Mir scheint es, als zögen Sie sich jetzt, wenn Sie hier sind, mehr von mir zurück. Die Ur- sache davon kann ich nicht auffinden, und ich wünsche sehr, daß es nur Schein seyn möge.
Ich lebe hier in einem Taumel von einem Tage zum andern, ohne Ruhepunkt oder Still- stand fort. Mein Gemüth ist in einer ewigen Empörung, und alles vor meinen Augen hat eine tanzende Bewegung. Durchschwärmte Näch- te und wiederholte Trunkenheit machen, daß mir die Welt ganz anders erscheint, nicht fröh- licher oder betrübter, aber weit seltsamer und unwichtiger. Man urtheilt nur denn über das Leben am richtigsten, wenn man im eigentlichen Sinne recht viel lebt, nicht nur den Becher ei- ner jeden Freude kostet, sondern ihn bis auf die Hefen leert, und so durch alle Empfindungen geht, deren der Mensch fähig ist. -- Mein Blut fließt unbegreiflich leicht, und meine Ima- gination ist angefrischt, und erstreckt sich auf alle Ideen des menschlichen Geistes.
15. William Lovell an Roſa.
Rom.
Mir ſcheint es, als zoͤgen Sie ſich jetzt, wenn Sie hier ſind, mehr von mir zuruͤck. Die Ur- ſache davon kann ich nicht auffinden, und ich wuͤnſche ſehr, daß es nur Schein ſeyn moͤge.
Ich lebe hier in einem Taumel von einem Tage zum andern, ohne Ruhepunkt oder Still- ſtand fort. Mein Gemuͤth iſt in einer ewigen Empoͤrung, und alles vor meinen Augen hat eine tanzende Bewegung. Durchſchwaͤrmte Naͤch- te und wiederholte Trunkenheit machen, daß mir die Welt ganz anders erſcheint, nicht froͤh- licher oder betruͤbter, aber weit ſeltſamer und unwichtiger. Man urtheilt nur denn uͤber das Leben am richtigſten, wenn man im eigentlichen Sinne recht viel lebt, nicht nur den Becher ei- ner jeden Freude koſtet, ſondern ihn bis auf die Hefen leert, und ſo durch alle Empfindungen geht, deren der Menſch faͤhig iſt. — Mein Blut fließt unbegreiflich leicht, und meine Ima- gination iſt angefriſcht, und erſtreckt ſich auf alle Ideen des menſchlichen Geiſtes.
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15.
William Lovell an Roſa.
Rom.
Mir ſcheint es, als zoͤgen Sie ſich jetzt, wenn
Sie hier ſind, mehr von mir zuruͤck. Die Ur-
ſache davon kann ich nicht auffinden, und ich
wuͤnſche ſehr, daß es nur Schein ſeyn moͤge.
Ich lebe hier in einem Taumel von einem
Tage zum andern, ohne Ruhepunkt oder Still-
ſtand fort. Mein Gemuͤth iſt in einer ewigen
Empoͤrung, und alles vor meinen Augen hat
eine tanzende Bewegung. Durchſchwaͤrmte Naͤch-
te und wiederholte Trunkenheit machen, daß
mir die Welt ganz anders erſcheint, nicht froͤh-
licher oder betruͤbter, aber weit ſeltſamer und
unwichtiger. Man urtheilt nur denn uͤber das
Leben am richtigſten, wenn man im eigentlichen
Sinne recht viel lebt, nicht nur den Becher ei-
ner jeden Freude koſtet, ſondern ihn bis auf die
Hefen leert, und ſo durch alle Empfindungen
geht, deren der Menſch faͤhig iſt. — Mein
Blut fließt unbegreiflich leicht, und meine Ima-
gination iſt angefriſcht, und erſtreckt ſich auf
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/80>, abgerufen am 21.12.2024.
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