Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

Bild:
<< vorherige Seite
XX. Handel. Leibs-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation, die aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge entstehet.
§. I.
Extract aus den Acten.

IN eben dem Monat October 1694. als der vorige Handel einlieff, wurde auch folgender an die Facultät geschickt, in welchem ein anderer Priester wegen seines unordentlichen Wandels war in die Inquisition kommen, für deme aber unsere Facultät nicht so favorabel sprechen konte, als vor dem in dem vorigen casu geschehen, weil die Umstände gantz anders waren. Diese Umstände aber kan ich nicht besser beschreiben, als wenn ich den extract aus denen an uns geschickten Actis hersetze, zumahlen da die dem Urtheil beygefügten rationes dieselben etwas zu kurtz und nicht so deutlich referiren.

Der Pfarrherrer P. wird unterschiedlich beschuldiget, und sagen sonderlich in Num. 6. testis 8. & seq. wieder Ihn aus, daß er sehr späte in die Kirche käme, und ofte die Leute wieder heimgiengen, daß er oftmahls sehr truncken sein Amt verrichtete, zu denen Krancken nicht gienge, die Leute auf der Cantzel angriffe, sein Vieh den Leuten Schaden thun liesse, mit seiner Frau sehr ärgerlich lebete, mit dem Feuer gefährlich umgienge, daß die Nachbarn in grosser Gefahr wären, auch schon einmahl Feuer entstanden wäre, sich früh in Brandtewein, Nachmittage in Brühan und Toback vollsöffe, item sehr fluchte. Dergleichen auch schon in n. 5. unterschiedene Zeugen berichtet, auch ferner geklaget, daß Er nicht in die Schule käme, auch die Beichtkinder von seines Collegens Stuhle weg und zu sich ruffte, worauff n. 8. das Consistorium die Special Inquisition angeordnet. Num. 9. sind diese Beschuldigungen in gewisse Inquisitional-Articul gebracht, und der Pfarrer darüber vernommen, der aber alles negiret, jedoch nachhero als die Zeugen abgehöret werden sollen, ultro gestanden, daß Er in einigen Sachen zu viel gethan, so nicht aus Boßheit sondern Schwachheit geschehen, habe auch aus Zorn, weil Er viel Hauß-Creutz ausgestanden und grossen Abgang erlitten, etwas mehr Brandtewein getruncken, habe aber in seinem Amte nichts versehen. Die Zeugen sind hierauff eydlich abgehöret, wollen aber von keiner Gewißheit mehrentheils sagen, son-

XX. Handel. Leibs-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation, die aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge entstehet.
§. I.
Extract aus den Acten.

IN eben dem Monat October 1694. als der vorige Handel einlieff, wurde auch folgender an die Facultät geschickt, in welchem ein anderer Priester wegen seines unordentlichen Wandels war in die Inquisition kommen, für deme aber unsere Facultät nicht so favorabel sprechen konte, als vor dem in dem vorigen casu geschehen, weil die Umstände gantz anders waren. Diese Umstände aber kan ich nicht besser beschreiben, als wenn ich den extract aus denen an uns geschickten Actis hersetze, zumahlen da die dem Urtheil beygefügten rationes dieselben etwas zu kurtz und nicht so deutlich referiren.

