Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in einer schönen Einförmigkeit, den einen Tag, so wie den andern, so schreibt man ungern, weil man nichts zu schreiben hat. Ich habe mich mit Rosalinen nun ganz gut eingerichtet, und ich fühle nach langer Zeit die schöne Behaglich- keit wieder, die Erfüllung aller Wünsche zu sehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes ängstliche Herzklopfen, das aus unserm Leben unangenehme Abschnitte macht. Jetzt aber fließt mir die Zeit ruhig vorüber, und jeder Spazier- gang, fast jeder Besuch bey Rosalinen macht uns eine Gelegenheit, der Göttinn der Liebe ein Opfer zu bringen. Ich wäre ganz glücklich, wenn mich der Eigensinn und die Launen Rosa- linens nicht zuweilen störten. Daß sich doch keine von den Armseligkeiten ihres Geschlechtes losmachen kann! Wir streiten zuweilen, und es ist nichts widriger, als ein Zank mit einem Mädchen, das man gern hat; alle wollen be-
Lovell. 2r Bd. N
53. William Lovell an Roſa.
Rom.
Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in einer ſchoͤnen Einfoͤrmigkeit, den einen Tag, ſo wie den andern, ſo ſchreibt man ungern, weil man nichts zu ſchreiben hat. Ich habe mich mit Roſalinen nun ganz gut eingerichtet, und ich fuͤhle nach langer Zeit die ſchoͤne Behaglich- keit wieder, die Erfuͤllung aller Wuͤnſche zu ſehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes aͤngſtliche Herzklopfen, das aus unſerm Leben unangenehme Abſchnitte macht. Jetzt aber fließt mir die Zeit ruhig voruͤber, und jeder Spazier- gang, faſt jeder Beſuch bey Roſalinen macht uns eine Gelegenheit, der Goͤttinn der Liebe ein Opfer zu bringen. Ich waͤre ganz gluͤcklich, wenn mich der Eigenſinn und die Launen Roſa- linens nicht zuweilen ſtoͤrten. Daß ſich doch keine von den Armſeligkeiten ihres Geſchlechtes losmachen kann! Wir ſtreiten zuweilen, und es iſt nichts widriger, als ein Zank mit einem Maͤdchen, das man gern hat; alle wollen be-
Lovell. 2r Bd. N
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53.
William Lovell an Roſa.
Rom.
Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in
einer ſchoͤnen Einfoͤrmigkeit, den einen Tag, ſo
wie den andern, ſo ſchreibt man ungern, weil
man nichts zu ſchreiben hat. Ich habe mich
mit Roſalinen nun ganz gut eingerichtet, und
ich fuͤhle nach langer Zeit die ſchoͤne Behaglich-
keit wieder, die Erfuͤllung aller Wuͤnſche zu
ſehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes
aͤngſtliche Herzklopfen, das aus unſerm Leben
unangenehme Abſchnitte macht. Jetzt aber fließt
mir die Zeit ruhig voruͤber, und jeder Spazier-
gang, faſt jeder Beſuch bey Roſalinen macht
uns eine Gelegenheit, der Goͤttinn der Liebe
ein Opfer zu bringen. Ich waͤre ganz gluͤcklich,
wenn mich der Eigenſinn und die Launen Roſa-
linens nicht zuweilen ſtoͤrten. Daß ſich doch
keine von den Armſeligkeiten ihres Geſchlechtes
losmachen kann! Wir ſtreiten zuweilen, und
es iſt nichts widriger, als ein Zank mit einem
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/199>, abgerufen am 30.12.2024.
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