Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebe aller Menschen.
sern Vermögen ist/ so verstehet es sich gar
leichtlich/ daß hierzu zweyerley erfvrdert werde/
erstlich daß die Sache oder die Thatunsere na-
türliche Kräffte
nicht betreffe. Zum an-
dern/ daß uns auch durch die Gesetze dieselbe
nicht verboten oder entzogen sey. Und also kön-
nen wir uns nicht verbinden (1) unmögliche/ (2)
unzuläßliche Dinge zu halten/ vielweniger von an-
derer Leute (3) ihren Sachen oder (4) Thaten
etwas versprechen/ wie wir denn auch aus eben
der Ursache (5) unser eigenes Thun und Lassen/
das schon andern verpflichtet ist/ nicht von neuen
an andere versprechen können/ welches alles so
wohl von denen Rechtsgelehrten hin und wider/
als auch von uns selbst anderswo albereit aus-
führlich erkläret worden.

52.

Die Leutseeligkeit und Wahrhaff-
tigkeit/
die von denen wir bißhero gehandelt/
treiben den Menschen an/ daß er andern Men-
schen gleiches erweise/ was er von ihnen gewär-
tig ist/ die folgenden zwey Tugenden abet/ nem-
lich die Bescheidenheit und Verträgligkeit
zeigen ihm/ daß er alles Thun und Lassen dar-
aus eine Ungleichheit entstehen könte/ unter-
wegen lassen solle/ nemlich daß er weder sich
mehr
zu eigne als ihm gehöret/ wohin ihm die
Bescheidenheit
weiset/ noch dem andern an
dem was ihm gehöret einigen Schaden zufü-
ge/ welches die Verträgligkeit haben wil.

53. Die

Liebe aller Menſchen.
ſern Vermoͤgen iſt/ ſo verſtehet es ſich gar
leichtlich/ daß hierzu zweyerley erfvrdert werde/
erſtlich daß die Sache oder die Thatunſere na-
tuͤrliche Kraͤffte
nicht betreffe. Zum an-
dern/ daß uns auch durch die Geſetze dieſelbe
nicht verboten oder entzogen ſey. Und alſo koͤn-
nen wir uns nicht verbinden (1) unmoͤgliche/ (2)
unzulaͤßliche Dinge zu halten/ vielweniger von an-
derer Leute (3) ihren Sachen oder (4) Thaten
etwas verſprechen/ wie wir denn auch aus eben
der Urſache (5) unſer eigenes Thun und Laſſen/
das ſchon andern verpflichtet iſt/ nicht von neuen
an andere verſprechen koͤnnen/ welches alles ſo
wohl von denen Rechtsgelehrten hin und wider/
als auch von uns ſelbſt anderswo albereit aus-
fuͤhrlich erklaͤret worden.

52.

Die Leutſeeligkeit und Wahrhaff-
tigkeit/
die von denen wir bißhero gehandelt/
treiben den Menſchen an/ daß er andern Men-
ſchen gleiches erweiſe/ was er von ihnen gewaͤr-
tig iſt/ die folgenden zwey Tugenden abet/ nem-
lich die Beſcheidenheit und Vertraͤgligkeit
zeigen ihm/ daß er alles Thun und Laſſen dar-
aus eine Ungleichheit entſtehen koͤnte/ unter-
wegen laſſen ſolle/ nemlich daß er weder ſich
mehr
zu eigne als ihm gehoͤret/ wohin ihm die
Beſcheidenheit
weiſet/ noch dem andern an
dem was ihm gehoͤret einigen Schaden zufuͤ-
ge/ welches die Vertraͤgligkeit haben wil.

53. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0255" n="225[223]"/><fw place="top" type="header">Liebe aller Men&#x017F;chen.</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ern Vermo&#x0364;gen</hi> i&#x017F;t/ &#x017F;o ver&#x017F;tehet es &#x017F;ich gar<lb/>
leichtlich/ daß hierzu zweyerley erfvrdert werde/<lb/>
er&#x017F;tlich daß die Sache oder die Thatun&#x017F;ere <hi rendition="#fr">na-<lb/>
tu&#x0364;rliche Kra&#x0364;ffte</hi> nicht betreffe. Zum an-<lb/>
dern/ daß uns auch <hi rendition="#fr">durch die Ge&#x017F;etze</hi> die&#x017F;elbe<lb/>
nicht verboten oder entzogen &#x017F;ey. Und al&#x017F;o ko&#x0364;n-<lb/>
nen wir uns nicht verbinden (1) unmo&#x0364;gliche/ (2)<lb/>
unzula&#x0364;ßliche Dinge zu halten/ vielweniger von an-<lb/>
derer Leute (3) ihren Sachen oder (4) Thaten<lb/>
etwas ver&#x017F;prechen/ wie wir denn auch aus eben<lb/>
der Ur&#x017F;ache (5) un&#x017F;er eigenes Thun und La&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
das &#x017F;chon andern verpflichtet i&#x017F;t/ nicht von neuen<lb/>
an andere ver&#x017F;prechen ko&#x0364;nnen/ welches alles &#x017F;o<lb/>
wohl von denen Rechtsgelehrten hin und wider/<lb/>
als auch von uns &#x017F;elb&#x017F;t anderswo albereit aus-<lb/>
fu&#x0364;hrlich erkla&#x0364;ret worden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>52.</head>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Leut&#x017F;eeligkeit</hi> und <hi rendition="#fr">Wahrhaff-<lb/>
tigkeit/</hi> die von denen wir bißhero gehandelt/<lb/>
treiben den Men&#x017F;chen an/ daß er andern Men-<lb/>
&#x017F;chen <hi rendition="#fr">gleiches</hi> erwei&#x017F;e/ was er von ihnen gewa&#x0364;r-<lb/>
tig i&#x017F;t/ die folgenden zwey Tugenden abet/ nem-<lb/>
lich die <hi rendition="#fr">Be&#x017F;cheidenheit</hi> und <hi rendition="#fr">Vertra&#x0364;gligkeit</hi><lb/>
zeigen ihm/ daß er alles Thun und La&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">dar-</hi><lb/>
aus eine <hi rendition="#fr">Ungleichheit</hi> ent&#x017F;tehen ko&#x0364;nte/ unter-<lb/>
wegen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle/ nemlich daß er weder <hi rendition="#fr">&#x017F;ich<lb/>
mehr</hi> zu eigne als ihm geho&#x0364;ret/ wohin ihm <hi rendition="#fr">die<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit</hi> wei&#x017F;et/ noch <hi rendition="#fr">dem andern</hi> an<lb/>
dem was ihm geho&#x0364;ret <hi rendition="#fr">einigen Schaden</hi> zufu&#x0364;-<lb/>
ge/ welches die <hi rendition="#fr">Vertra&#x0364;gligkeit</hi> haben wil.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">53. Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225[223]/0255] Liebe aller Menſchen. ſern Vermoͤgen iſt/ ſo verſtehet es ſich gar leichtlich/ daß hierzu zweyerley erfvrdert werde/ erſtlich daß die Sache oder die Thatunſere na- tuͤrliche Kraͤffte nicht betreffe. Zum an- dern/ daß uns auch durch die Geſetze dieſelbe nicht verboten oder entzogen ſey. Und alſo koͤn- nen wir uns nicht verbinden (1) unmoͤgliche/ (2) unzulaͤßliche Dinge zu halten/ vielweniger von an- derer Leute (3) ihren Sachen oder (4) Thaten etwas verſprechen/ wie wir denn auch aus eben der Urſache (5) unſer eigenes Thun und Laſſen/ das ſchon andern verpflichtet iſt/ nicht von neuen an andere verſprechen koͤnnen/ welches alles ſo wohl von denen Rechtsgelehrten hin und wider/ als auch von uns ſelbſt anderswo albereit aus- fuͤhrlich erklaͤret worden. 52. Die Leutſeeligkeit und Wahrhaff- tigkeit/ die von denen wir bißhero gehandelt/ treiben den Menſchen an/ daß er andern Men- ſchen gleiches erweiſe/ was er von ihnen gewaͤr- tig iſt/ die folgenden zwey Tugenden abet/ nem- lich die Beſcheidenheit und Vertraͤgligkeit zeigen ihm/ daß er alles Thun und Laſſen dar- aus eine Ungleichheit entſtehen koͤnte/ unter- wegen laſſen ſolle/ nemlich daß er weder ſich mehr zu eigne als ihm gehoͤret/ wohin ihm die Beſcheidenheit weiſet/ noch dem andern an dem was ihm gehoͤret einigen Schaden zufuͤ- ge/ welches die Vertraͤgligkeit haben wil. 53. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/255
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 225[223]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/255>, abgerufen am 21.11.2024.