besser aushalten und mehr die Natur des Winterweizens, sich länger an der Erde zu halten und sich stärker zu bestauden, angenommen haben, und im darauf fol- genden Jahre wird er ganz Winterweizen seyn und später, z. B. zu Ende des Mays gesäet, in demselben Jahre überall nicht in Aehren gehen. Denn der entschiedene Winterweizen kann so früh gesäet werden, ohne empor zu schießen, was der ent- schiedene Sommerweizen noch thut, wenn man ihn auch zu Johannis säete.
So kann ich auch den sogenannten Wunder- oder vielährigen Weizen (Tri- ticum compositum) nicht für eine constante Art (species) erkennen, da er diese geilen Austriebe auf ärmerem Boden bald verliert und nach mehreren Reproductio- nen keine Spur davon zeigt; wogegen seine Körner wieder größer werden.
Was man englischen Weizen (die Botaniker Triticum turgidum) nennt, ist vielleicht eine bestehende Art. Die Aehre und die Spelzen unterscheiden sich durch ihren Bau und das Korn durch einen breitern Rücken und nach Cromens Wahrnehmung durch die Abwesenheit des Haarbüschels an dem dicken Ende, den andere Weizenkörner haben. Er hat zuweilen Grannen, zuweilen keine. Ob die Engländer ihn überhaupt kennen, weiß ich nicht; weil bei ihren unzähligen Abar- ten eine große Verwirrung herrscht. Aber gewiß ist er keine ihrer gewöhnlichen Arten und hat also jenen teutschen Namen sehr unrichtig.
Von den drei entschiedenen Arten, Spelz, Einkorn und polnischen Weizen werden wir unten besonders reden. §. 67. u. f.
Ab- oder Spielarten.
Die Abarten des eigentlichen Weizens sind unzählig, besonders in solchen Gegenden, wo man auf den Weizenbau, wie in England, die höchste Aufmerk- samkeit wendet. Ich habe bei den Engländern über hundert verschiedene Weizen- Namen gezählt; man versieht aber selten, von welcher sie eigentlich reden und ei- ner versteht den andern nicht.
Die von den Grannen hergenommene Unterscheidung ist, wie Haller schon bemerkt hat, ganz trüglich, da der Weizen diese auf verschiedenen Bodenarten be- kommt und auf andern verliert. Auch sehen die Engländer gar nicht darauf.
Der Weizen.
beſſer aushalten und mehr die Natur des Winterweizens, ſich laͤnger an der Erde zu halten und ſich ſtaͤrker zu beſtauden, angenommen haben, und im darauf fol- genden Jahre wird er ganz Winterweizen ſeyn und ſpaͤter, z. B. zu Ende des Mays geſaͤet, in demſelben Jahre uͤberall nicht in Aehren gehen. Denn der entſchiedene Winterweizen kann ſo fruͤh geſaͤet werden, ohne empor zu ſchießen, was der ent- ſchiedene Sommerweizen noch thut, wenn man ihn auch zu Johannis ſaͤete.
So kann ich auch den ſogenannten Wunder- oder vielaͤhrigen Weizen (Tri- ticum compositum) nicht fuͤr eine conſtante Art (species) erkennen, da er dieſe geilen Austriebe auf aͤrmerem Boden bald verliert und nach mehreren Reproductio- nen keine Spur davon zeigt; wogegen ſeine Koͤrner wieder groͤßer werden.
Was man engliſchen Weizen (die Botaniker Triticum turgidum) nennt, iſt vielleicht eine beſtehende Art. Die Aehre und die Spelzen unterſcheiden ſich durch ihren Bau und das Korn durch einen breitern Ruͤcken und nach Cromens Wahrnehmung durch die Abweſenheit des Haarbuͤſchels an dem dicken Ende, den andere Weizenkoͤrner haben. Er hat zuweilen Grannen, zuweilen keine. Ob die Englaͤnder ihn uͤberhaupt kennen, weiß ich nicht; weil bei ihren unzaͤhligen Abar- ten eine große Verwirrung herrſcht. Aber gewiß iſt er keine ihrer gewoͤhnlichen Arten und hat alſo jenen teutſchen Namen ſehr unrichtig.
