Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebe gegen uns selbst.
wechselung alle Gliedmassen insonderheit
vergnüget/ auch endlich alle seine Kräffte und
Vermögen anwendet/ sein Leben wider alle
äusserliche Gewalt
zu verthäydigen. Denn
dieses alles sind gantz offenbare Conclufiones, die
aus der Lehre des ersten Hauptstückes hergeleitet
werden.

7.

Und also ist gar leichte zu wissen/ wodurch
er sein Leben verkürtze/ nemlich wenn er alles/
was wir jetzo erzehlet haben oder nur ein Stück
davon nicht in acht nimmt/ oder vielmehr das Ge-
genspiel zu thun sich befleißiget.

8.

Jedoch muß der Mensch nicht meinen/ daß/
wenn er dieses/ was er zu Erhaltung seines Le-
bens in der Natur gegründet zu seyn befindet/
in acht nimmt/ auch nothwendig sein Leben
so lange dauren
müsse/ als nach denen natür-
lichen Regeln geschienen/ daß es dauren solte.
Denn GOtt hat die vernünfftigen Regeln nicht
sich/ sondern dem Menschen vorgeschrieben/ und
durch die tägliche allgemeine Erfahrung lehret
er alle Menschen so viel/ daß wenn sie dieselbigen
muthwillig überschreiten/ sie an der Verkür-
tzung ihres Lebens Ursache seyn/
auch keine
Ursache in der Natur/ oder der Erfahrung fin-
den/ daß sie wahrscheinlich hoffen solten/ GOtt
wolle vermittelst seiner Allmacht ausserordentlich
wider den Lauff der Natur ihr Leben erhalten.

9.

Jm Gegentheil aber weiset auch die tägli-
che Erfahrung/ daß GOtt diejenigen/ die noch so

wohl
Y

Liebe gegen uns ſelbſt.
wechſelung alle Gliedmaſſen inſonderheit
vergnuͤget/ auch endlich alle ſeine Kraͤffte und
Vermoͤgen anwendet/ ſein Leben wider alle
aͤuſſerliche Gewalt
zu verthaͤydigen. Denn
dieſes alles ſind gantz offenbare Conclufiones, die
aus der Lehre des erſten Hauptſtuͤckes hergeleitet
werden.

7.

Und alſo iſt gar leichte zu wiſſen/ wodurch
er ſein Leben verkuͤrtze/ nemlich wenn er alles/
was wir jetzo erzehlet haben oder nur ein Stuͤck
davon nicht in acht nimmt/ oder vielmehr das Ge-
genſpiel zu thun ſich befleißiget.

8.

Jedoch muß der Menſch nicht meinen/ daß/
wenn er dieſes/ was er zu Erhaltung ſeines Le-
bens in der Natur gegruͤndet zu ſeyn befindet/
in acht nimmt/ auch nothwendig ſein Leben
ſo lange dauren
muͤſſe/ als nach denen natuͤr-
lichen Regeln geſchienen/ daß es dauren ſolte.
Denn GOtt hat die vernuͤnfftigen Regeln nicht
ſich/ ſondern dem Menſchen vorgeſchrieben/ und
durch die taͤgliche allgemeine Erfahrung lehret
er alle Menſchen ſo viel/ daß wenn ſie dieſelbigen
muthwillig uͤberſchreiten/ ſie an der Verkuͤr-
tzung ihres Lebens Urſache ſeyn/
auch keine
Urſache in der Natur/ oder der Erfahrung fin-
den/ daß ſie wahrſcheinlich hoffen ſolten/ GOtt
wolle vermittelſt ſeiner Allmacht auſſerordentlich
wider den Lauff der Natur ihr Leben erhalten.

9.

Jm Gegentheil aber weiſet auch die taͤgli-
che Erfahrung/ daß GOtt diejenigen/ die noch ſo

