnen. Ich erkannte ihn ſogleich und er er- kannte mich und flohe. — Mein lahmer Gaul kam nicht nach. Schon gegen mir uͤber, daß ich ihn erreichen konnte, hatt' ich ihn gehabt und nun war er wieder von mir hinweggeflohn. Mein Pferd ſtuͤrzte endlich an einem hervorra- genden Stein und brach ein Bein, ich lag eine Weile ohne Beſinnung; als ich wieder zu mir ſelbſt kam, ſah ich ihn nirgends mehr. — Aber ich muß ihn finden! — Wuͤßt' ich nur, wohin ich mich wenden ſollte! — In welchen Schlupf- winkel hat ſich der Elende jetzt vor meiner Wuth verkrochen? — Aber daruͤber bin ich
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45.
Karl Wilmont an Mortimer.
Piſa.
Ich hatte ihn, bey meiner Seele, ich hatte
ihn ſchon! Aber er iſt mir wieder entkommen,
der ſchaͤndliche Boͤſewicht. — Von Raͤubern
ward ich in den Piemonteſiſchen Alpen angefal-
len, und denke Dir, Mortimer, er war unter
ihnen. Ich erkannte ihn ſogleich und er er-
kannte mich und flohe. — Mein lahmer Gaul
kam nicht nach. Schon gegen mir uͤber, daß
ich ihn erreichen konnte, hatt' ich ihn gehabt
und nun war er wieder von mir hinweggeflohn.
Mein Pferd ſtuͤrzte endlich an einem hervorra-
genden Stein und brach ein Bein, ich lag eine
Weile ohne Beſinnung; als ich wieder zu mir
ſelbſt kam, ſah ich ihn nirgends mehr. — Aber
ich muß ihn finden! — Wuͤßt' ich nur, wohin
ich mich wenden ſollte! — In welchen Schlupf-
winkel hat ſich der Elende jetzt vor meiner
Wuth verkrochen? — Aber daruͤber bin ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/315>, abgerufen am 21.11.2024.
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