Man hat die Behütung der Wiesen und die Verschonung mit dem Schnitte ih- nen so vortheilhaft gefunden, daß man, insbesondere in England, die Wiesen oft ein ganzes Jahr hindurch zu Weiden benutzt, und gar nicht mähet. Ich möchte die- ses Verfahren nach einigen Beobachtungen, die ich über beweidetes Grasland ge- macht habe, nicht allgemein empfehlen. Denn die höher wachsenden Mähegräser scheinen es nach selbigen nicht zu ertragen, daß man sie durch Abweidung ganz nie- derhalte, sondern sich danach zu verlieren, und ein beweideter Platz giebt, wenn man ihn nun als Wiese aufschießen läßt, zwar ein dichteres, aber niedriges Gras. Ist der Boden so kraftreich, daß auch die niederen Grasarten genug vor die Sense geben, so mag ein solcher Wechsel vortheilhaft seyn; sonst aber scheint mir die Be- weidung eines ganzen oder mehrerer Jahre bedenklich.
§. 347.
Man macht sonst häufig den Unterschied unter ein-, zwei-, und dreischü- rigen Wiesen, und bei den erstern wieder unter den Früh- und Spätwiesen. Dieser Unterschied beruht aber entweder auf der Kultur, oder gewöhnlich auf Rechts- verhältnisse. Denn durch Kultur und privatives Eigenthum können alle einschürige Wiesen zu zweischürigen gemacht werden. Jene beschränkenden Rechtsverhältnisse sind aber auf den Wiesen, die man überhaupt länger, wie das Ackerland, als Ge- meingut betrachtete, dem jetzigen Zustande der Kultur so unangemessen, daß man allenthalben, wo man auf Fortschritte im Wohlstande der Nation denket, selbige ab- zuändern, oder die Abänderung zum Vortheil aller Interessenten zu erleichtern be- mühet ist.
§. 348.
Die Heuernte
ist eine von den wichtigsten Geschäften des Landwirths, dessen Vollführung die größte Aufmerksamkeit und Thätigkeit erfordert.
Wahrzuneh- mender Zeit- punkt.Der gerechte Zeitpunkt für dieselbe kann nicht, wie es häufig geschieht, nach dem Kalender bestimmt werden. Er tritt nicht nur nach Verschiedenheit der Wiese und der darauf befindlichen Hauptgräser, sondern auch nach Beschaffenheit der Jah- reswitterung früher oder später ein. Die erste Regel ist die: zu mähen, wenn die
Der Wieſenbau.
§. 346.
Man hat die Behuͤtung der Wieſen und die Verſchonung mit dem Schnitte ih- nen ſo vortheilhaft gefunden, daß man, insbeſondere in England, die Wieſen oft ein ganzes Jahr hindurch zu Weiden benutzt, und gar nicht maͤhet. Ich moͤchte die- ſes Verfahren nach einigen Beobachtungen, die ich uͤber beweidetes Grasland ge- macht habe, nicht allgemein empfehlen. Denn die hoͤher wachſenden Maͤhegraͤſer ſcheinen es nach ſelbigen nicht zu ertragen, daß man ſie durch Abweidung ganz nie- derhalte, ſondern ſich danach zu verlieren, und ein beweideter Platz giebt, wenn man ihn nun als Wieſe aufſchießen laͤßt, zwar ein dichteres, aber niedriges Gras. Iſt der Boden ſo kraftreich, daß auch die niederen Grasarten genug vor die Senſe geben, ſo mag ein ſolcher Wechſel vortheilhaft ſeyn; ſonſt aber ſcheint mir die Be- weidung eines ganzen oder mehrerer Jahre bedenklich.
§. 347.
