Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
34.
Mortimer an Eduard Burton.

O Freund, seyn Sie ein Mann, bezähmen Sie
Ihren Gram. -- Ihre Schwester ist nicht mehr.
Ich fand sie bloß um sie sterben zu sehn.

Meine Augen sind noch immer von Thrä-
nen naß, ob ich gleich fast nie geweint habe;
aber diese Scenen haben mich ganz erschüttert
und alle Standhaftigkeit in mir umgeworfen.
Sie nannte Ihren Nahmen oft, sie wünschte
Sie herbey, sie läßt Sie durch mich um Ver-
zeihung bitten. -- Wilmont war grade bey mir,
als der Brief ankam, er ritt mit mir hieher.
-- Als sie ihn sah, wandte sie mit der größten
Betrübniß ihr Gesicht abwärts. Karl sah f[ü]rch-
terlich aus. Er starrte mit seinen Augen immer
gerade vorwärts, -- sie schluchzte, -- ein gro-
ßer Krampf drückte an ihrem matten Herzen, --
o ich wünsche eine solche Scene nicht noch ein-
mahl zu erleben. --

34.
Mortimer an Eduard Burton.

O Freund, ſeyn Sie ein Mann, bezaͤhmen Sie
Ihren Gram. — Ihre Schweſter iſt nicht mehr.
Ich fand ſie bloß um ſie ſterben zu ſehn.

Meine Augen ſind noch immer von Thraͤ-
nen naß, ob ich gleich faſt nie geweint habe;
aber dieſe Scenen haben mich ganz erſchuͤttert
und alle Standhaftigkeit in mir umgeworfen.
Sie nannte Ihren Nahmen oft, ſie wuͤnſchte
Sie herbey, ſie laͤßt Sie durch mich um Ver-
zeihung bitten. — Wilmont war grade bey mir,
als der Brief ankam, er ritt mit mir hieher.
— Als ſie ihn ſah, wandte ſie mit der groͤßten
Betruͤbniß ihr Geſicht abwaͤrts. Karl ſah f[uͤ]rch-
terlich aus. Er ſtarrte mit ſeinen Augen immer
gerade vorwaͤrts, — ſie ſchluchzte, — ein gro-
ßer Krampf druͤckte an ihrem matten Herzen, —
o ich wuͤnſche eine ſolche Scene nicht noch ein-
mahl zu erleben. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0160" n="153"/>
        <div n="2">
          <head>34.<lb/><hi rendition="#g">Mortimer</hi> an <hi rendition="#g">Eduard Burton</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Nottingham</hi>,</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">O</hi> Freund, &#x017F;eyn Sie ein Mann, beza&#x0364;hmen Sie<lb/>
Ihren Gram. &#x2014; Ihre Schwe&#x017F;ter i&#x017F;t nicht mehr.<lb/>
Ich fand &#x017F;ie bloß um &#x017F;ie &#x017F;terben zu &#x017F;ehn.</p><lb/>
          <p>Meine Augen &#x017F;ind noch immer von Thra&#x0364;-<lb/>
nen naß, ob ich gleich fa&#x017F;t nie geweint habe;<lb/>
aber die&#x017F;e Scenen haben mich ganz er&#x017F;chu&#x0364;ttert<lb/>
und alle Standhaftigkeit in mir umgeworfen.<lb/>
Sie nannte Ihren Nahmen oft, &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
Sie herbey, &#x017F;ie la&#x0364;ßt Sie durch mich um Ver-<lb/>
zeihung bitten. &#x2014; Wilmont war grade bey mir,<lb/>
als der Brief ankam, er ritt mit mir hieher.<lb/>
&#x2014; Als &#x017F;ie ihn &#x017F;ah, wandte &#x017F;ie mit der gro&#x0364;ßten<lb/>
Betru&#x0364;bniß ihr Ge&#x017F;icht abwa&#x0364;rts. Karl &#x017F;ah f<supplied>u&#x0364;</supplied>rch-<lb/>
terlich aus. Er &#x017F;tarrte mit &#x017F;einen Augen immer<lb/>
gerade vorwa&#x0364;rts, &#x2014; &#x017F;ie &#x017F;chluchzte, &#x2014; ein gro-<lb/>
ßer Krampf dru&#x0364;ckte an ihrem matten Herzen, &#x2014;<lb/>
o ich wu&#x0364;n&#x017F;che eine &#x017F;olche Scene nicht noch ein-<lb/>
mahl zu erleben. &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0160] 34. Mortimer an Eduard Burton. Nottingham, O Freund, ſeyn Sie ein Mann, bezaͤhmen Sie Ihren Gram. — Ihre Schweſter iſt nicht mehr. Ich fand ſie bloß um ſie ſterben zu ſehn. Meine Augen ſind noch immer von Thraͤ- nen naß, ob ich gleich faſt nie geweint habe; aber dieſe Scenen haben mich ganz erſchuͤttert und alle Standhaftigkeit in mir umgeworfen. Sie nannte Ihren Nahmen oft, ſie wuͤnſchte Sie herbey, ſie laͤßt Sie durch mich um Ver- zeihung bitten. — Wilmont war grade bey mir, als der Brief ankam, er ritt mit mir hieher. — Als ſie ihn ſah, wandte ſie mit der groͤßten Betruͤbniß ihr Geſicht abwaͤrts. Karl ſah fuͤrch- terlich aus. Er ſtarrte mit ſeinen Augen immer gerade vorwaͤrts, — ſie ſchluchzte, — ein gro- ßer Krampf druͤckte an ihrem matten Herzen, — o ich wuͤnſche eine ſolche Scene nicht noch ein- mahl zu erleben. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/160
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/160>, abgerufen am 21.11.2024.