Von den drei entſchiedenen Arten, Spelz, Einkorn und polniſchen Weizen werden wir unten beſonders reden. §. 67. u. f.
Ab- oder Spielarten.
Die Abarten des eigentlichen Weizens ſind unzaͤhlig, beſonders in ſolchen Gegenden, wo man auf den Weizenbau, wie in England, die hoͤchſte Aufmerk- ſamkeit wendet. Ich habe bei den Englaͤndern uͤber hundert verſchiedene Weizen- Namen gezaͤhlt; man verſieht aber ſelten, von welcher ſie eigentlich reden und ei- ner verſteht den andern nicht.
Die von den Grannen hergenommene Unterſcheidung iſt, wie Haller ſchon bemerkt hat, ganz truͤglich, da der Weizen dieſe auf verſchiedenen Bodenarten be- kommt und auf andern verliert. Auch ſehen die Englaͤnder gar nicht darauf.
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Der Weizen.
beſſer aushalten und mehr die Natur des Winterweizens, ſich laͤnger an der Erde
zu halten und ſich ſtaͤrker zu beſtauden, angenommen haben, und im darauf fol-
genden Jahre wird er ganz Winterweizen ſeyn und ſpaͤter, z. B. zu Ende des Mays
geſaͤet, in demſelben Jahre uͤberall nicht in Aehren gehen. Denn der entſchiedene
Winterweizen kann ſo fruͤh geſaͤet werden, ohne empor zu ſchießen, was der ent-
ſchiedene Sommerweizen noch thut, wenn man ihn auch zu Johannis ſaͤete.
So kann ich auch den ſogenannten Wunder- oder vielaͤhrigen Weizen (Tri-
ticum compositum) nicht fuͤr eine conſtante Art (species) erkennen, da er dieſe
geilen Austriebe auf aͤrmerem Boden bald verliert und nach mehreren Reproductio-
nen keine Spur davon zeigt; wogegen ſeine Koͤrner wieder groͤßer werden.
Was man engliſchen Weizen (die Botaniker Triticum turgidum) nennt,
iſt vielleicht eine beſtehende Art. Die Aehre und die Spelzen unterſcheiden ſich
durch ihren Bau und das Korn durch einen breitern Ruͤcken und nach Cromens
Wahrnehmung durch die Abweſenheit des Haarbuͤſchels an dem dicken Ende, den
andere Weizenkoͤrner haben. Er hat zuweilen Grannen, zuweilen keine. Ob die
Englaͤnder ihn uͤberhaupt kennen, weiß ich nicht; weil bei ihren unzaͤhligen Abar-
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Arten und hat alſo jenen teutſchen Namen ſehr unrichtig.
Von den drei entſchiedenen Arten, Spelz, Einkorn und polniſchen
Weizen werden wir unten beſonders reden. §. 67. u. f.
Ab- oder Spielarten.
Die Abarten des eigentlichen Weizens ſind unzaͤhlig, beſonders in ſolchen
Gegenden, wo man auf den Weizenbau, wie in England, die hoͤchſte Aufmerk-
ſamkeit wendet. Ich habe bei den Englaͤndern uͤber hundert verſchiedene Weizen-
Namen gezaͤhlt; man verſieht aber ſelten, von welcher ſie eigentlich reden und ei-
ner verſteht den andern nicht.
Die von den Grannen hergenommene Unterſcheidung iſt, wie Haller ſchon
bemerkt hat, ganz truͤglich, da der Weizen dieſe auf verſchiedenen Bodenarten be-
kommt und auf andern verliert. Auch ſehen die Englaͤnder gar nicht darauf.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/74>, abgerufen am 16.07.2024.
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