Der Pfarrherrer P. wird unterschiedlich beschuldiget, und sagen sonderlich in Num. 6. testis 8. & seq. wieder Ihn aus, daß er sehr späte in die Kirche käme, und ofte die Leute wieder heimgiengen, daß er oftmahls sehr truncken sein Amt verrichtete, zu denen Krancken nicht gienge, die Leute auf der Cantzel angriffe, sein Vieh den Leuten Schaden thun liesse, mit seiner Frau sehr ärgerlich lebete, mit dem Feuer gefährlich umgienge, daß die Nachbarn in grosser Gefahr wären, auch schon einmahl Feuer entstanden wäre, sich früh in Brandtewein, Nachmittage in Brühan und Toback vollsöffe, item sehr fluchte. Dergleichen auch schon in n. 5. unterschiedene Zeugen berichtet, auch ferner geklaget, daß Er nicht in die Schule käme, auch die Beichtkinder von seines Collegens Stuhle weg und zu sich ruffte, worauff n. 8. das Consistorium die Special Inquisition angeordnet. Num. 9. sind diese Beschuldigungen in gewisse Inquisitional-Articul gebracht, und der Pfarrer darüber vernommen, der aber alles negiret, jedoch nachhero als die Zeugen abgehöret werden sollen, ultro gestanden, daß Er in einigen Sachen zu viel gethan, so nicht aus Boßheit sondern Schwachheit geschehen, habe auch aus Zorn, weil Er viel Hauß-Creutz ausgestanden und grossen Abgang erlitten, etwas mehr Brandtewein getruncken, habe aber in seinem Amte nichts versehen. Die Zeugen sind hierauff eydlich abgehöret, wollen aber von keiner Gewißheit mehrentheils sagen, son-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0230" n="214"/>
      </div>
      <div>
        <head>XX. Handel. Leibs-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation, die aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge entstehet.</head><lb/>
      </div>
      <div>
        <head>§. I.</head><lb/>
        <note place="left"><hi rendition="#i">Extract</hi> aus den <hi rendition="#i">Acten</hi>.</note>
        <p>IN eben dem Monat October 1694. als der vorige Handel einlieff, wurde auch                      folgender an die Facultät geschickt, in welchem ein anderer Priester wegen                      seines unordentlichen Wandels war in die Inquisition kommen, für deme aber                      unsere Facultät nicht so favorabel sprechen konte, als vor dem in dem vorigen                      casu geschehen, weil die Umstände gantz anders waren. Diese Umstände aber kan                      ich nicht besser beschreiben, als wenn ich den extract aus denen an uns                      geschickten Actis hersetze, zumahlen da die dem Urtheil beygefügten rationes                      dieselben etwas zu kurtz und nicht so deutlich referiren.</p>
        <p>Der Pfarrherrer P. wird unterschiedlich beschuldiget, und sagen sonderlich in                      Num. 6. testis 8. &amp; seq. wieder Ihn aus, daß er sehr späte in die Kirche                      käme, und ofte die Leute wieder heimgiengen, daß er oftmahls sehr truncken sein                      Amt verrichtete, zu denen Krancken nicht gienge, die Leute auf der Cantzel                      angriffe, sein Vieh den Leuten Schaden thun liesse, mit seiner Frau sehr                      ärgerlich lebete, mit dem Feuer gefährlich umgienge, daß die Nachbarn in grosser                      Gefahr wären, auch schon einmahl Feuer entstanden wäre, sich früh in                      Brandtewein, Nachmittage in Brühan und Toback vollsöffe, item sehr fluchte.                      Dergleichen auch schon in n. 5. unterschiedene Zeugen berichtet, auch ferner                      geklaget, daß Er nicht in die Schule käme, auch die Beichtkinder von seines                      Collegens Stuhle weg und zu sich ruffte, worauff n. 8. das Consistorium die                      Special Inquisition angeordnet. Num. 9. sind diese Beschuldigungen in gewisse                      Inquisitional-Articul gebracht, und der Pfarrer darüber vernommen, der aber                      alles negiret, jedoch nachhero als die Zeugen abgehöret werden sollen, ultro                      gestanden, daß Er in einigen Sachen zu viel gethan, so nicht aus Boßheit sondern                      Schwachheit geschehen, habe auch aus Zorn, weil Er viel Hauß-Creutz ausgestanden                      und grossen Abgang erlitten, etwas mehr Brandtewein getruncken, habe aber in                      seinem Amte nichts versehen. Die Zeugen sind hierauff eydlich abgehöret, wollen                      aber von keiner Gewißheit mehrentheils sagen, son-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0230] XX. Handel. Leibs-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation, die aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge entstehet. §. I. IN eben dem Monat October 1694. als der vorige Handel einlieff, wurde auch folgender an die Facultät geschickt, in welchem ein anderer Priester wegen seines unordentlichen Wandels war in die Inquisition kommen, für deme aber unsere Facultät nicht so favorabel sprechen konte, als vor dem in dem vorigen casu geschehen, weil die Umstände gantz anders waren. Diese Umstände aber kan ich nicht besser beschreiben, als wenn ich den extract aus denen an uns geschickten Actis hersetze, zumahlen da die dem Urtheil beygefügten rationes dieselben etwas zu kurtz und nicht so deutlich referiren. Der Pfarrherrer P. wird unterschiedlich beschuldiget, und sagen sonderlich in Num. 6. testis 8. & seq. wieder Ihn aus, daß er sehr späte in die Kirche käme, und ofte die Leute wieder heimgiengen, daß er oftmahls sehr truncken sein Amt verrichtete, zu denen Krancken nicht gienge, die Leute auf der Cantzel angriffe, sein Vieh den Leuten Schaden thun liesse, mit seiner Frau sehr ärgerlich lebete, mit dem Feuer gefährlich umgienge, daß die Nachbarn in grosser Gefahr wären, auch schon einmahl Feuer entstanden wäre, sich früh in Brandtewein, Nachmittage in Brühan und Toback vollsöffe, item sehr fluchte. Dergleichen auch schon in n. 5. unterschiedene Zeugen berichtet, auch ferner geklaget, daß Er nicht in die Schule käme, auch die Beichtkinder von seines Collegens Stuhle weg und zu sich ruffte, worauff n. 8. das Consistorium die Special Inquisition angeordnet. Num. 9. sind diese Beschuldigungen in gewisse Inquisitional-Articul gebracht, und der Pfarrer darüber vernommen, der aber alles negiret, jedoch nachhero als die Zeugen abgehöret werden sollen, ultro gestanden, daß Er in einigen Sachen zu viel gethan, so nicht aus Boßheit sondern Schwachheit geschehen, habe auch aus Zorn, weil Er viel Hauß-Creutz ausgestanden und grossen Abgang erlitten, etwas mehr Brandtewein getruncken, habe aber in seinem Amte nichts versehen. Die Zeugen sind hierauff eydlich abgehöret, wollen aber von keiner Gewißheit mehrentheils sagen, son-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI. (2012-11-23T14:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/230
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/230>, abgerufen am 21.11.2024.