Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
23.
Francesko an Rosa.

Sie sind sehr gütig, daß Sie sich meiner noch
erinnern -- etwas, das ich aus Ihrem neulichen
Briefe nicht schließen konnte. Sie sprechen von
Gefahren, und sagten doch selbst, daß sie sich in ei-
ner Gefahr befänden, die größer ist, als jede an-
dre, die mich vielleicht einst treffen kann. Jene
dreiste Zuversicht hat mich nun einmal verlassen
und ich weiß nun nicht, wie ich sie wiederbe-
kommen soll. Ihr neulicher Brief war auch
eben nicht gar zu zuversichtlich -- ein Beweis,
daß es leichter sey, einen Rath zu ertheilen,
als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo-
sophie, aber die Ihrige ist mir viel zu spitzfin-
dig, als daß sie mir bequem seyn sollte, und
ich liebe die Bequemlichkeit so sehr, daß ich sie
sogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.

Mögen Sie übrigens diese Erklärung für
Scherz nehmen, denn ich glaube sogar, daß wir
einen viel zu großen Unterschied zwischen Ernst

und
23.
Francesko an Roſa.

Sie ſind ſehr guͤtig, daß Sie ſich meiner noch
erinnern — etwas, das ich aus Ihrem neulichen
Briefe nicht ſchließen konnte. Sie ſprechen von
Gefahren, und ſagten doch ſelbſt, daß ſie ſich in ei-
ner Gefahr befaͤnden, die groͤßer iſt, als jede an-
dre, die mich vielleicht einſt treffen kann. Jene
dreiſte Zuverſicht hat mich nun einmal verlaſſen
und ich weiß nun nicht, wie ich ſie wiederbe-
kommen ſoll. Ihr neulicher Brief war auch
eben nicht gar zu zuverſichtlich — ein Beweis,
daß es leichter ſey, einen Rath zu ertheilen,
als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo-
ſophie, aber die Ihrige iſt mir viel zu ſpitzfin-
dig, als daß ſie mir bequem ſeyn ſollte, und
ich liebe die Bequemlichkeit ſo ſehr, daß ich ſie
ſogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.

Moͤgen Sie uͤbrigens dieſe Erklaͤrung fuͤr
Scherz nehmen, denn ich glaube ſogar, daß wir
einen viel zu großen Unterſchied zwiſchen Ernſt

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0231" n="224"/>
        <div n="2">
          <head>23.<lb/><hi rendition="#g">Francesko</hi> an <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Rom</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>ie &#x017F;ind &#x017F;ehr gu&#x0364;tig, daß Sie &#x017F;ich meiner noch<lb/>
erinnern &#x2014; etwas, das ich aus Ihrem neulichen<lb/>
Briefe nicht &#x017F;chließen konnte. Sie &#x017F;prechen von<lb/>
Gefahren, und &#x017F;agten doch &#x017F;elb&#x017F;t, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in ei-<lb/>
ner Gefahr befa&#x0364;nden, die gro&#x0364;ßer i&#x017F;t, als jede an-<lb/>
dre, die mich vielleicht ein&#x017F;t treffen kann. Jene<lb/>
drei&#x017F;te Zuver&#x017F;icht hat mich nun einmal verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und ich weiß nun nicht, wie ich &#x017F;ie wiederbe-<lb/>
kommen &#x017F;oll. Ihr neulicher Brief war auch<lb/>
eben nicht gar zu zuver&#x017F;ichtlich &#x2014; ein Beweis,<lb/>
daß es leichter &#x017F;ey, einen Rath zu ertheilen,<lb/>
als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo-<lb/>
&#x017F;ophie, aber die Ihrige i&#x017F;t mir viel zu &#x017F;pitzfin-<lb/>
dig, als daß &#x017F;ie mir bequem &#x017F;eyn &#x017F;ollte, und<lb/>
ich liebe die Bequemlichkeit &#x017F;o &#x017F;ehr, daß ich &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.</p><lb/>
          <p>Mo&#x0364;gen Sie u&#x0364;brigens die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung fu&#x0364;r<lb/>
Scherz nehmen, denn ich glaube &#x017F;ogar, daß wir<lb/>
einen viel zu großen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Ern&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0231] 23. Francesko an Roſa. Rom. Sie ſind ſehr guͤtig, daß Sie ſich meiner noch erinnern — etwas, das ich aus Ihrem neulichen Briefe nicht ſchließen konnte. Sie ſprechen von Gefahren, und ſagten doch ſelbſt, daß ſie ſich in ei- ner Gefahr befaͤnden, die groͤßer iſt, als jede an- dre, die mich vielleicht einſt treffen kann. Jene dreiſte Zuverſicht hat mich nun einmal verlaſſen und ich weiß nun nicht, wie ich ſie wiederbe- kommen ſoll. Ihr neulicher Brief war auch eben nicht gar zu zuverſichtlich — ein Beweis, daß es leichter ſey, einen Rath zu ertheilen, als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo- ſophie, aber die Ihrige iſt mir viel zu ſpitzfin- dig, als daß ſie mir bequem ſeyn ſollte, und ich liebe die Bequemlichkeit ſo ſehr, daß ich ſie ſogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe. Moͤgen Sie uͤbrigens dieſe Erklaͤrung fuͤr Scherz nehmen, denn ich glaube ſogar, daß wir einen viel zu großen Unterſchied zwiſchen Ernſt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/231
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/231>, abgerufen am 21.12.2024.