Auch wenn sich der Humus einmal gebildet hat, so ist er noch keinesweges un-Verschieden- heit und Ver- änderlichkeit. veränderlich und nicht unzerstörbar. Er steht besonders in beständiger Wechselwirkung mit der atmosphärischen Luft. Unter einer mit Quecksilber gesperrten Glocke zieht er das Sauerstoffgas mächtig an, theilt ihm Kohle mit, und verwandelt es in kohlen- saures Gas. Ist die Glocke mit Wasser gesperrt, so entsteht ein leerer Raum, in welchem das Wasser eintritt, indem es das kohlensaure Gas in sich aufnimmt. Es geht also mit dem Humus eine unmerkliche Verbrennung vor. Bei der vollkommnen Holzkohle bemerken wir dieses nicht. Es muß also von der besondern Verbindung des Kohlenstoffs mit Hydrogen und Azot herrühren. Durch diese Erzeugung von kohlensaurem Gas wirkt der Humus wahrscheinlich auf die Vegetation, auch vermit- telst des Bodens, besonders wenn das Kraut der Pflanzen die Oberfläche stark be- deckt, und dadurch die zu schnelle Entweichung der mit entwickeltem kohlensauren Gas angefüllten Luftschicht hindert. Saussure fand, daß saftige halb vertrocknete Pflan- zen sich augenscheinlich schneller erholten, wenn er sie auf Humus oder auf einer mit Humus angefüllten Erde legte, als wenn sie auf einer andern magern feuchten Erde lagen. Nach den unter der Glocke angestellten Versuchen kann man berechnen, wie ungeheuer groß die Menge von Kohlensäure seyn muß, die sich auf einem Morgen von einem an Humus reichen Lande entwickelt.
§. 112.
Zugleich aber geht in dem Humus noch eine andere Veränderung vor, die unsExtraktivstoff des Humus. ebenfalls Saussure noch genauer kennen gelehrt hat. Es bildet sich nämlich darin eine gewisse im Wasser auflösliche Materie, die man Extraktivstoff nennt. Man scheidet diesen Stoff aus, wenn man einen an der Luft gelegenen Humus meh- rere Male auskocht, und dann die braune Brühe verdunsten läßt, wo dieser Stoff dann als ein brauner und schwarzer Brei zurückbleibt. Wenn durch wiederholte Ab- kochung der Humus dieses auflöslichen Stoffes fast völlig beraubt scheint, man ihn dann aber wieder eine Zeitlang der Berührung der Atmosphäre aussetzt, so erhält man aufs neue mehreren Extraktivstoff. Bewahrt man aber den Humus in ver- schlossenen Gefäßen auf, so erhält man keinen weiter. Der seines auflöslichen Ex- trakts so beraubte Humus ist nach Saussure minder fruchtbar, und enthält verhältniß- mäßig weniger Kohle, als der nicht ausgekochte. Diesen Extraktivstoff, in Wasser
Beſtandtheile des Bodens.
§. 111.
Auch wenn ſich der Humus einmal gebildet hat, ſo iſt er noch keinesweges un-Verſchieden- heit und Ver- aͤnderlichkeit. veraͤnderlich und nicht unzerſtoͤrbar. Er ſteht beſonders in beſtaͤndiger Wechſelwirkung mit der atmoſphaͤriſchen Luft. Unter einer mit Queckſilber geſperrten Glocke zieht er das Sauerſtoffgas maͤchtig an, theilt ihm Kohle mit, und verwandelt es in kohlen- ſaures Gas. Iſt die Glocke mit Waſſer geſperrt, ſo entſteht ein leerer Raum, in welchem das Waſſer eintritt, indem es das kohlenſaure Gas in ſich aufnimmt. Es geht alſo mit dem Humus eine unmerkliche Verbrennung vor. Bei der vollkommnen Holzkohle bemerken wir dieſes nicht. Es muß alſo von der beſondern Verbindung des Kohlenſtoffs mit Hydrogen und Azot herruͤhren. Durch dieſe Erzeugung von kohlenſaurem Gas wirkt der Humus wahrſcheinlich auf die Vegetation, auch vermit- telſt des Bodens, beſonders wenn das Kraut der Pflanzen die Oberflaͤche ſtark be- deckt, und dadurch die zu ſchnelle Entweichung der mit entwickeltem kohlenſauren Gas angefuͤllten Luftſchicht hindert. Sauſſure fand, daß ſaftige halb vertrocknete Pflan- zen ſich augenſcheinlich ſchneller erholten, wenn er ſie auf Humus oder auf einer mit Humus angefuͤllten Erde legte, als wenn ſie auf einer andern magern feuchten Erde lagen. Nach den unter der Glocke angeſtellten Verſuchen kann man berechnen, wie ungeheuer groß die Menge von Kohlenſaͤure ſeyn muß, die ſich auf einem Morgen von einem an Humus reichen Lande entwickelt.
§. 112.
