Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Liebe aller Menschen. wenn du gedultig bist/ als du es oben beschrieben.Alleine wenn wir von zukünfftigen Dingen raiso- niren wollen/ müssen wir uns nicht nach denen richten die selten/ sondern die zum öfftern und am meisten geschehen. Nun wird dir aber die Ver- nunfft bald zeigen/ daß wenn unter hundert Leuten derer Beleydigung du mit Gedult vertragen/ 5. seyn/ die dich so irraisonabel tractiren solten/ ihrer hergegen 95. seyn werden/ die solches aus dem An- trieb ihrer Natur unterlassen/ und Friede mit dir halten werden. 91. Denn entweder dein Beleydiger ist ge- 92. Jst er Ehrgeitzig/ so wird es ihm entwe- 93. Jst er Geldgeitzig/ so wird ihm deine Ge- ren/ Q
Liebe aller Menſchen. wenn du gedultig biſt/ als du es oben beſchrieben.Alleine wenn wir von zukuͤnfftigen Dingen raiſo- niren wollen/ muͤſſen wir uns nicht nach denen richten die ſelten/ ſondern die zum oͤfftern und am meiſten geſchehen. Nun wird dir aber die Ver- nunfft bald zeigen/ daß wenn unter hundert Leuten derer Beleydigung du mit Gedult vertragen/ 5. ſeyn/ die dich ſo irraiſonabel tractiren ſolten/ ihrer hergegen 95. ſeyn werden/ die ſolches aus dem An- trieb ihrer Natur unterlaſſen/ und Friede mit dir halten werden. 91. Denn entweder dein Beleydiger iſt ge- 92. Jſt er Ehrgeitzig/ ſo wird es ihm entwe- 93. Jſt er Geldgeitzig/ ſo wird ihm deine Ge- ren/ Q
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Liebe aller Menſchen.
wenn du gedultig biſt/ als du es oben beſchrieben.
Alleine wenn wir von zukuͤnfftigen Dingen raiſo-
niren wollen/ muͤſſen wir uns nicht nach denen
richten die ſelten/ ſondern die zum oͤfftern und am
meiſten geſchehen. Nun wird dir aber die Ver-
nunfft bald zeigen/ daß wenn unter hundert Leuten
derer Beleydigung du mit Gedult vertragen/ 5.
ſeyn/ die dich ſo irraiſonabel tractiren ſolten/ ihrer
hergegen 95. ſeyn werden/ die ſolches aus dem An-
trieb ihrer Natur unterlaſſen/ und Friede mit dir
halten werden.
91. Denn entweder dein Beleydiger iſt ge-
nereux, und hat dich mehr aus Verſehen als mit
Vorſatz beleydiget/ ſo wird ihm ſeine Generoſitaͤt
antreiben/ dir von freyen Stuͤcken deſto mehr Sa-
tisfaction fuͤr die geſchehene Beleydigung zu ge-
ben/ je groͤſſer deine Gedult iſt. Oder aber er iſt
ein Sclave ſeiner Affecten/ ſo wird er doch or-
dentlich dich nicht leichte wieder beleydigen/
wenn ihn gleich deine Gedult nicht antreiben ſolte/
dir Satisfaction zu geben.
92. Jſt er Ehrgeitzig/ ſo wird es ihm entwe-
der wohl gefallen/ daß du das angethane Unrecht
verdauet/ und wird dich kuͤnfftig als einen Clien-
ten beſſer in acht nehmen; Oder er wird dich in ſei-
nen Hertzen als einen feigen und verzagten Kerl
verachten/ und ſich zu gut darzu achten/ daß er ſich
weiter an dich reiben ſolte.
93. Jſt er Geldgeitzig/ ſo wird ihm deine Ge-
dult antreiben dich kuͤnfftig glimpfflicher zu tracti-
ren/
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