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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 13. H. Von denen euserl. Kennzeichen
anderer Menschen daraus hernimmt. Den
Müßiggang wird niemand loben/ aber was
ein Müßiggänger sey/ darinnen ist man nicht ei-
nig/ und wer wolte nach der gemeinen Redens-
Art einen Menschen/ der zur Lust fleißig studi-
ret/ für einen Müßiggänger achten/ der es doch
wahrhafftig ist. Zorn ist eine böse Eigenschaft
und die an einen Menschen nimmer gut ist/ nichts
destoweniger/ weil von GOtt gesagt wird/ daß
er zornig sey/
an GOtt aber nichts böses seyn
kan/ sucht der Mensch immer dadurch seinen
Zorn auch zu was guten oder doch zum wenigsten
zu was indifferenten zu machen. Wer wolte
sagen daß der Neid gut wäre. Aber gleichwohl
wird die Eyffersucht von vielen für was gutes
und für das Kennzeichen rechtschaffener Liebe ge-
halten/ da doch bey aller Eyfersucht der Neid ein
wesentliches Stücke mit ist.

11. Damit man nun diese drey Gemüths-
Neigungen desto besser kennen möge/ als an de-
nen das meiste bey der Kentniß des Menschlichen
Geschsechtes zu thun ist/ wollen wir etwas aus-
führlich davon handeln/ und zwar anfänglich
von Müßiggang. Was ist doch wohl eigent-
lich der Müßiggang für ein Ding? Jnsgemein
giebt man zur Antwort: Wenn man nichts
thut/ sondern faullentzet.
Nun ist das wohl
etwas gesagt/ aber es ist noch sehr dunckel gere-
det. Denn was ist faullentzen? Heist es
schlaffen/ so würde folgen/ daß alles Schlaffen

unrecht

Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen
anderer Menſchen daraus hernimmt. Den
Muͤßiggang wird niemand loben/ aber was
ein Muͤßiggaͤnger ſey/ darinnen iſt man nicht ei-
nig/ und wer wolte nach der gemeinen Redens-
Art einen Menſchen/ der zur Luſt fleißig ſtudi-
ret/ fuͤr einen Muͤßiggaͤnger achten/ der es doch
wahrhafftig iſt. Zorn iſt eine boͤſe Eigenſchaft
und die an einen Menſchen nimmer gut iſt/ nichts
deſtoweniger/ weil von GOtt geſagt wird/ daß
er zornig ſey/
an GOtt aber nichts boͤſes ſeyn
kan/ ſucht der Menſch immer dadurch ſeinen
Zorn auch zu was guten oder doch zum wenigſten
zu was indifferenten zu machen. Wer wolte
ſagen daß der Neid gut waͤre. Aber gleichwohl
wird die Eyfferſucht von vielen fuͤr was gutes
und fuͤr das Kennzeichen rechtſchaffener Liebe ge-
halten/ da doch bey aller Eyferſucht der Neid ein
weſentliches Stuͤcke mit iſt.

11. Damit man nun dieſe drey Gemuͤths-
Neigungen deſto beſſer kennen moͤge/ als an de-
nen das meiſte bey der Kentniß des Menſchlichen
Geſchſechtes zu thun iſt/ wollen wir etwas aus-
fuͤhrlich davon handeln/ und zwar anfaͤnglich
von Muͤßiggang. Was iſt doch wohl eigent-
lich der Muͤßiggang fuͤr ein Ding? Jnsgemein
giebt man zur Antwort: Wenn man nichts
thut/ ſondern faullentzet.
Nun iſt das wohl
etwas geſagt/ aber es iſt noch ſehr dunckel gere-
det. Denn was iſt faullentzen? Heiſt es
ſchlaffen/ ſo wuͤrde folgen/ daß alles Schlaffen

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[402/0414] Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen anderer Menſchen daraus hernimmt. Den Muͤßiggang wird niemand loben/ aber was ein Muͤßiggaͤnger ſey/ darinnen iſt man nicht ei- nig/ und wer wolte nach der gemeinen Redens- Art einen Menſchen/ der zur Luſt fleißig ſtudi- ret/ fuͤr einen Muͤßiggaͤnger achten/ der es doch wahrhafftig iſt. Zorn iſt eine boͤſe Eigenſchaft und die an einen Menſchen nimmer gut iſt/ nichts deſtoweniger/ weil von GOtt geſagt wird/ daß er zornig ſey/ an GOtt aber nichts boͤſes ſeyn kan/ ſucht der Menſch immer dadurch ſeinen Zorn auch zu was guten oder doch zum wenigſten zu was indifferenten zu machen. Wer wolte ſagen daß der Neid gut waͤre. Aber gleichwohl wird die Eyfferſucht von vielen fuͤr was gutes und fuͤr das Kennzeichen rechtſchaffener Liebe ge- halten/ da doch bey aller Eyferſucht der Neid ein weſentliches Stuͤcke mit iſt. 11. Damit man nun dieſe drey Gemuͤths- Neigungen deſto beſſer kennen moͤge/ als an de- nen das meiſte bey der Kentniß des Menſchlichen Geſchſechtes zu thun iſt/ wollen wir etwas aus- fuͤhrlich davon handeln/ und zwar anfaͤnglich von Muͤßiggang. Was iſt doch wohl eigent- lich der Muͤßiggang fuͤr ein Ding? Jnsgemein giebt man zur Antwort: Wenn man nichts thut/ ſondern faullentzet. Nun iſt das wohl etwas geſagt/ aber es iſt noch ſehr dunckel gere- det. Denn was iſt faullentzen? Heiſt es ſchlaffen/ ſo wuͤrde folgen/ daß alles Schlaffen unrecht

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/414>, abgerufen am 27.04.2024.