Man macht ſonſt haͤufig den Unterſchied unter ein-, zwei-, und dreiſchuͤ- rigen Wieſen, und bei den erſtern wieder unter den Fruͤh- und Spaͤtwieſen. Dieſer Unterſchied beruht aber entweder auf der Kultur, oder gewoͤhnlich auf Rechts- verhaͤltniſſe. Denn durch Kultur und privatives Eigenthum koͤnnen alle einſchuͤrige Wieſen zu zweiſchuͤrigen gemacht werden. Jene beſchraͤnkenden Rechtsverhaͤltniſſe ſind aber auf den Wieſen, die man uͤberhaupt laͤnger, wie das Ackerland, als Ge- meingut betrachtete, dem jetzigen Zuſtande der Kultur ſo unangemeſſen, daß man allenthalben, wo man auf Fortſchritte im Wohlſtande der Nation denket, ſelbige ab- zuaͤndern, oder die Abaͤnderung zum Vortheil aller Intereſſenten zu erleichtern be- muͤhet iſt.
§. 348.
Die Heuernte
iſt eine von den wichtigſten Geſchaͤften des Landwirths, deſſen Vollfuͤhrung die groͤßte Aufmerkſamkeit und Thaͤtigkeit erfordert.
Wahrzuneh- mender Zeit- punkt.Der gerechte Zeitpunkt fuͤr dieſelbe kann nicht, wie es haͤufig geſchieht, nach dem Kalender beſtimmt werden. Er tritt nicht nur nach Verſchiedenheit der Wieſe und der darauf befindlichen Hauptgraͤſer, ſondern auch nach Beſchaffenheit der Jah- reswitterung fruͤher oder ſpaͤter ein. Die erſte Regel iſt die: zu maͤhen, wenn die
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Der Wieſenbau.
§. 346.
Man hat die Behuͤtung der Wieſen und die Verſchonung mit dem Schnitte ih-
nen ſo vortheilhaft gefunden, daß man, insbeſondere in England, die Wieſen oft
ein ganzes Jahr hindurch zu Weiden benutzt, und gar nicht maͤhet. Ich moͤchte die-
ſes Verfahren nach einigen Beobachtungen, die ich uͤber beweidetes Grasland ge-
macht habe, nicht allgemein empfehlen. Denn die hoͤher wachſenden Maͤhegraͤſer
ſcheinen es nach ſelbigen nicht zu ertragen, daß man ſie durch Abweidung ganz nie-
derhalte, ſondern ſich danach zu verlieren, und ein beweideter Platz giebt, wenn
man ihn nun als Wieſe aufſchießen laͤßt, zwar ein dichteres, aber niedriges Gras.
Iſt der Boden ſo kraftreich, daß auch die niederen Grasarten genug vor die Senſe
geben, ſo mag ein ſolcher Wechſel vortheilhaft ſeyn; ſonſt aber ſcheint mir die Be-
weidung eines ganzen oder mehrerer Jahre bedenklich.
§. 347.
Man macht ſonſt haͤufig den Unterſchied unter ein-, zwei-, und dreiſchuͤ-
rigen Wieſen, und bei den erſtern wieder unter den Fruͤh- und Spaͤtwieſen.
Dieſer Unterſchied beruht aber entweder auf der Kultur, oder gewoͤhnlich auf Rechts-
verhaͤltniſſe. Denn durch Kultur und privatives Eigenthum koͤnnen alle einſchuͤrige
Wieſen zu zweiſchuͤrigen gemacht werden. Jene beſchraͤnkenden Rechtsverhaͤltniſſe
ſind aber auf den Wieſen, die man uͤberhaupt laͤnger, wie das Ackerland, als Ge-
meingut betrachtete, dem jetzigen Zuſtande der Kultur ſo unangemeſſen, daß man
allenthalben, wo man auf Fortſchritte im Wohlſtande der Nation denket, ſelbige ab-
zuaͤndern, oder die Abaͤnderung zum Vortheil aller Intereſſenten zu erleichtern be-
muͤhet iſt.
§. 348.
Die Heuernte
iſt eine von den wichtigſten Geſchaͤften des Landwirths, deſſen Vollfuͤhrung die groͤßte
Aufmerkſamkeit und Thaͤtigkeit erfordert.
Der gerechte Zeitpunkt fuͤr dieſelbe kann nicht, wie es haͤufig geſchieht, nach
dem Kalender beſtimmt werden. Er tritt nicht nur nach Verſchiedenheit der Wieſe
und der darauf befindlichen Hauptgraͤſer, ſondern auch nach Beſchaffenheit der Jah-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/280>, abgerufen am 27.07.2024.
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