Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
53.
William Lovell an Rosa.


Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in
einer schönen Einförmigkeit, den einen Tag, so
wie den andern, so schreibt man ungern, weil
man nichts zu schreiben hat. Ich habe mich
mit Rosalinen nun ganz gut eingerichtet, und
ich fühle nach langer Zeit die schöne Behaglich-
keit wieder, die Erfüllung aller Wünsche zu
sehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes
ängstliche Herzklopfen, das aus unserm Leben
unangenehme Abschnitte macht. Jetzt aber fließt
mir die Zeit ruhig vorüber, und jeder Spazier-
gang, fast jeder Besuch bey Rosalinen macht
uns eine Gelegenheit, der Göttinn der Liebe
ein Opfer zu bringen. Ich wäre ganz glücklich,
wenn mich der Eigensinn und die Launen Rosa-
linens nicht zuweilen störten. Daß sich doch
keine von den Armseligkeiten ihres Geschlechtes
losmachen kann! Wir streiten zuweilen, und
es ist nichts widriger, als ein Zank mit einem
Mädchen, das man gern hat; alle wollen be-

Lovell. 2r Bd. N
53.
William Lovell an Roſa.


Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in
einer ſchoͤnen Einfoͤrmigkeit, den einen Tag, ſo
wie den andern, ſo ſchreibt man ungern, weil
man nichts zu ſchreiben hat. Ich habe mich
mit Roſalinen nun ganz gut eingerichtet, und
ich fuͤhle nach langer Zeit die ſchoͤne Behaglich-
keit wieder, die Erfuͤllung aller Wuͤnſche zu
ſehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes
aͤngſtliche Herzklopfen, das aus unſerm Leben
unangenehme Abſchnitte macht. Jetzt aber fließt
mir die Zeit ruhig voruͤber, und jeder Spazier-
gang, faſt jeder Beſuch bey Roſalinen macht
uns eine Gelegenheit, der Goͤttinn der Liebe
ein Opfer zu bringen. Ich waͤre ganz gluͤcklich,
wenn mich der Eigenſinn und die Launen Roſa-
linens nicht zuweilen ſtoͤrten. Daß ſich doch
keine von den Armſeligkeiten ihres Geſchlechtes
losmachen kann! Wir ſtreiten zuweilen, und
es iſt nichts widriger, als ein Zank mit einem
Maͤdchen, das man gern hat; alle wollen be-

Lovell. 2r Bd. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0199" n="193"/>
        <div n="2">
          <head>53.<lb/><hi rendition="#g">William Lovell</hi> an <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>.</head><lb/>
          <dateline>
            <placeName> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rom</hi>.</hi> </placeName>
          </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>enn man recht froh und zufrieden lebt, in<lb/>
einer &#x017F;cho&#x0364;nen Einfo&#x0364;rmigkeit, den einen Tag, &#x017F;o<lb/>
wie den andern, &#x017F;o &#x017F;chreibt man ungern, weil<lb/>
man nichts zu &#x017F;chreiben hat. Ich habe mich<lb/>
mit Ro&#x017F;alinen nun ganz gut eingerichtet, und<lb/>
ich fu&#x0364;hle nach langer Zeit die &#x017F;cho&#x0364;ne Behaglich-<lb/>
keit wieder, die Erfu&#x0364;llung aller Wu&#x0364;n&#x017F;che zu<lb/>
&#x017F;ehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tliche Herzklopfen, das aus un&#x017F;erm Leben<lb/>
unangenehme Ab&#x017F;chnitte macht. Jetzt aber fließt<lb/>
mir die Zeit ruhig voru&#x0364;ber, und jeder Spazier-<lb/>
gang, fa&#x017F;t jeder Be&#x017F;uch bey Ro&#x017F;alinen macht<lb/>
uns eine Gelegenheit, der Go&#x0364;ttinn der Liebe<lb/>
ein Opfer zu bringen. Ich wa&#x0364;re ganz glu&#x0364;cklich,<lb/>
wenn mich der Eigen&#x017F;inn und die Launen Ro&#x017F;a-<lb/>
linens nicht zuweilen &#x017F;to&#x0364;rten. Daß &#x017F;ich doch<lb/>
keine von den Arm&#x017F;eligkeiten ihres Ge&#x017F;chlechtes<lb/>
losmachen kann! Wir &#x017F;treiten zuweilen, und<lb/>
es i&#x017F;t nichts widriger, als ein Zank mit einem<lb/>
Ma&#x0364;dchen, das man gern hat; alle wollen be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Lovell. 2r Bd. N</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0199] 53. William Lovell an Roſa. Rom. Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in einer ſchoͤnen Einfoͤrmigkeit, den einen Tag, ſo wie den andern, ſo ſchreibt man ungern, weil man nichts zu ſchreiben hat. Ich habe mich mit Roſalinen nun ganz gut eingerichtet, und ich fuͤhle nach langer Zeit die ſchoͤne Behaglich- keit wieder, die Erfuͤllung aller Wuͤnſche zu ſehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes aͤngſtliche Herzklopfen, das aus unſerm Leben unangenehme Abſchnitte macht. Jetzt aber fließt mir die Zeit ruhig voruͤber, und jeder Spazier- gang, faſt jeder Beſuch bey Roſalinen macht uns eine Gelegenheit, der Goͤttinn der Liebe ein Opfer zu bringen. Ich waͤre ganz gluͤcklich, wenn mich der Eigenſinn und die Launen Roſa- linens nicht zuweilen ſtoͤrten. Daß ſich doch keine von den Armſeligkeiten ihres Geſchlechtes losmachen kann! Wir ſtreiten zuweilen, und es iſt nichts widriger, als ein Zank mit einem Maͤdchen, das man gern hat; alle wollen be- Lovell. 2r Bd. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/199
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/199>, abgerufen am 30.12.2024.