Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 7. H. von den unterschiedenen bemühet sich ihn dahin zu bringen/ daß er mit ihmehernach zugleich fortgehen könne. Und weil zwey Tugend-Schüler darnach streben sollen/ die Tugend in einem hohen Grad zu erlangen/ so kan es nicht fehlen/ es müsse auch hernach ihre Liebe aufhören unvollkommen zu seyn/ und sich der Gemeinmachung immer mehr und mehr nä- hern. 19. Derowegen ist es eine Anzeigung/ daß die 20. Aus denen bißherigen Betrachtungen bey-
Das 7. H. von den unterſchiedenen bemuͤhet ſich ihn dahin zu bringen/ daß er mit ihmehernach zugleich fortgehen koͤnne. Und weil zwey Tugend-Schuͤler darnach ſtreben ſollen/ die Tugend in einem hohen Grad zu erlangen/ ſo kan es nicht fehlen/ es muͤſſe auch hernach ihre Liebe aufhoͤren unvollkommen zu ſeyn/ und ſich der Gemeinmachung immer mehr und mehr naͤ- hern. 19. Derowegen iſt es eine Anzeigung/ daß die 20. Aus denen bißherigen Betrachtungen bey-
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Das 7. H. von den unterſchiedenen
bemuͤhet ſich ihn dahin zu bringen/ daß er mit ihme
hernach zugleich fortgehen koͤnne. Und weil
zwey Tugend-Schuͤler darnach ſtreben ſollen/
die Tugend in einem hohen Grad zu erlangen/ ſo
kan es nicht fehlen/ es muͤſſe auch hernach ihre
Liebe aufhoͤren unvollkommen zu ſeyn/ und ſich
der Gemeinmachung immer mehr und mehr naͤ-
hern.
19. Derowegen iſt es eine Anzeigung/ daß die
Exempel vollkommener gleicher Liebe ſehr
rar ſeyn muͤſſen/ weil wir ſo wenig Exempel fin-
den/ daß unter liebhabenden Perſonen eine voͤl-
lige Gemeinmachung aller Dinge ſey. Son-
dern wir leben in einer ſolchen Zeit/ da der unter-
ſte Grad der vernuͤnfftigen Liebe etwas ra-
res iſt. Deswegen auch ihrer viel alle Liebe vor
unvernuͤnfftig halten/ oder ſagen/ die vernuͤnffti-
ge Liebe ſey gleich wie der Vogel Phœnix, der
auſſer dem Gehirne der Menſchen nirgends wo
einen Selbſtand habe/
20. Aus denen bißherigen Betrachtungen
wird es nun gar leicht ſeyn/ etliche Fragen zu be-
antworten/ die man in der Lehre von der Liebe
als ſehr zweiffelhafft und ſchwer zu eroͤrtern aus-
zugeben pfleget: (I) Ob es mehr Vergnuͤgen
gebe/ lieben oder geliebet werden? Dieſe
Frage iſt mehr ſubtil als nuͤtzlich. Denn wenn
wir eines von dieſen beyden/ ohne das andere be-
trachten/ nemlich lieben ohne geliebet wer-
den/ oder geliebet werden ohne lieben/ ſo iſt
bey-
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