Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
33.
Emilie Burton an Mortimer.

Sie werden erstaunen, indem Sie diesen Brief
eröffnen; Sie werden vielleicht unwillig, wenn
Sie die Unterschrift sehen, aber der Freund-
schaft wegen, die Sie für meinen Bruder ha-
ben, würdigen Sie mich, meine Worte anzu-
hören. -- Mein unglücklicher Irrthum wird
Ihnen schon bekannt seyn, verschonen Sie mich
also mit der Erzählung, wie ich elend ward. O
theurer Freund (wenn ich Sie noch so nennen
darf) wüßten Sie, wie viel ich gelitten habe,
Sie würden mir gern vergeben.

Ich scheue mich an meinem Bruder zu schrei-
ben, ich schäme und fürchte mich ihn zu sehn;
ich habe ihn zu sehr beleidigt. Seine Liebe
würde mir weh thun. Ich verließ ihn in ei-
ner Trunkenheit, in einer Raserey, ich wuß-
te nicht was ich that. Ich folgte einem
Unwürdigen, dem ich mein ganzes Herz gege-
ben hatte. -- Ich bildete mir mancher-
ley ein; ach, schon auf dem Wege, schon

33.
Emilie Burton an Mortimer.

Sie werden erſtaunen, indem Sie dieſen Brief
eroͤffnen; Sie werden vielleicht unwillig, wenn
Sie die Unterſchrift ſehen, aber der Freund-
ſchaft wegen, die Sie fuͤr meinen Bruder ha-
ben, wuͤrdigen Sie mich, meine Worte anzu-
hoͤren. — Mein ungluͤcklicher Irrthum wird
Ihnen ſchon bekannt ſeyn, verſchonen Sie mich
alſo mit der Erzaͤhlung, wie ich elend ward. O
theurer Freund (wenn ich Sie noch ſo nennen
darf) wuͤßten Sie, wie viel ich gelitten habe,
Sie wuͤrden mir gern vergeben.

Ich ſcheue mich an meinem Bruder zu ſchrei-
ben, ich ſchaͤme und fuͤrchte mich ihn zu ſehn;
ich habe ihn zu ſehr beleidigt. Seine Liebe
wuͤrde mir weh thun. Ich verließ ihn in ei-
ner Trunkenheit, in einer Raſerey, ich wuß-
te nicht was ich that. Ich folgte einem
Unwuͤrdigen, dem ich mein ganzes Herz gege-
ben hatte. — Ich bildete mir mancher-
ley ein; ach, ſchon auf dem Wege, ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0157" n="150"/>
        <div n="2">
          <head>33.<lb/><hi rendition="#g">Emilie Burton</hi> an <hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">C &#x2026; bey <hi rendition="#g">Nottingham</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>ie werden er&#x017F;taunen, indem Sie die&#x017F;en Brief<lb/>
ero&#x0364;ffnen; Sie werden vielleicht unwillig, wenn<lb/>
Sie die Unter&#x017F;chrift &#x017F;ehen, aber der Freund-<lb/>
&#x017F;chaft wegen, die Sie fu&#x0364;r meinen Bruder ha-<lb/>
ben, wu&#x0364;rdigen Sie mich, meine Worte anzu-<lb/>
ho&#x0364;ren. &#x2014; Mein unglu&#x0364;cklicher Irrthum wird<lb/>
Ihnen &#x017F;chon bekannt &#x017F;eyn, ver&#x017F;chonen Sie mich<lb/>
al&#x017F;o mit der Erza&#x0364;hlung, wie ich elend ward. O<lb/>
theurer Freund (wenn ich Sie noch &#x017F;o nennen<lb/>
darf) wu&#x0364;ßten Sie, wie viel ich gelitten habe,<lb/>
Sie wu&#x0364;rden mir gern vergeben.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;cheue mich an meinem Bruder zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, ich &#x017F;cha&#x0364;me und fu&#x0364;rchte mich ihn zu &#x017F;ehn;<lb/>
ich habe ihn zu &#x017F;ehr beleidigt. Seine Liebe<lb/>
wu&#x0364;rde mir weh thun. Ich verließ ihn in ei-<lb/>
ner Trunkenheit, in einer Ra&#x017F;erey, ich wuß-<lb/>
te nicht was ich that. Ich folgte einem<lb/>
Unwu&#x0364;rdigen, dem ich mein ganzes Herz gege-<lb/>
ben hatte. &#x2014; Ich bildete mir mancher-<lb/>
ley ein; ach, &#x017F;chon auf dem Wege, &#x017F;chon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0157] 33. Emilie Burton an Mortimer. C … bey Nottingham. Sie werden erſtaunen, indem Sie dieſen Brief eroͤffnen; Sie werden vielleicht unwillig, wenn Sie die Unterſchrift ſehen, aber der Freund- ſchaft wegen, die Sie fuͤr meinen Bruder ha- ben, wuͤrdigen Sie mich, meine Worte anzu- hoͤren. — Mein ungluͤcklicher Irrthum wird Ihnen ſchon bekannt ſeyn, verſchonen Sie mich alſo mit der Erzaͤhlung, wie ich elend ward. O theurer Freund (wenn ich Sie noch ſo nennen darf) wuͤßten Sie, wie viel ich gelitten habe, Sie wuͤrden mir gern vergeben. Ich ſcheue mich an meinem Bruder zu ſchrei- ben, ich ſchaͤme und fuͤrchte mich ihn zu ſehn; ich habe ihn zu ſehr beleidigt. Seine Liebe wuͤrde mir weh thun. Ich verließ ihn in ei- ner Trunkenheit, in einer Raſerey, ich wuß- te nicht was ich that. Ich folgte einem Unwuͤrdigen, dem ich mein ganzes Herz gege- ben hatte. — Ich bildete mir mancher- ley ein; ach, ſchon auf dem Wege, ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/157
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/157>, abgerufen am 21.12.2024.