Beobachtung, indem wir die von selbst zusammentreffenden Körper und Potenzen und deren Einwirkung auf einander gehörig beachten, und das Resultat bemerken; oder durch
Versuche, indem wir wohlbekannte Dinge in genau bestimmten Verhält- nissen zusammenbringen, ihre Wechselwirkung beachten, und dabei möglichst verhü- ten, daß nichts Fremdes oder Unbekanntes, was Einfluß auf den Erfolg haben kann, sich einmische.
Ein Versuch ist eine der Natur vorgelegte Frage, worauf sie, wenn er gehörig eingerichtet ist, durchaus eine Antwort -- sey es auch nur durch Ja oder Nein -- geben muß.
§. 20.
Die Kunst, Versuche anzustellen, hat man fast zuerst im vorigen JahrhunderteVersuche. richtig kennen gelernt und ausgebildet. Auf dieselbe gründet sich jedoch vorzüglich die Gewalt des Menschen über die materielle Welt, und er kann diese um so weiter ausdehnen, je mehr er jene Kunst vervollkommnet und in Ausübung bringt.
§. 21.
Es verdient aber keinesweges den Namen eines Versuchs, wenn man mehrere Stoffe und Potenzen, unbestimmt und ungemessen, und ohne den Einfluß fremder abzuschneiden, auf einander wirken läßt und den Erfolg bemerkt. Solcher sogenann- ten Proben haben wir freilich viele, und es ist auch allerdings manches Wichtige und Nützliche dadurch zufällig entdeckt worden, in den früheren Perioden der Naturfor- schung. Aber nie erfuhr man dadurch das, was man gerade wissen wollte, und worauf es ankam, und Millionen wurden fruchtlos angestellt, bevor man eine Ent- deckung machte.
§. 22.
Ganz vollkommen und reine Versuche sind fast nur in einem isolirten Raume, unter der Klocke des Naturforschers und im Laboratorium des Chemikers möglich. Sie liegen außer dem Wirkungskreise des eigentlichen Landwirths, ihre Erforschung,
Erster Theil. B
Begruͤndung der Lehre.
§. 19.
Erfahrungen machen wir, entweder durch bloße
Beobachtung, indem wir die von ſelbſt zuſammentreffenden Koͤrper und Potenzen und deren Einwirkung auf einander gehoͤrig beachten, und das Reſultat bemerken; oder durch
Verſuche, indem wir wohlbekannte Dinge in genau beſtimmten Verhaͤlt- niſſen zuſammenbringen, ihre Wechſelwirkung beachten, und dabei moͤglichſt verhuͤ- ten, daß nichts Fremdes oder Unbekanntes, was Einfluß auf den Erfolg haben kann, ſich einmiſche.
Ein Verſuch iſt eine der Natur vorgelegte Frage, worauf ſie, wenn er gehoͤrig eingerichtet iſt, durchaus eine Antwort — ſey es auch nur durch Ja oder Nein — geben muß.
§. 20.
Die Kunſt, Verſuche anzuſtellen, hat man faſt zuerſt im vorigen JahrhunderteVerſuche. richtig kennen gelernt und ausgebildet. Auf dieſelbe gruͤndet ſich jedoch vorzuͤglich die Gewalt des Menſchen uͤber die materielle Welt, und er kann dieſe um ſo weiter ausdehnen, je mehr er jene Kunſt vervollkommnet und in Ausuͤbung bringt.
§. 21.
Es verdient aber keinesweges den Namen eines Verſuchs, wenn man mehrere Stoffe und Potenzen, unbeſtimmt und ungemeſſen, und ohne den Einfluß fremder abzuſchneiden, auf einander wirken laͤßt und den Erfolg bemerkt. Solcher ſogenann- ten Proben haben wir freilich viele, und es iſt auch allerdings manches Wichtige und Nuͤtzliche dadurch zufaͤllig entdeckt worden, in den fruͤheren Perioden der Naturfor- ſchung. Aber nie erfuhr man dadurch das, was man gerade wiſſen wollte, und worauf es ankam, und Millionen wurden fruchtlos angeſtellt, bevor man eine Ent- deckung machte.
§. 22.
Ganz vollkommen und reine Verſuche ſind faſt nur in einem iſolirten Raume, unter der Klocke des Naturforſchers und im Laboratorium des Chemikers moͤglich. Sie liegen außer dem Wirkungskreiſe des eigentlichen Landwirths, ihre Erforſchung,
Erſter Theil. B
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Begruͤndung der Lehre.
§. 19.
Erfahrungen machen wir, entweder durch bloße
Beobachtung, indem wir die von ſelbſt zuſammentreffenden Koͤrper und
Potenzen und deren Einwirkung auf einander gehoͤrig beachten, und das Reſultat
bemerken; oder durch
Verſuche, indem wir wohlbekannte Dinge in genau beſtimmten Verhaͤlt-
niſſen zuſammenbringen, ihre Wechſelwirkung beachten, und dabei moͤglichſt verhuͤ-
ten, daß nichts Fremdes oder Unbekanntes, was Einfluß auf den Erfolg haben kann,
ſich einmiſche.
Ein Verſuch iſt eine der Natur vorgelegte Frage, worauf ſie, wenn er gehoͤrig
eingerichtet iſt, durchaus eine Antwort — ſey es auch nur durch Ja oder Nein —
geben muß.
§. 20.
Die Kunſt, Verſuche anzuſtellen, hat man faſt zuerſt im vorigen Jahrhunderte
richtig kennen gelernt und ausgebildet. Auf dieſelbe gruͤndet ſich jedoch vorzuͤglich
die Gewalt des Menſchen uͤber die materielle Welt, und er kann dieſe um ſo weiter
ausdehnen, je mehr er jene Kunſt vervollkommnet und in Ausuͤbung bringt.
Verſuche.
§. 21.
Es verdient aber keinesweges den Namen eines Verſuchs, wenn man mehrere
Stoffe und Potenzen, unbeſtimmt und ungemeſſen, und ohne den Einfluß fremder
abzuſchneiden, auf einander wirken laͤßt und den Erfolg bemerkt. Solcher ſogenann-
ten Proben haben wir freilich viele, und es iſt auch allerdings manches Wichtige und
Nuͤtzliche dadurch zufaͤllig entdeckt worden, in den fruͤheren Perioden der Naturfor-
ſchung. Aber nie erfuhr man dadurch das, was man gerade wiſſen wollte, und
worauf es ankam, und Millionen wurden fruchtlos angeſtellt, bevor man eine Ent-
deckung machte.
§. 22.
Ganz vollkommen und reine Verſuche ſind faſt nur in einem iſolirten Raume,
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/39>, abgerufen am 21.02.2025.
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