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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 4. Hauptst. von der vernünfftigen
thun/ als durch andere unschuldige Liebes-
Bezeugungen
den geneigten Willen zu er-
kennen zu geben/ die geliebte Person auch hier-
innen zu vergnügen/ wenn es die Gesetze zulies-
sen: auch den schwächern Theil durch ein gutes
Exempel mit Liebe und Sanfftmuth stärcken/
daß es nicht von dem Weg gesunder Vernunfft
auff einen Abweg gerathe.

58.

Endlich wenn dir auch schon durch die Ge-
setze nicht verbothen wird diese Liebes-Probe zu-
geben oder zu nehmen/ so mustu dich doch auch
prüffen/ ob du bey derselben durch unflätige Wor-
te
und Thaten diese Schwachheit mehr zu ver-
grössern/ oder auff eine schamhafftige Weise
derselben beyderseits dich zu entledigen trachtest.
Es ist genug/ daß diese Schwachheit allen Men-
schen gemein ist/ und dieselbe ist nur in so weit na-
türlich/ als man sie bey dem gemeinen Triebe läst.
Die Vermehrung derselben überschreitet die
Gräntzen der Vertrauligkeit/ und die beyderseits
einander schuldige Hochachtung; und verwandelt
dieselbe in eine viehische Gemeinmachung und Ge-
ringschätzigkeit/ zumahl wenn man bey Entledi-
gung dieser Schwachheit selbige durch unscham-
haffte Worte und Thaten ohne Noth wieder zu
erwecken sucht.

59.

Dieses alles saget uns nun wohl die ge-
funde Vernunfft von der Beschaffenheit ver-
nünfftiger Liebe; es ist aber zu betauren/ daß
man den Unterscheid der vernünfftigen und un-

ver-

Das 4. Hauptſt. von der vernuͤnfftigen
thun/ als durch andere unſchuldige Liebes-
Bezeugungen
den geneigten Willen zu er-
kennen zu geben/ die geliebte Perſon auch hier-
innen zu vergnuͤgen/ wenn es die Geſetze zulieſ-
ſen: auch den ſchwaͤchern Theil durch ein gutes
Exempel mit Liebe und Sanfftmuth ſtaͤrcken/
daß es nicht von dem Weg geſunder Vernunfft
auff einen Abweg gerathe.

58.

Endlich wenn dir auch ſchon durch die Ge-
ſetze nicht verbothen wird dieſe Liebes-Probe zu-
geben oder zu nehmen/ ſo muſtu dich doch auch
pruͤffẽ/ ob du bey derſelbẽ durch unflaͤtige Wor-
te
und Thaten dieſe Schwachheit mehr zu ver-
groͤſſern/ oder auff eine ſchamhafftige Weiſe
derſelben beyderſeits dich zu entledigen trachteſt.
Es iſt genug/ daß dieſe Schwachheit allen Men-
ſchen gemein iſt/ und dieſelbe iſt nur in ſo weit na-
tuͤrlich/ als man ſie bey dem gemeinen Triebe laͤſt.
Die Vermehrung derſelben uͤberſchreitet die
Graͤntzen der Vertrauligkeit/ und die beyderſeits
einander ſchuldige Hochachtung; und verwandelt
dieſelbe in eine viehiſche Gemeinmachung uñ Ge-
ringſchaͤtzigkeit/ zumahl wenn man bey Entledi-
gung dieſer Schwachheit ſelbige durch unſcham-
haffte Worte und Thaten ohne Noth wieder zu
erwecken ſucht.

59.

Dieſes alles ſaget uns nun wohl die ge-
funde Vernunfft von der Beſchaffenheit ver-
nuͤnfftiger Liebe; es iſt aber zu betauren/ daß
man den Unterſcheid der vernuͤnfftigen und un-

ver-
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[186/0218] Das 4. Hauptſt. von der vernuͤnfftigen thun/ als durch andere unſchuldige Liebes- Bezeugungen den geneigten Willen zu er- kennen zu geben/ die geliebte Perſon auch hier- innen zu vergnuͤgen/ wenn es die Geſetze zulieſ- ſen: auch den ſchwaͤchern Theil durch ein gutes Exempel mit Liebe und Sanfftmuth ſtaͤrcken/ daß es nicht von dem Weg geſunder Vernunfft auff einen Abweg gerathe. 58. Endlich wenn dir auch ſchon durch die Ge- ſetze nicht verbothen wird dieſe Liebes-Probe zu- geben oder zu nehmen/ ſo muſtu dich doch auch pruͤffẽ/ ob du bey derſelbẽ durch unflaͤtige Wor- te und Thaten dieſe Schwachheit mehr zu ver- groͤſſern/ oder auff eine ſchamhafftige Weiſe derſelben beyderſeits dich zu entledigen trachteſt. Es iſt genug/ daß dieſe Schwachheit allen Men- ſchen gemein iſt/ und dieſelbe iſt nur in ſo weit na- tuͤrlich/ als man ſie bey dem gemeinen Triebe laͤſt. Die Vermehrung derſelben uͤberſchreitet die Graͤntzen der Vertrauligkeit/ und die beyderſeits einander ſchuldige Hochachtung; und verwandelt dieſelbe in eine viehiſche Gemeinmachung uñ Ge- ringſchaͤtzigkeit/ zumahl wenn man bey Entledi- gung dieſer Schwachheit ſelbige durch unſcham- haffte Worte und Thaten ohne Noth wieder zu erwecken ſucht. 59. Dieſes alles ſaget uns nun wohl die ge- funde Vernunfft von der Beſchaffenheit ver- nuͤnfftiger Liebe; es iſt aber zu betauren/ daß man den Unterſcheid der vernuͤnfftigen und un- ver-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/218>, abgerufen am 04.03.2025.