wohl
Y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0369" n="341[337]"/><fw place="top" type="header">Liebe gegen uns &#x017F;elb&#x017F;t.</fw><lb/>
wech&#x017F;elung <hi rendition="#fr">alle Gliedma&#x017F;&#x017F;en in&#x017F;onderheit</hi><lb/>
vergnu&#x0364;get/ auch endlich alle &#x017F;eine Kra&#x0364;ffte und<lb/>
Vermo&#x0364;gen anwendet/ &#x017F;ein Leben <hi rendition="#fr">wider alle<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Gewalt</hi> zu vertha&#x0364;ydigen. Denn<lb/>
die&#x017F;es alles &#x017F;ind gantz offenbare <hi rendition="#aq">Conclufiones,</hi> die<lb/>
aus der Lehre des er&#x017F;ten Haupt&#x017F;tu&#x0364;ckes hergeleitet<lb/>
werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>7.</head>
            <p>Und al&#x017F;o i&#x017F;t gar leichte zu wi&#x017F;&#x017F;en/ wodurch<lb/>
er <hi rendition="#fr">&#x017F;ein Leben verku&#x0364;rtze/</hi> nemlich wenn er alles/<lb/>
was wir jetzo erzehlet haben oder nur ein Stu&#x0364;ck<lb/>
davon nicht in acht nimmt/ oder vielmehr das Ge-<lb/>
gen&#x017F;piel zu thun &#x017F;ich befleißiget.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>8.</head>
            <p>Jedoch muß der Men&#x017F;ch nicht meinen/ daß/<lb/>
wenn er die&#x017F;es/ was er zu Erhaltung &#x017F;eines Le-<lb/>
bens in der Natur gegru&#x0364;ndet zu &#x017F;eyn befindet/<lb/>
in acht nimmt/ auch <hi rendition="#fr">nothwendig &#x017F;ein Leben<lb/>
&#x017F;o lange dauren</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ als nach denen natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Regeln ge&#x017F;chienen/ daß es dauren &#x017F;olte.<lb/>
Denn GOtt hat die vernu&#x0364;nfftigen Regeln nicht<lb/>
&#x017F;ich/ &#x017F;ondern dem Men&#x017F;chen vorge&#x017F;chrieben/ und<lb/>
durch die ta&#x0364;gliche allgemeine Erfahrung lehret<lb/>
er alle Men&#x017F;chen &#x017F;o viel/ daß wenn &#x017F;ie die&#x017F;elbigen<lb/>
muthwillig u&#x0364;ber&#x017F;chreiten/ <hi rendition="#fr">&#x017F;ie an der Verku&#x0364;r-<lb/>
tzung ihres Lebens Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn/</hi> auch keine<lb/>
Ur&#x017F;ache in der Natur/ oder der Erfahrung fin-<lb/>
den/ daß &#x017F;ie wahr&#x017F;cheinlich hoffen &#x017F;olten/ GOtt<lb/>
wolle vermittel&#x017F;t &#x017F;einer Allmacht au&#x017F;&#x017F;erordentlich<lb/>
wider den Lauff der Natur ihr Leben erhalten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>9.</head>
            <p>Jm Gegentheil aber wei&#x017F;et auch die ta&#x0364;gli-<lb/>
che Erfahrung/ daß GOtt diejenigen/ die noch &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y</fw><fw place="bottom" type="catch">wohl</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341[337]/0369] Liebe gegen uns ſelbſt. wechſelung alle Gliedmaſſen inſonderheit vergnuͤget/ auch endlich alle ſeine Kraͤffte und Vermoͤgen anwendet/ ſein Leben wider alle aͤuſſerliche Gewalt zu verthaͤydigen. Denn dieſes alles ſind gantz offenbare Conclufiones, die aus der Lehre des erſten Hauptſtuͤckes hergeleitet werden. 7. Und alſo iſt gar leichte zu wiſſen/ wodurch er ſein Leben verkuͤrtze/ nemlich wenn er alles/ was wir jetzo erzehlet haben oder nur ein Stuͤck davon nicht in acht nimmt/ oder vielmehr das Ge- genſpiel zu thun ſich befleißiget. 8. Jedoch muß der Menſch nicht meinen/ daß/ wenn er dieſes/ was er zu Erhaltung ſeines Le- bens in der Natur gegruͤndet zu ſeyn befindet/ in acht nimmt/ auch nothwendig ſein Leben ſo lange dauren muͤſſe/ als nach denen natuͤr- lichen Regeln geſchienen/ daß es dauren ſolte. Denn GOtt hat die vernuͤnfftigen Regeln nicht ſich/ ſondern dem Menſchen vorgeſchrieben/ und durch die taͤgliche allgemeine Erfahrung lehret er alle Menſchen ſo viel/ daß wenn ſie dieſelbigen muthwillig uͤberſchreiten/ ſie an der Verkuͤr- tzung ihres Lebens Urſache ſeyn/ auch keine Urſache in der Natur/ oder der Erfahrung fin- den/ daß ſie wahrſcheinlich hoffen ſolten/ GOtt wolle vermittelſt ſeiner Allmacht auſſerordentlich wider den Lauff der Natur ihr Leben erhalten. 9. Jm Gegentheil aber weiſet auch die taͤgli- che Erfahrung/ daß GOtt diejenigen/ die noch ſo wohl Y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/369
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 341[337]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/369>, abgerufen am 13.11.2024.