Zugleich aber geht in dem Humus noch eine andere Veraͤnderung vor, die unsExtraktivſtoff des Humus. ebenfalls Sauſſure noch genauer kennen gelehrt hat. Es bildet ſich naͤmlich darin eine gewiſſe im Waſſer aufloͤsliche Materie, die man Extraktivſtoff nennt. Man ſcheidet dieſen Stoff aus, wenn man einen an der Luft gelegenen Humus meh- rere Male auskocht, und dann die braune Bruͤhe verdunſten laͤßt, wo dieſer Stoff dann als ein brauner und ſchwarzer Brei zuruͤckbleibt. Wenn durch wiederholte Ab- kochung der Humus dieſes aufloͤslichen Stoffes faſt voͤllig beraubt ſcheint, man ihn dann aber wieder eine Zeitlang der Beruͤhrung der Atmoſphaͤre ausſetzt, ſo erhaͤlt man aufs neue mehreren Extraktivſtoff. Bewahrt man aber den Humus in ver- ſchloſſenen Gefaͤßen auf, ſo erhaͤlt man keinen weiter. Der ſeines aufloͤslichen Ex- trakts ſo beraubte Humus iſt nach Sauſſure minder fruchtbar, und enthaͤlt verhaͤltniß- maͤßig weniger Kohle, als der nicht ausgekochte. Dieſen Extraktivſtoff, in Waſſer
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Beſtandtheile des Bodens.
§. 111.
Auch wenn ſich der Humus einmal gebildet hat, ſo iſt er noch keinesweges un-
veraͤnderlich und nicht unzerſtoͤrbar. Er ſteht beſonders in beſtaͤndiger Wechſelwirkung
mit der atmoſphaͤriſchen Luft. Unter einer mit Queckſilber geſperrten Glocke zieht er
das Sauerſtoffgas maͤchtig an, theilt ihm Kohle mit, und verwandelt es in kohlen-
ſaures Gas. Iſt die Glocke mit Waſſer geſperrt, ſo entſteht ein leerer Raum, in
welchem das Waſſer eintritt, indem es das kohlenſaure Gas in ſich aufnimmt. Es
geht alſo mit dem Humus eine unmerkliche Verbrennung vor. Bei der vollkommnen
Holzkohle bemerken wir dieſes nicht. Es muß alſo von der beſondern Verbindung
des Kohlenſtoffs mit Hydrogen und Azot herruͤhren. Durch dieſe Erzeugung von
kohlenſaurem Gas wirkt der Humus wahrſcheinlich auf die Vegetation, auch vermit-
telſt des Bodens, beſonders wenn das Kraut der Pflanzen die Oberflaͤche ſtark be-
deckt, und dadurch die zu ſchnelle Entweichung der mit entwickeltem kohlenſauren Gas
angefuͤllten Luftſchicht hindert. Sauſſure fand, daß ſaftige halb vertrocknete Pflan-
zen ſich augenſcheinlich ſchneller erholten, wenn er ſie auf Humus oder auf einer mit
Humus angefuͤllten Erde legte, als wenn ſie auf einer andern magern feuchten Erde
lagen. Nach den unter der Glocke angeſtellten Verſuchen kann man berechnen, wie
ungeheuer groß die Menge von Kohlenſaͤure ſeyn muß, die ſich auf einem Morgen
von einem an Humus reichen Lande entwickelt.
Verſchieden-
heit und Ver-
aͤnderlichkeit.
§. 112.
Zugleich aber geht in dem Humus noch eine andere Veraͤnderung vor, die uns
ebenfalls Sauſſure noch genauer kennen gelehrt hat. Es bildet ſich naͤmlich darin
eine gewiſſe im Waſſer aufloͤsliche Materie, die man Extraktivſtoff nennt.
Man ſcheidet dieſen Stoff aus, wenn man einen an der Luft gelegenen Humus meh-
rere Male auskocht, und dann die braune Bruͤhe verdunſten laͤßt, wo dieſer Stoff
dann als ein brauner und ſchwarzer Brei zuruͤckbleibt. Wenn durch wiederholte Ab-
kochung der Humus dieſes aufloͤslichen Stoffes faſt voͤllig beraubt ſcheint, man ihn
dann aber wieder eine Zeitlang der Beruͤhrung der Atmoſphaͤre ausſetzt, ſo erhaͤlt
man aufs neue mehreren Extraktivſtoff. Bewahrt man aber den Humus in ver-
ſchloſſenen Gefaͤßen auf, ſo erhaͤlt man keinen weiter. Der ſeines aufloͤslichen Ex-
trakts ſo beraubte Humus iſt nach Sauſſure minder fruchtbar, und enthaͤlt verhaͤltniß-
maͤßig weniger Kohle, als der nicht ausgekochte. Dieſen Extraktivſtoff, in Waſſer
Extraktivſtoff
des Humus.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/153>, abgerufen am 22.02.2025.
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